NÜRNBERG (khe/nf) - Die Altstadtfreunde laden am Samstag, 22. April zu ihrem ersten Spaziergang in diesem Jahr ein. Unter dem Motto „Von wilden Männern und anderen Figuren“ geht es diesmal um Fachwerk in Nürnberg. Im Viertelstunden-Takt werden dabei besonders charakteristische Häuser vorgestellt, an denen sich die Entwicklung des Holzbaus ablesen lässt.
Was wäre Nürnberg ohne seine Fachwerkhäuser? Seit der Gründung der Altstadtfreunde im Jahre 1973 waren sie für den Verein immer ein Thema. In seiner Anfangszeit verfügte er noch nicht über die Finanzkraft, sich an komplette Haussanierungen heranzuwagen. So konzentrierten sich die Altstadtfreunde auf das Freilegen von verputzten Fachwerkfassaden. Mit vergleichsweise geringem Aufwand gelang es, eindrucksvolle Akzente im Stadtbild zu setzen. Über 40 Fachwerkfreilegungen wurden es im Laufe der Zeit.
Bis in die Barockzeit hinein war das Bild der Reichsstadt von Fachwerkhäusern geprägt, sieht man einmal von wenigen privaten Steinbauten ab. Dann allerdings änderte sich der Zeitgeschmack und einfaches, rein konstruktives Fachwerk wurde gerne hinter einer bemalten Putzschicht versteckt, um einen Sandsteinbau vorzutäuschen. Diese Regel galt jedoch nicht durchgängig. So blieb beispielsweise das heutige Dr.-Erich- Mulzer-Haus, die Zentrale der Altstadtfreunde in der Weißgerbergasse 10, auch nach seinem Umbau von 1728 fachwerksichtig. Barocke Kupferstiche beweisen, dass Nürnberg auch noch im frühen 18. Jahrhundert in vielen Ecken das Bild einer ausgesprochenen Fachwerkstadt bot. Ein Zustand, der sich allerdings im 19. Jahrhundert änderte, als die Stadt fast flächendeckend mit einer grauen Putzschicht überzogen wurde.
Obwohl nach heutigen Maßstäben des Denkmalschutzes manchmal fragwürdig, sorgten die Denkmalfreilegungen der Altstadtfreunde nicht nur für farbige Tupfer im heute so monotonen Stadtbild. Auch für die Hausforschung bedeuteten sie einen enormen Gewinn. Erst durch die Freilegung zeigten sich in vielen Fällen der wahre Wert und das Alter von vorher unscheinbaren Gebäuden. So manches Haus, das in der „Wild-West-Zeit“ der späten 60er und frühen 70er Jahre abgerissen wurde, hätte vielleicht überlebt, wenn es fachwerksichtig gewesen wäre.
Fachwerkhäuser erzählen ihre Geschichte. Und es sind nur wenige Grundsätze, mit denen auch der interessierte Laie die Geschichte eines Hauses erschließen kann. Beispielsweise das Eckhaus Obere/Untere Krämersgasse. Bevor es 1975 durch die Altstadtfreunde von seinem Putz befreit wurde, wunderte man sich über eine vermeintliche Auskragung, die es in Nürnberg eigentlich nicht geben durfte. Erst jetzt sah man, dass das ursprünglich bis zum Boden reichende Fachwerkhaus nur knapp einer Katastrophe entging, weil es sich schon beträchtlich in die Gasse hinein neigte. Glücklicherweise konnte das Haus durch eine Sandsteinfassade im Erdgeschoss und durch eine teilweise Auswechslung der Holzkonstruktion stabilisiert werden.
Kurz nach 1500 kam es in Nürnberg zu einer grundlegenden Änderung im Fachwerkbau. Die bis dahin angewandte Technik, alle schrägverlaufenden Fachwerkhölzer mit den waagrechten und senkrechten Hölzern zu verblatten, wurde aufgegeben und durch einen Zapfenanschluss ersetzt. Gleichzeitig entstand eine neue Fachwerkfigur, die als K-Verstrebung bezeichnet wird. Wie die Bezeichnung bereits vermuten lässt, entspricht die Figur dem Buchstaben K und besteht aus einem senkrechten Ständer und je einer schrägen Kopf- und Fußstrebe. Wurde diese Figur auf beiden Seiten des Ständers spiegelverkehrt angeordnet, dann erinnerte sie an einen breitbeinig aufgestellten Mann, der die Arme hebt. Man kann diesen „Wilden Mann“ an vielen Nürnberger Fachwerkbauten beobachten, beispielsweise an der Albrecht- Dürer-Straße 24 oder im Giebel des Pilatushauses.
Wer bei dem Spaziergang mit den Altstadtfreunden in die Welt des Nürnberger Fachwerks eintaucht, wird am Ende mühelos mittelalterliches von neuzeitlichem Fachwerk unterscheiden können. Und er wird viele „versteckte“ Kleinigkeiten kennenlernen, die die Besucher auf der Runde durch die Sebalder Altstadt überraschen.
Stadtspaziergang: Von wilden Männern und anderen Figuren – Fachwerk in Nürnberg Samstag, 22. April 2017, 10.00-16.00 Uhr, Führungen ca. alle 15 Minuten
Treffpunkt: Vor dem Fembohaus
Dauer: etwa 90 Minuten
Führungen in russischer Sprache um 12:10 und 14:10 Uhr Die Führungen sind kostenlos, Spenden erwünscht.
Reisen mit der Kinderzeitmaschine: Wer hat Angst vorm Wilden Mann? Ein Haus bauen wie im Mittelalter, ab 8 Jahren.
Samstag, 22. April 2017, 14.00 Uhr Treffpunkt: Vor dem Fembohaus Dauer: etwa 90 Minuten
Augen auf in Nürnbergs Altstadt heißt es am Samstag, 22. April 2017, für Kinder von 8 bis 12 Jahren. Um 14 Uhr geht es mit der Kinderzeitmaschine der Altstadtfreunde auf eine spannende Reise ins Mittelalter. Erforscht wird der Hausbau in dieser Zeit und wie immer bei den Altstadtfreunden gibt es für die Kinder auch etwas zu tun – ein Fachwerkhaus wird errichtet. Solche Häuser sind in Nürnbergs Altstadt schnell gefunden, die Suche nach wilden Männern und Andreaskreuzen ist da schon schwieriger. So etwas gibt es an den Neubauten der heutigen Zeit nicht mehr. Ein paar wenige Tipps und Tricks „der Experten“ helfen hier weiter. Ob die Pläne, Werkzeuge und Materialien, die dafür gebraucht wurden, genauso aussahen wie heute und wer am Bau eines solchen Hauses früher beteiligt war? All dies werden die fleißigen Handwerker erfahren, bevor sie selbst loslegen dürfen.
Autor:Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg |
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