650 Jahre Stadtbibliothek
Stadtbibliothek: Das Chorbuch aus St. Katharina
NÜRNBERG (pm/nf) - Im Programm zum 650-jährigen Jubiläum der Stadtbibliothek rückt die Veranstaltungsreihe „Herzensstücke“ am Donnerstag, 22. Oktober, und am Sonntag, 29. November 2020, jeweils um 17.30 Uhr das wertvolle Chorbuch aus St. Katharina in den Fokus. Die Leiterin der Wissenschaftlich-Historischen Stadtbibliothek, Dr. Christine Sauer, stellt es Interessierten im Lesesaal der Stadtbibliothek Zentrum, Gewerbemuseumsplatz 4, Ebene L1, vor.
Unter www.650jahre-stadtbibliothek.nuernberg.de sind weitere Informationen zur kostenlosen Veranstaltungen zu finden, eine Online-Anmeldung ist erforderlich.Einer der acht Bände des Chorbuchs ist ab Freitag, 27. November, zudem in der Ausstellung zum Jubiläum „Bücher mit Geschichte. Gesammelte Schätze aus 650 Jahren“ in der Stadtbibliothek Zentrum, Ebene L2, Ausstellungskabinett, zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Zusammen mit dem Jubiläum der Stadtbibliothek feiert auch das heute von ihr mitbespielte Katharinenkloster Geburtstag: Es wurde vor 725 Jahren gegründet. Ein sehr wertvolles, achtbändiges Chorbuch, das im 15. Jahrhundert in St. Katharina von der Nürnberger Nonne Margareta Kartäuser geschrieben wurde, ist heute im Besitz der Bibliothek. Diese für die Lokalgeschichte bedeutende Handschrift war bereits zu ihrer Entstehungszeit berühmt – rund 500 Jahre später ist sie jedoch von ihrer Geschichte schwer gezeichnet und vier der acht Bände müssen aufwendig restauriert werden. Dank Fördergeldern der Bundesregierung und der Kulturstiftung der Länder sowie mithilfe der Spende eines großzügigen Buchpaten kann die dringend nötige Restaurierung der Bände gestartet werden.
In ihrem Jubiläumsprogramm bietet die Stadtbibliothek vielfältige Veranstaltungen rund um das Sammlungshighlight an.
Das Chorbuch von St. Katharina
Nur selten lässt sich die Bewunderung für eine Handschrift so gut nachvollziehen wie im Fall des Chorbuchs von St. Katharina. Schon zu Lebzeiten der Schreiberin Margareta Kartäuser galt es als Vorbild und Modell: 1487 erhielten reformbereite Schwestern in St. Gallen einen Teil des Buchs ausgeliehen, um ihr Chorbuch nach dieser Vorlage zu verbessern. Nach dem Tod Kartäusers 1489 lobten sie ihre Schreibarbeiten in den höchsten Tönen. Lob und Ruhm erhielten die Bände auch in den folgenden Jahrhunderten: Nach der Auflösung des Katharinenklosters 1596 gelangten sie in die Stadtbibliothek, wo sie auf halbhohen Regalen auslagen und allen Bibliotheksbesuchern gezeigt wurden.Auch Kaiser Leopold I. soll laut einem damaligen Bibliothekar ein Bewunderer des Chorbuchs gewesen sein. Dieses wurde zwischen 1458 und 1470 im Nürnberger Dominikanerinnenkloster St. Katharina, also an einer Stelle im heute noch stehenden und von der Stadtbibliothek bespielten Kreuzgang, geschrieben.
Die acht Bände beinhalten die beiden Teile mit Gesängen zur Messfeier beziehungsweise zum liturgischen Stundengebet, die von den Chorschwestern zu intonieren waren. Sie besitzen mit einer Höhe von 60 Zentimetern ein Riesenformat und mit dutzenden Pergamentblättern in dieser Größe und einem Einband aus massiven Holzbrettern, die mit dickem Schweinsleder bezogen wurden, ein Gewicht von je mindestens zehn Kilogramm.
Die Schreiberin Margareta Kartäuser hatte damals als Sängerin eine Schlüsselposition im Kloster inne. In dieser Funktion erneuerte sie das Chorbuch in einer korrekten, den aktuellen Vorschriften des Dominikanerordens entsprechenden Fassung. Im Schnitt gut ein Jahr brauchte sie für jeden der acht Bände – und erfüllte dieses Pensum ohne ein einziges Mal die täglich acht Chorgebetszeiten im Kloster zu versäumen. Eine entsprechende Vorbildung brachte sie mit: Sie muss hervorragend die lateinische Sprache, das Lesen von Noten und das Schreiben beherrscht haben, denn die gotische gebrochene Schrift erforderte ein ständiges Drehen und Neuaufsetzen des Federkiels sowie viel Übung, mit der sie ein absolut gleichmäßiges Schriftband erzeugte. Unterstützung erhielt sie von der Buchmalerin des Klosters, Barbara Gewichtmacher. Sie führte die zahlreichen, zur Gliederung notwendigen Initialen aus und ergänzte sie teilweise mit gemalten Darstellungen.
Mehr über Nürnbergs kluge, mutige und eigenwillige Frauen wie Margareta Kartäuser kann man in einer Vortragsreihe erfahren. Zwei Vorträge von Nadja Bennewitz, Historikerin M.A., Nürnberg, und Prof. Henrike Lähnemann, University of Oxford, am Donnerstag, 5. November, und am Montag, 14. Dezember, jeweils um 19 Uhr im Katharinensaal, Am Katharinenkloster 6, gehen auf die weiblichen Seiten in Nürnbergs Geschichte ein. Der Eintritt kostet jeweils 10 Euro.
Restaurierung der Bände dank Fördermitteln und Spenden
Die Bände haben sich nur als Ruinen erhalten. In großem Umfang wurden Pergamentblätter entfernt. Die Bewunderung für die Leistung einer Frau und die Schönheit von Schrift und Initialen könnten dazu verleitet haben, Blätter herauszuschneiden und als Souvenirs auszugeben. Das häufige Aufschlagen im Chorgebrauch und durch Besucher haben außerdem Spuren hinterlassen: Buchrücken und Lederbezug sind teilweise gerissen und die Vorderdeckel nicht mehr mit dem Buchblock verbunden. Die Restaurierung von drei der vier schwer geschädigten Bände hat im Rahmen eines Modellprojekts, das finanziell von der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) gefördert wird, begonnen. Dank eines Buchpaten wurden nun auch die Mittel für die Restaurierung des vierten schwer geschädigten Bands gedeckt. Auch die weniger beeinträchtigten Bände können nun mithilfe finanzieller Unterstützung der Buchpatinnen und Buchpaten der Stadtbibliothek größtenteils restauriert werden.
Informationen zu den Möglichkeiten einer Buchpatenschaft sowie zum Projekt auf Seiten der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts gibt es hier
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.