180 Jahre Eisenbahn in Deutschland – 10 kuriose Geschichten
REGION (pm/nf) - Am 7. Dezember 1835 begann mit der ersten Fahrt der Lokomotive „Adler“ von Nürnberg nach Fürth die Ära der Eisenbahn in Deutschland. Vor wenigen Tagen fand der Festakt zu 180 Jahre Eisenbahn im Nürnberger DB Museum statt. In den 180 Jahren gab und gibt es neben technischen und logistischen Meisterleistungen auch manche bemerkenswerte Randnotiz.
http://www.marktspiegel.de/nuernberg/lokales/eisenbahnempfang-im-db-museum-nuernberg-d15192.html
Ausnahmegenehmigung für Bierfässer
Die erste Bahnstrecke in Deutschland wurde für den Personenverkehr gebaut. Für den Transport von zwei Bierfässern 1836 bedurfte es einer Ausnahme- genehmigung. Der Bierbrauer musste dafür zwei Fahrkarten 3. Klasse lösen. Heute ist es dagegen eine Besonderheit des deutschen Schienennetzes, dass fast alle Strecken im so genannten Mischverkehr, also für Personen- und Güterzüge betrieben werden – anders als die reinen Personenverkehrs- strecken für Hochgeschwindigkeitszüge in Frankreich, Spanien oder Japan. Die Fahrgäste zwischen Nürnberg und Fürth konnten wählen: eine schnelle Fahrt mit 30 km/h mit der Dampflok oder eine langsamere Fahrt, bei der anstelle der Lok Pferde vorgespannt wurden. Die Preise waren gleich.
1.435 Millimeter – eine der wichtigsten Normen Europas
Die Spurweite von 1.435 Millimetern verdanken wir dem Umstand, dass die erste Lokomotive auf deutschem Boden ein englischer Exportartikel war. In Deutschland konnte damals noch niemand Loks bauen. Und in England, dem Mutterland der Eisenbahn, hatte der führende Lokomotivbauer, die Firma Stephenson, das Spurmaß von 4 Fuß, 8 1⁄2 Zoll für seine Loks festgelegt. Da Stephenson für viele Bahnprojekte auf dem Kontinent die Loks lieferte, verbreitete sich diese Spurweite am stärksten. So führte internationaler Handel zu einer einheitlichen Norm in fast ganz Europa – nicht auszudenken, wenn sich in jedem Land unterschiedliche Spurweiten entwickelt hätten.
Aber keine Regel ohne Ausnahmen: Auf der Nordseeinsel Wangerooge betreibt die DB ihre einzige Schmalspurstrecke: 5,9 Kilometer in Meterspur. Im Ostseehafen Sassnitz-Mukran befinden sich auch Schienen mit russischer Breitspur (1.520 Millimeter), um Eisenbahnfähren von und nach Russland zu bedienen. Und auf der Oberweißbacher Bergbahn der DB werden die Wagen als Standseilbahn auf 1.800 Millimeter Breitspurschienen gezogen.
Die Legende vom Gutachten der Ärzte
„Ortsveränderungen mittels irgendeiner Art von Dampfmaschine sollten im Interesse der öffentlichen Gesundheit verboten sein. Die raschen Bewegungen können nicht verfehlen, bei den Passagieren die geistige Unruhe, 'delirium furiosum' genannt, hervorzurufen.“ Diese Sätze aus dem Gutachten eines Königlich Bayerischen Medizinalkollegiums wurden zu allen Zeiten gerne zitiert, um Fortschrittsfeindlichkeit zu illustrieren. Das Ganze hat nur einen Schönheitsfehler: Ein solches Gutachten hat es nie gegeben. Die Geschichte wurde 1875 von dem Historiker Heinrich von Treitschke erfunden und geistert seitdem durch Bücher, Filme und manche Rede.
Geschwindigkeitsrausch oder ruhige Fahrt?
Was war 1835 das Besondere für die ersten Bahnreisenden? Zeitgenössische Berichterstatter schrieben, dass weniger die Geschwindigkeit sondern vielmehr die ganz neue Erfahrung einer ruhigen Fahrt auf der glatten Schiene für Begeisterung gesorgt hat. Bis dahin kannte man nur Kutschfahrten auf holprigen Wegen.
Krumme Wege führen zum Ziel
Nicht immer verbinden Eisenbahnschienen zwei Orte auf dem kürzesten Weg. Während die Umfahrung von Bergen oder Seen unumgänglich ist, sind manche auf den ersten Blick unverständliche Streckenführungen der Kleinstaaterei in Deutschland geschuldet. So fahren bis heute die Züge auf der Badischen Schwarzwaldbahn zwischen Hornberg und Triberg einen aufwendigen Umweg. Der Grund: Die Strecke sollte komplett im Großherzogtum Baden verlaufen. Die topographisch einfachere Trassierung über Schramberg wurde verworfen, weil die Strecke dann über württembergisches Gebiet geführt hätte.
Die Strecke Hamburg–Sylt macht hinter Itzehoe einen scharfen Knick und führt über den kleinen Ort Wilster. Geplant war ursprünglich eine gerade Linie – bis ein Reichstagsabgeordneter aus Wilster seinen Einfluss geltend machte...
Der größte Bahnhof Europas
Warum wurde der Leipziger Hauptbahnhof zum flächenmäßig größten Bahnhof Europas? Den repräsentativen Kopfbahnhof nutzten bei seiner Fertigstellung 1915 zwei Gesellschaften, die preußische und die sächsische Staatseisenbahn. Er war strikt geteilt: getrennte Wartesäle und Fahrkartenausgaben, unterschiedliche Polizeibefugnisse und unabhängige Betriebsabläufe. Das alles ist Geschichte, aber den größten Bahnhof Europas hat Leipzig immer noch.
Eisenbahn beschleunigte Einführung einer einheitlichen Uhrzeit
Vor dem Eisenbahnzeitalter wurde die Uhrzeit nach dem Sonnenstand bestimmt. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führten einige Bahngesellschaften für ihre überregionalen Fahrpläne eigene Eisenbahnzeiten ein, die neben den jeweiligen Ortszeiten galten. Aber auch diese fünf Eisenbahnzeiten wichen voneinander ab. In Deutschland fuhren die Züge damals nach Berliner, Karlsruher, Ludwigshafener, Stuttgarter und Münchener Zeit. Erst mit der Einführung der Mitteleuropäischen Zeit (MEZ) 1893 galt für ganz Deutschland einheitlich eine Uhrzeit.
Dampf, Strom, Diesel – und ein Propeller
Dampfende Loks prägten das Bild der Eisenbahn von ihren Anfängen bis in die 1960er Jahre. Die erste elektrische Versuchsbahn baute Werner von Siemens schon 1879. Doch es dauerte noch Jahrzehnte, bis sich der Elektroantrieb durchsetzte. Heute sind 60 Prozent des deutschen Schienennetzes elektrifiziert; über 90 Prozent der Transporte werden mit elektrischen Traktion durchgeführt.
Dieselantrieb hat, im Gegensatz zu anderen Ländern wie etwa den USA, in Deutschland nie eine beherrschende Stellung erreicht. Nach den ersten Diesellokomotiven und –triebwagen in den 1930er Jahren erlebte diese Traktionsart vor allen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg eine Blütezeit, die jedoch mit der Ölkrise Anfang der 1970er Jahre zu Ende ging.
Erfolglos blieb der 1931 versuchsweise eingesetzte Schienenzeppelin, ein Dieseltriebwagen, der von einem hölzernen Flugzeugpropeller angetrieben wurde. Er stellte mit 230 km/h einen Geschwindigkeitsweltrekord auf, wurde aber nur in einem Exemplar gebaut, später umgebaut und 1939 verschrottet.
500 Berufsbilder – eine Bahn
Lokführer, Reiseberater, Zugbegleiter, Fahrdienstleiter – diese Berufe kennt jeder. Bei der Deutschen Bahn gibt es aber heute insgesamt 500 Berufsbilder. So beschäftigt die DB zum Beispiel Förster, Vogelschutzwarte, Historiker, Psychologen, Klebfachingenieure und Wasserbauingenieure.
Die Eisenbahn als Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen
Im 19. Jahrhundert waren drei, in Preußen sogar vier Wagenklassen üblich. Die 4. Klasse wurde 1928 abgeschafft. Die „Dreiklassengesellschaft“ fand 1956 europaweit ein Ende. Seitdem gibt es nur noch die 1. und 2. Klasse.
Die DB gibt jährlich rund acht Millionen Euro aus, um Graffiti-Schmierereien auf Zügen und in Bahnhöfen zu beseitigen. Im 19. Jahrhundert sah man sich dagegen genötigt, Schilder mit der Aufschrift „Spucken verboten“ anzubringen, um das verbreitete Kautabak-Spucken zu unterbinden.
1989 lag der Frauenanteil bei der Deutschen Reichsbahn der DDR bei
31 Prozent – bei der Bundesbahn waren es nur 6 Prozent. Heute sind es bei der Deutschen Bahn in Deutschland 23 Prozent.
In der DDR mussten alle Gütertransporte ab 50 Kilometer auf der Schiene stattfinden, um Devisen für den Import von Treibstoff zu sparen. Dadurch betrug der Anteil der Schiene am Gütertransport 70 Prozent. Im Westen hatte die Deutsche Bundesbahn 1993 dagegen nur noch einen Anteil von 20 Prozent – 65 Prozent der Güter wurden per Lkw befördert. Heute liegt der Anteil des Schienengüterverkehrs in Deutschland bei 22 Prozent.
Die Teilung Deutschlands unterbrach viele Ost-West-Verbindungen, führte aber auch zum Bau neuer Strecken. So sollte der Ostteil Berlins aus allen Richtungen zu erreichen sein, ohne die Westsektoren der Stadt zu berühren. Bis 1961 entstand deshalb der 125 Kilometer lange „Berliner Außenring“.
Das Jubiläum „150 Jahre Eisenbahn in Deutschland“ wurde in Ost und West nicht im gleichen Jahr begangen. Die Deutsche Bundesbahn bezog sich auf das Jahr 1835 und feierte 1985. Für die Deutsche Reichsbahn in der DDR war die Eröffnung der ersten deutschen Ferneisenbahn zwischen Leipzig und Dresden 1839 der Grund, ihre Feiern 1989 abzuhalten. In einem war man sich aber einig: Höhepunkte waren jedes Mal aufwändige Fahrzeugparaden.

Autor:Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg |
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