Faszination ,,Weltuntergang
Was hat es denn nun mit dem ominösen 21. Dezember 2012 auf sich?
NÜRNBERG - Am 21. Dezember ist es wieder einmal soweit: Die Welt geht unter. Prof. Dr. Michael Lackner, Direktor des Internationalen Kollegs für Geisteswissenschaftliche Forschung, das sich die Erforschung der Geschichte und Gegenwart von Zukunftsprognosen zum Ziel gesetzt hat, sowie Inhaber des Lehrstuhls für Sinologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), erläutert, warum apokalyptische Weissagungen eine unveränderte Faszination auch in unserer heutigen Gesellschaft ausüben.
Was hat es mit dem ominösen Datum des 21. Dezember 2012 auf sich, das nach esoterischen Interpretationen eines Maya-Kalenders das Ende der Welt bedeuten soll? Experten in aller Welt, darunter der international bekannte Maya-Forscher, Prof. Dr. Nikolai Grube, stellen fest: Die Maya haben zahlreiche Kalenderrhythmen entwickelt – bis hin zu Zyklen für Billionen von Jahren; die Altamerikanisten sprechen hier von „deep time“. Mit dem 21. Dezember 2012 endet lediglich ein Zeitalter von vielen, und es gibt auch nur zwei Belegstellen überhaupt für dieses Datum. Dennoch bringt es die Kassandra-Rufer auf den Plan – mit bizarren Effekten. In den USA, so heißt es, nehmen Menschen gar an diesem Tag Urlaub, um bei ihrer Familie zu sein, wenn „es“ passiert.
Abendländische Idee und Maya-Kalendarik
Zunächst jedoch ist wichtig zu wissen: Zukunftsprognosen sind eine anthropologische Konstante. Sie reichen von politischen Weissagungen und Prophezeiungen über individuelle Horoskope bis hin zum Wetter und zu stets und beinahe täglich revidierten ökonomischen Vorhersagen. Das Erlanger Kolleg mit dem Titel „Schicksal, Freiheit und Prognose. Bewältigungsstrategien in Ostasien und Europa“ erforscht gemeinsam mit Visiting Fellows aus Harvard, Princeton, Peking und zahlreichen weiteren internationalen Universitäten die Geschichte und Gegenwart von solchen Prognosen – und kommt unter anderem zu einem interessanten Schluss: Die abendländische Idee von einem absoluten Ende der Zeit stellt aller Wahrscheinlichkeit nach eine Sonderentwicklung dar, die vor allem die monotheistischen Religionen vertreten. Andere Zivilisationen teilen sie nicht. Das ergaben Untersuchungen etwa der chinesischen „Tagwahlbücher“, die den günstigsten Zeitpunkt für bestimmte Unternehmungen anzeigen, buddhistischer Wahrsage-Techniken, der Renaissance von Wahr- und Weissagung im gegenwärtigen China oder christlich-apokalyptischer Vorstellungen. Bestimmten Zeitpunkten werden bestimmte Qualitäten zugeordnet – so funktioniert ein großer Teil der Wahrsagung weltweit. Und so ist es lediglich die Verbindung zwischen der abendländischen Idee eines Weltendes auf der einen Seite und der Maya-Kalendarik von Weltzeitaltern auf der anderen, die eine Deutung des Datums 21. Dezember im Sinne eines „doomsday“, eines Endes aller Zeiten, ermöglichte.
Mit der Erkenntnis über die kulturelle und vor allem auch religiöse Verankerung von Zukunftsvorhersagen gewinnen neuerdings neben den linearen, zielorientierten Vorhersagen, wie sie gerade westlichen Gesellschaften zugeschrieben werden, immer mehr auch die zyklischen oder vielfältigen „Zukünfte“ anderer Zivilisationen an Kontur. Die Prophetie – wie sie dieser Tage mit Hilfe der Maya-Kultur wieder ins Zentrum gerückt wird – ist Teil dieser kulturellen Bedingtheit. Der Blick nach Asien zeigt: Es müssen nicht überall Propheten auftreten; die Zukunft bzw. die „Zukünfte“ können – wie etwa in China – auch berechnet werden. Insofern basiert das allgemeine Interesse an der Weissagung zum 21. Dezember 2012 wohl einerseits auf der Weiterführung eines breiten apokalyptischen Traditionsstroms, der sich in der ebenfalls lang etablierten Form der Prophetie artikuliert. Andererseits aber lebt die Faszination an der Maya-Prophezeiung auch von einer den Maya zugeschriebenen „Naturverbundenheit“, die die Prophetie als ursprünglich und authentisch verfremdet und damit unsere Neugier weckt.
Autor:Archiv MarktSpiegel aus Nürnberg |
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