„Meine Hand ist ausgestreckt“
Forchheims OB Dr. Uwe Kirschstein im MarktSpiegel-Interview

Will mit CSU und Grünen zusammenarbeiten: Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD).
Foto: R.Rosenbauer
  • Will mit CSU und Grünen zusammenarbeiten: Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD).
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FORCHHEIM (mue) - Nach dem aufregenden Stichwahl-Krimi um den Chefsessel im Forchheimer Rathaus hatte die MarktSpiegel-Redaktion Gelegenheit zu einem ersten Interview mit dem alten und neuen Oberbürgermeister Dr. Uwe Kirschstein.

Wer hat Ihnen zuerst zur Wiederwahl gratuliert?
Einer der ersten Gratulanten war Udo Schönfelder, mit dem ich zuvor in einem fairen Wettstreit um das Amt des Oberbürgermeisters stand. Das hat mich ganz besonders gefreut, denn uns verbindet bereits über Jahre ein vertrauensvolles Miteinander. Gerne möchte ich in den nächsten sechs Jahren mit ihm persönlich und der CSU zusammen arbeiten. Dasselbe gilt für die Zusammenarbeit mit Dr. Annette Prechtel und der FGL. Die Forchheimer*innen haben am 15. März ganz klar drei Fraktionen einen gemeinsamen Auftrag erteilt: Der künftige Stadtrat soll soziale, grüne und konservative Themen auf die Tagesordnung setzen. Diesen Auftrag nehme ich als Sozialdemokrat gerne an und habe meine Hand bereits in beide Richtungen ausgestreckt.

Abgesehen von Corona – was ist jetzt Ihre größte Herausforderung als OB?
Wie in den vergangenen Jahren wird auch noch in den nächsten Jahren die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum die wichtigste Aufgabe der Stadt Forchheim sein. Dieser Herausforderung werde ich auch weiterhin einen Großteil meiner Kraft widmen. Hierzu hatte ich die zwingend notwendigen Schritte bereits umgesetzt, die seit 1. Mai 2019 in Kraft getreten sind. Der Stadtrat war nahezu einstimmig meinem Vorschlag gefolgt: das neue Baulandmodell der Stadt Forchheim enthält nun erstmals einen Bauzwang auf rund 70 Prozent der privaten und auf 100 Pozent der städtischen Flächen. Für alle gilt jetzt verpflichtend, dass 30 Prozent geförderter Wohnungsbau hergestellt werden muss. Neu ist auch, dass jetzt jegliche Möglichkeit ausgeschlossen wurde, sich aus dieser Verpflichtung herauskaufen zu können. Denn eines muss jedem klar sein: wer mit dem Wohnungsbau Geld verdienen will, muss auch in den geförderten Wohnungsbau investieren. Im geförderten Wohnungsbau gilt eine Mietpreisbindung für 25 Jahre mit einem angesetzten Grundpreis von zirka 7,50 Euro pro Quadratmeter. Das gilt übrigens für große Neubauprojekte wie das Philosophenviertel genauso wie zum Beispiel für kleinere Nachverdichtungen, sobald mehr als drei Wohnungen neu entstehen sollen. Diese Regelungen werden nun in den nächsten Jahren sichtlich Früchte tragen und so bezahlbaren Wohnraum schaffen.

Was packen Sie als erstes an?
Als allererstes steht für uns alle die Bewältigung der Corona-Krise an. Die Nachwirkungen der Betriebsschließungen werden uns noch lange Zeit vor große Herausforderungen stellen. Seit Jahren arbeiten wir an Attraktivitätssteigerungen insbesondere der Innenstadt. Die aktuellen Corona-bedingten Schließungen der Läden stellen die Inhaber*innen akut vor existenzielle Fragen und die Stadt schon jetzt aber auch in den nächsten Wochen und Monate vor die Herausforderung, wie wir gemeinsam ein attraktives städtisches Leben sicherstellen können. Diese Herausforderungen gab es auch schon ohne Corona – werden aber durch diese Pandemie um ein Vielfaches dramatischer und kritischer.

Aber ich bin auch sehr stolz auf meine Forchheimer*innen, die alle besonnen und umsichtig in der aktuellen Situation auf die Ereignisse reagieren und die vereinbarten Maßnahmen umsetzen. Wir rücken in dieser Krisenzeit als Gesellschaft näher zusammen. Das wollen wir gemeinsam mit in unsere Zukunft nehmen und beibehalten – auch nach Corona.

Was wird Ihr wichtigstes Umweltthema sein?
Bereits 2017 wurde auf meine Veranlassung hin erstmals ein Klimagutachten im Stadtrat beschlossen. Damit haben wir uns selbst verpflichtet, dass wir alle unsere Maßnahmen, egal ob zum Beispiel beim Bau von Häusern und Straßen oder die nachhaltige Gestaltung und Aufwertung von sogenannten Ausgleichsflächen, auf die künftigen Auswirkungen auf unser Klima bewerten. Daraus folgt dann zum Beispiel der klimagerechte Umbau des Stadtwaldes beziehungsweise im bewohnten Gebiet die Anpflanzung von neuen Bäumen, die Trockenperioden besser standhalten. Aber auch Energiewende, der Ausbau Photovoltaik, der Ausbau Elektromobilität, neues Verkehrskonzept, verbesserter Busverkehr haben wir bereits angestoßen. Dies wird nun weiter konsequent umgesetzt. Wichtig ist, dass wir gemeinsam verstehen, dass wir alle unsere Aufgaben und Herausforderungen auch dahingehend überprüfen und bewerten müssen, welche Auswirkung unser Handeln auf unsere Umwelt haben wird.

Wie soll es jetzt in der Stadt kulturell weitergehen – wo sehen Sie den Schwerpunkt?

Die Zusammenführung der in der Stadt tätigen Kulturschaffenden hatte ich zur Chefsache gemacht, so dass wir bereits im Oktober 2019 gemeinsam den Verein „Kulturpuls“ gegründet haben. Zuvor war in einem großen Kraftakt mit den Forchheimer Kulturschaffenden, Bürger*innen, Politik und externen Fachleuten der Kulturentwicklungsplan der Stadt Forchheim erstellt und beschlossen worden. Diesen Plan wollen wir nun gemeinsam umsetzen. Die Umsetzung dieses Plans wird konkret sichtbar bei der Ertüchtigung des Kolpinghauses zu einer Veranstaltungsstätte. Dafür stehen allein im Jahr 2020 rund eine Million Euro bereit. In diesem Jahr werden ein barrierefreier Zugang geschaffen, Fluchtwege erstellt und Toiletten sowie Licht- und Bühnentechnik eingebaut. Gleichzeitig starten wir gemeinsam den Weg zu einer Generalsanierung des Kolpinghauses zu einem echten soziokulturellen Zentrum.

Auch die Generalsanierung des Forchheimer Rathauses zum „Haus der Begegnung“ startet nach langen aber notwendigen Arbeiten der Archäolog*innen im Hausinneren nun im Herbst 2020 auch nach außen weithin sichtbar. Das 20,3 Millionen Euro-Projekt wird dann zum Jahresende 2023 abgeschlossen sein, und dann stehen drei Veranstaltungsräume mit insgesamt 860 Plätzen für die kulturelle Vielfalt der Stadt zur Verfügung. Ein lang ersehnter und großer Schritt der Stadt Forchheim in eine neue Kulturzeit.

Interview: Uwe Müller

Autor:

Uwe Müller aus Nürnberg

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