Barrierefreier Brauchtumsumzug
7. Brauchtumsumzug im Herzen von Hilpoltstein
Bereits im Frühsommer liefen seitens des Vereines Hilpoltsteiner Flecklasmänner e.V. die ersten Vorbereitungen an, im Januar 2023 wieder einen großen Brauchtumsumzug in Hilpoltstein stattfinden zu lassen.
Vieles war zu dieser Zeit noch unklar, wird es wieder wie in den zwei Jahren zuvor Einschränkungen oder gänzliche Absagen wegen Corona oder dem Ukraine-Krieg geben?
Im Jahr 2020 fand der letzte Brauchtumsumzug statt. Damals bahnte sich zwar schon die Pandemie an, doch war es zu dem Zeitpunkt nur ein „Grollen“ am Himmel. Wer hätte geahnt, dass wenige Wochen danach alle Aktivitäten auf Null gesetzt werden und im Jahr 2020 der 6. Brauchtumsumzug die größte Veranstaltung nach dem Ausfall des Burgfestes bleiben würde.
Dennoch blieb den Hilpoltsteiner Flecklasmänner e.V. die Unsicherheit, da sie als Veranstalter sämtliche Kosten sowie Organisationsarbeit als kleiner Verein mit gerade mal 30 Mitgliedern tragen müssen.
In ihrer Mitgliederversammlung beschlossen sie, dass unbedingt ein Brauchtumsumzug stattfinden muss, und zwar wegen der schwierigen Zeit nach allen Einschränkungen und dem Stillstand des gesellschaftlichen Lebens. Auch wurde per Beschluss gefasst, dass, nicht wie bei anderen Veranstaltungen, Einschränkungen in Form von Eintrittsgeld entstehen soll.
Zwar war die Finanzierung durch den Wegfall vieler Sponsoren sowie dem Aufwandsersatz regionaler Musikgruppen, der abnehmenden Spendenbereitschaft sowie der Unmöglichkeit Förderung öffentlicher Seite her, lange auf der Kippe, doch wurde durch den Erlös aus dem Weihnachtsmarkt, treuer Sponsoren sowie Entgegenkommen einer Guggenmusik sowie der beauftragten Security, welche die Begleitung kostenlos übernimmt, möglich.
Hunderte von Stunden wurden von der Vorstandschaft erbracht, um nach der langen Pause den Umzug wieder real werden zu lassen.
Im Sommer wurden nicht nur bekannte Gruppen angeschrieben, sondern auch neue Brauchtumsgruppen gesucht. Der Anfang verlief sehr schleppend, da nur wenige Anmeldungen eingingen. Viele Vereine oder ehrenamtlich Tätige waren noch in einer Art Corona-Starre, was die Organisation sehr erschwerte. Örtliche Musikgruppen waren leider nicht bereit, ohne hohe Kostenrechnung bei dem Umzug mitzulaufen.
Aus diesem Grund wurde der Fokus auf eine andere Richtung gelegt, nämlich „besondere Gruppen mit uralter Tradition“ für den Umzug zu gewinnen und gleichzeitig neu entstandene Gruppen, die wegen der Corona-Pandemie zu kämpfen haben, zu fördern.
Nach dem zögerlichen Anfang entwickelten sich die Anmeldungen an Gruppen positiv, so dass letztendlich über 30 Gruppen mit gesamt ca. 900 Teilnehmern durch die Altstadt ziehen werden
Entgegengesetz anderer Umzüge in der Faschingszeit handelt es sich beim Hilpoltsteiner Umzug um einen Brauchtumsumzug ohne karnevalistischen Hintergrund.
Eine vollständige Beschreibung aller Gruppen erfahren die Interessenten im Brauchtumsheft, das in einer Auflage von 1000 Stück als Werbung zu dem Umzug erscheint. Schnell sein lohnt sich, denn die Hefte sind schnell vergriffen. Dennoch findet sich das Heft in digitaler Form auf:
www.hilpoltsteiner-flecklasmaenner.de
Bei dem 7. Brauchtumsumzug der Hilpoltsteiner Flecklasmänner findet sich die wohl größte Anzahl der Winterbrauchtümer in Bayern.
Den Anfang des Zuges bilden die Hilpoltsteiner Flecklasmänner e.V. mit den Flecklaskinder, gefolgt von der Burgfesttrommler-Jugend.
Als Gastgeber laufen dem Zug voran die Hilpoltsteiner Flecklasmänner mit ihrem „Löll“, der ursprünglich den Winter symbolisierte und als Gegenfigur zu den „Frühlingsboten“, den Flecklasmännern das Dunkle und Böse symbolisiert. Bereits vor dem Verbot vor nunmehr über 230 Jahren war der Löll und die Flecklasmänner in Hilpoltstein präsent, was unsere Brauchtumsforschung ergab.
Gruppen die von weit her anreisen und sogar mit Übernachtung in Hilpoltstein bleiben:
Die Sprach- und Kulturinsel Ploden, im italienisch sprachigen Gebiet Sappada, welche die 3 „Gebetssonntage“ mit dem Bettler- Bauern- und Rollat- Sonntag ausfüllt, besonders stolz sind die Hipperer auf diese Gruppe, die ihr Brauchtum erstmalig außerhalb ihres Städtchens mit verschiedenen Figuren zeigt.
Herbstein/Hessen: Die wohl größte Gruppe mit mehr als 50 Teilnehmern erhielt sich den Brauch der zugewanderten Holzarbeiter über hunderte Jahre und ist wohl die nördlichste Ausdehnung weltweit des Brauchtums Wintervertreiben
Burgteifeln Kapfenberg: Die Österreicher symbolisieren den Krampuslauf aus Österreich als der „Knecht Ruprecht“ in Österreich, der den Nikolaus im Dezember als Krampus begleitet.
Unsere Freunde aus der Region:
Egal ob Spalter Fleckli, Hopfenhexen, oder die Hummeln aus Pleinfeld, viele Gruppen der Wintervertreibung sind ähnlich. Genau wie Bärentreiber, die aus der Oberpfalz zu uns kommen.
Andere Gruppen entstanden aufgrund einer Sage wie die Solimu Großweingarten, Woldschebberer die mit Hexen, einem Bauern und anderen Figuren einer Sage nach Brauchtum entstehen lassen. Besonders sind deren „Schnappviecher“, Monster-ähnliche Gestalten, die den Winter symbolisieren, getrieben von der Frühlingsfigur Metzger, ähnlich wie im Tramin/Südtirol. Hier gibt es sogar Wölfe, die einer Thalmässinger sage mit den Faschingswächtern nachempfunden sind – auch Faschingsmuffel, welche eigentlich Lust auf Fasching machen, gesellen sich nach Hilpoltstein.
Viele andere Gruppen wie die Abenberger Hexen, die immer für Stimmung sorgen – aber auch alle Einnahmen für wohltätige Zwecke spenden laufen auch 2023 bei der 7. Auflage mit.
Gruppen der Weihnachtszeit und der Zeit vor dem 7. Januar:
Vor dem 7. Januar, wo in Bayern der Fasching, das Winter vertreiben beginnt, ist ihre Zeit: Die Perchten und Krampusse. Es ist eine grundlegende Unterscheidung ob Percht oder Krampus, Historie und Zeit.
Krampusse sind Begleiter des Nikolaus, Perchten laufen in den „Unternächten“, den „Rauhnächten“. Viele dieser Gruppen entstanden auch in unserer Region, sind aber eigenglich angesiedelt im alpenländischen Gebiet Südbayern, Österreich – aber auch im Bayerischen Wald.
Die Brombachseer Seenteufel, Hexen der Anima Veritatis aus Allersberg wie auch die Jura Krampus- und Perchten Gruppe bereichern diese Art Brauchtum hier bei uns in Franken.
Die etwas andere Brauchtumsgruppe, die bereits im November den Winter einläutet:
Auch gibt es eine ganz andere Gruppe, die Wolferer, die aus Tradition mit ihren Glocken das Vieh bereits im November von der Weide holen – auch das ist ein Winterbrauchtum in Bayern.
Narri Narro der Schwäbisch-Alemannischen Fasnacht und Gruppen aus dem nördlichen Franken sowie dem Altmühltal:
Es gesellen sich viele Gruppen der Schwäbisch-Alemannischen Fasnacht aus Schwaben zu dem Zug, seien es Hexen oder Wäschweiber aus Wäschenbeuren, oder auch Wildschweine mit Holzlarven und Fell.
Südlich des Landkreises Roth besteht die Tradition der „Goaßlschnalzer“, die mit ihren langen Peitschen den Winter vertreiben wie die Gredinger Pumpernickel, Haunstetter oder Kipfenberger. In Großhöbing, zu Greding gehörend, erhielten sich uralte Masken (Larven) mit eigenem Namen. Wie viele Larventräger dürfen auch die Abgesandten des Dorfes nicht reden. Sie verständigen sich mit einem deutlichen „schhhhhhh“.
Aus Oberfranken kommen die Fosalecken mit ihren Strohbären sowie volkstümlich-trachtenartigen anmutenden Treibern der Bären mit Buchskrone und traditionellen Tänzen in unseren Landkreis.
Aus Unterfranken, dem nördlichsten Zipfel Bayerns fahren die Rhöner Jüten nach Hilpoltstein. Jeder Ortsteil hat seine eigene Figur, ob „Spanmännli“, mit Hobelspänen besetzt, oder eine Figur mit Spitz-Hut.
Musik zum Zug, die „Knaller“ am Anfang und „Feger“ am Ende:
Neben den 3 Guggenmusiken sorgen viele Musiker in den Gruppen für musikalische Unterhaltung.
Den Startschuss bilden die Obererlbacher Böllerschützen mit der Gruppe aus Häusern. Am Ende kehren Mitglieder unseres Vereines, unterstützt mit DJ Stefan und Sohn Simon und der Boom-Boom Box mit Partyliedern den Platz, damit nach dem Spektakel das übliche Leben einkehren kann.
Zuvor steigt aber nach dem Umzug noch die große Brauchtumsfeier am Marktplatz, DJ Flecklasrolf sowie die Guggen sorgen für Stimmung. Natürlich gibt es Essen und Trinken, damit für diesen mit über 30 Gruppen längsten Zug in der Geschichte der Hipperer die Kraft der Zuschauer nicht ausgeht.
Die Hilpoltsteiner Flecklasmänner freuen sich auf zahlreiche Besucher, laden die Bevölkerung des Großgemeindegebietes Hilpoltstein sowie alle Gäste aus nah und fern zu einer lustigen, friedlichen, gemeinsamen /ohne jegliche Ausgrenzung stattfindenden Feier und dem kulturellen Austausch ein.
Schaffung eines barrierefreien Umzuges:
Nach 2 Jahren Pause, machte sich der Verein Hilpoltsteiner Flecklasmänner e.V. intensiv
Gedanken zur Inklusion. Menschen mit Einschränkungen sollen Veranstaltungen leichter
zugänglich gemacht werden.
Neben verschiedenen Projekten mit anderen Vereinen, dem Brauchtumsfilm mit Gebärden, der in
Zusammenarbeit mit der Schule Regens-Wagner Zell sowie der Tageseinrichtung für Kinder und
Jugendliche mit Hörbehinderung entstand, wurde der Verein im Rother Inklusionsnetzwerk
Mitglied.
Bereits weit zurück im Sommer machten sich die Flecklasmänner Gedanken, wie der
Brauchtumsumzug möglichst barrierefrei gestaltet werden kann. Sie suchten sich bei den
Planungen Hilfe beim Rother Inklusionsnetzwerk (Bericht Burgblatt, Roth Journal Ausgabe
Dezember 2022).
Schnell wurde klar, dass bei dem 7. Brauchtumsumzug sicherlich noch Schwächen und nicht
optimale Lösungen auftauchen, doch es soll 2023 ein Anfang getan werden.
Folgende Überlegungen und Ideen werden beim Umzug am 22. Januar umgesetzt:
• Öffnung und Ausweisung Behinderten-WC
• Schaffung von Behinderten-Parkplätzen mit abgesperrtem Bereich. Wichtig dabei, dass das Be- und
Entladen der KFZ vom Heck gewährleistet werden kann.
• Shuttle von Regens Wagner Zell und Auhof Diakonie, um die Parkplatzproblematik zu händeln.
• Schaffung eines abgetrennten Bereiches für „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“. Das sind
beispielsweise Menschen mit Behinderung, Rollstuhlfahrer aber auch Senioren mit Rollatoren und
Familien mit Zwillingskinderwagen. Die Absperrung soll dichtes Gedränge verhindern,
uneingeschränkte Sicht gewährleisten und bei einer Paniksituation nahe an den Ausgängen liegen,
da Menschen mit Einschränkungen mehr Zeit benötigen.
• Bestuhlung mit Lehnen für darauf angewiesene Besucher, geschaffen in dem abgetrennten Bereich
• Logenplätze für Menschen mit Schwerstmehrfachbehinderung: Da dies im Rathaus 1 ohne Aufzug
schwer umsetzbar ist, evtl. eine Live-Übertragung des Umzuges nach Auhof und Zell.
• Rückzugsraum: Rückzugsort für Menschen aus Wohngruppen, die schnell überreizt sind,
geschaffen bei den Außenwohngruppen von Regens Wagner.
• Öffentlichkeitsarbeit: Wichtig ist eine transparente Kommunikation bzgl. der Barrierefreiheit (Was
gibt es, was gibt es nicht), sodass sich Menschen mit Behinderungen darauf einstellen können.
Auslegung von Flyern, Aushang Amtskästen, Auslage Touristeninformation über barrierefreie
Zugänge zum Umzug.
• Gebärdendolmetscher auf der Hauptbühne, der die Begrüßung und Informationen gebärdet.
• Mitlaufen einer Musikgruppe von Menschen mit Einschränkungen (leider für den Umzug 2023 nicht
realisierbar, mangels Kenntnis solcher Musikgruppen)
Sicherlich werden sich am 22. Januar noch Verbesserungsmöglichkeiten des Konzeptes ergeben. Doch
ein Anfang ist mit den Ideen getan.
Autor:Katrin Schade aus Landkreis Roth |
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