Tropische Temperaturen beim 36. Poetenfest

Die Lange Nacht der Ersten Erde. Michael Krüger im Gespräch mit Raoul Schrott (r.). | Foto: Erlanger Poetenfest/Erich Malter
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  • Die Lange Nacht der Ersten Erde. Michael Krüger im Gespräch mit Raoul Schrott (r.).
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Über 12.000 Besucherinnen und Besucher beim 36. Erlanger Poetenfest

ERLANGEN (pm/nf) - Mit einem Porträt des griechisch-österreichisch-schwedischen Romanciers, Publizisten und Literaturwissenschaftlers Aris Fioretos fand das 36. Erlanger Poetenfest im Erlanger Markgrafentheater einen passenden Abschluss. In Person und Werk vereint Aris Fioretos prägende Themen der diesjährigen Poetenfest-Ausgabe, die wieder über 12.000 Besucherinnen und Besucher nach Erlangen lockte: Migration, kulturelle Vielfalt und die Zukunft Europas.

Parallel zu den Lesungen im Erlanger Schlossgarten hatte kurz zuvor eine engagiert für Offenheit und Anerkennung kultureller Unterschiede plädierende Herta Müller über ihre eigenen Flucht- und Exilerfahrungen berichtet und mit Wilfried F. Schoeller diskutiert, welche Lehren daraus für die aktuelle Debatte um die Integration geflüchteter Menschen gezogen werden können.

Flucht und Exil war ein Themenkomplex, der sich wie ein roter Faden durch das Programm des diesjährigen Poetenfests zog, von den Lesungen im Schlossgarten bis zu den abendlichen Autorenporträts: Im überaus unterhaltsamen Gespräch mit Andreas Platthaus machte Ilija Trojanow deutlich, wie sehr seine weltläufige Biografie durch die Flucht als Kind aus Bulgarien geprägt ist. Nur wenige Kilometer von Erlangen entfernt, war die Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf damals seine erste Station. Trojanow plädierte dafür, die derzeitigen Herausforderungen im historischen Kontext immer wieder auftretender Flüchtlingswellen zu sehen und – als Kenner Afrikas und langjähriger Verleger afrikanischer Literatur – die historische Verantwortung Europas für die Probleme in vielen Ländern Afrikas stärker wahrzunehmen.

Im Zentrum des Erlanger Poetenfests standen auch in diesem Jahr die langen Lesenachmittagen mit zahlreichen Buchpremieren im Erlanger Schlossgarten. Die Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Sharon Douda Otoo mit ihrem Klagenfurt-Text, Shida Bazyar, die aus ihrem druckfrischen Roman „Nachts ist es leise in Teheran“ las, die mit „Drehtür“ für den deutschen Buchpreis nominierte Katja Lange-Müller, Katharina Winkler und Abbas Khider, die aus ihren Frühjahrserscheinungen „Blauschmuck“ und „Ohrfeige“ lasen und die niederländische Bestseller-Autorin Connie Palmen, die ihren neuen Roman über Sylvia Plath und Ted Hughes vorstellte, zählten zu den Höhepunkten. Auch Emma Braslavsky, Mara-Daria Cojocaru, Kurt Drawert, Gerhard Falkner, Joshua Groß, Reinhard Kaiser-Mühlecker, Isabelle Lehn, José F. A. Oliver, Teresa Präauer, Tilman Rammstedt, Eberhard Rathgeb, Ulrike Almut Sandig, Silke Scheuermann und Arnold Stadler faszinierten das Publikum bei den Freiluft-Lesungen im Park. Ihre Kinder- und Jugendbücher präsentierten Norbert Bohnsack, Andreas Collin, Mario Fesler, Antje Herden, Anja Hilling mit Simona Sabato, Bob Konrad, Ute Krause und Valija Zinck.

Zum Auftakt des 36. Erlanger Poetenfests übertrug Bayern 2 die „Nacht der Poesie“ aus dem Markgrafentheater, auch das Büchermagazin „Diwan“ wurde live vom Poetenfest gesendet. Als ein großer Erfolg erwies sich die Buchpremiere von Raoul Schrotts Ende September im Handel erscheinenden Epos‘ „Erste Erde“ in Form einer „Langen Nacht der Ersten Erde“, in der zunächst Raoul Schrott von Michael Krüger befragt wurde. Im weiteren Verlauf interviewte Raoul Schrott dann die Naturwissenschaftler William F. Martin, Klaus Mecke, Axel Munnecke und Ralph Neuhäuser zur Entstehung des Universums, der Sterne, der Erde und des Lebens. Zu Gast in der Dreizehnten Erlanger Übersetzerwerkstatt waren Sharon Dodua Otoo, Terézia Mora, José F. A. Oliver, Klaus-Jürgen Liedtke, Iain Galbraith, Brigitte Döbert, Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel sowie – anlässlich des 150. Todestags von Friedrich Rückert – die Orientalistinnen Claudia Ott und Wiebke Walther. Dem Dichter, Übersetzer und frühen Vermittler fremder Literaturen war in Zusammenarbeit mit dem Erlanger Stadtmuseum ein vielbeachteter Programmschwerpunkt gewidmet, der mit der spontan angesetzten Zusatzvorstellung von Claudia Otts Lesekonzert altarabischer Lyrik einen abschließenden Höhepunkt fand.

Deborah Feldman erzählte von ihren Erfahrungen mit religiösem Fanatismus. Beim Aktuellen Podium „Die Türkei zwischen den Extremen“ diskutierten Autoren und Journalisten die gegenwärtige Lage. „Europa erzählen“ lautete der Titel der traditionellen Sonntagsmatinee mit Dieter Bachmann, Aris Fioretos, Wilfried F. Schoeller und Ilija Trojanow in der Moderation von Alexander Kissler. „Mobbing in Literatur und Leben“ war Gegenstand eines bewegenden Gesprächs mit Astrid Frank, Brigitte Hamacher und Wolfgang Kindler. Eine Werkstattschau beschäftigte sich mit drei neuen Biografien von Peter-André Alt, Simon Elson und Deborah Vietor-Engländer über Sigmund Freud, Max J. Friedländer und Alfred Kerr.

Birgit Weyhe präsentierte ihren mit dem Max und Moritz-Preis 2016 ausgezeichneten Comic „Madgermanes“ und Hans Hillmans „Fliegenpapier“ nach Dashiell Hammett verwandelte sich unter der künstlerischen Leitung des israelischen Komponisten und Pianisten Itay Dvori in ein multimediales Comic-Konzert. Auf Einladung der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur entwickelte Gunter Gebauer im Gespräch mit Helmut Böttiger eine „Philosophie des Fußballs“. Einen künstlerischen Beitrag zur Flüchtlingsdebatte lieferte das Künstler-Kollektiv Rimini Protokoll mit „Evros Walk Water“, einer Performance, die die Erlebnisse jugendlicher Flüchtlinge erlebbar macht. Auf einem eigenen Podium lasen in Erlangen lebende Geflüchtete Lyrik aus ihrer Heimat auf Arabisch, Kurdisch, Farsi und Ukrainisch. Ausstellungen und Filme rundeten das Programm des 36. Erlanger Poetenfests ab.

Das 37. Erlanger Poetenfest wird vom 24. bis 27. August 2017 stattfinden.

Autor:

Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg

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