Japanische Schwertkunst Iaido: Oshogatsu-Lehrgang mit Senpai und Kōhai
Auf dem Oshogatsu-Lehrgang in Bamberg, mit dem seit Jahren die bayerischen Iaidoka nach japanischer Tradition ins neue Jahr starten, erläuterte Lehrgangsleiter und Präsident des Bayerischen Iaido-Bundes Rudi Müller, was es mit den Senpai und Kōhai in einer Übungsgemeinschaft auf sich hat: Als „Senpai“ bezeichnet man den älteren Kameraden; ihm gegenüber steht der „Kōhai“, der jüngere Kamerad.
Idealerweise orientieren sich die Verhaltensweisen in Übungsgruppen japanischer Kampfkünste an den Wertvorstellungen des Ursprunglandes Japan. Auch heute noch ist die japanische Gesellschaft streng hierarchisch strukturiert. In höhere und niedrigere Gemeinschaften unterteilt, entsteht durch gegenseitige Abhängigkeiten und Beziehungsgeflechte das einheitliche Ganze. Das Verhältnis Senpai - Kōhai durchzieht alle Bevölkerungsschichten Japans: Überall dort, wo sich Menschen in gegenseitiger Abhängigkeit begegnen, gibt es einen Älteren (Kollegen, Kameraden) und einen Jüngeren. Und es steht außer Frage, dass sich ein Kōhai gegenüber einem Senpai stets respektvoll und höflich verhält.
Deshalb herrscht auch im Dojo, dem Übungsraum nach japanischem Vorbild, eine klare Hierarchie. An der Spitze steht der Lehrende, der Sensei, gefolgt von den Fortgeschrittenen, den Senpai. Die Basis dieser sozialen Pyramide bilden die Anfänger, die Kōhai, welche die Mehrzahl der Trainierenden stellen. Die Begriffe Senpai (älterer Kamerad) und Kōhai (jüngerer Kamerad) beziehen sich in erster Linie auf das Übungsalter innerhalb der Kampfkunstdisziplin und erst in zweiter Linie auf das Lebensalter. Die Autorität und Stellung des Lehrers und fortgeschrittener Schüler begründet sich in deren Qualifikation wie beispielsweise ihrer Graduierung, ihrem Erfahrungsschatz und ihrer gegenüber Anfängern viel längeren Trainingspraxis.
Im Schwertkunst-Training übernimmt der Senpai oft ein Teil des Unterrichts. Er assistiert dem Lehrer, denn er kennt aus eigener Erfahrung die Schwierigkeiten des Erlernens von Kampfkunsttechniken und erlebt sie nun aus Sicht eines angehenden Lehrers. Offen nach oben zum Lehrer, selbstständig im Eigenen und beispielgebend nach unten zu den Kōhai - das sind die wichtigsten Charakteristika eines Senpai. Die Kōhai, die Anfänger, sollten sich dementsprechend in Bescheidenheit üben, Vertrauen entwickeln und lernen, sich selbstkritisch zu sehen. Alle Ranghöheren werden von den Rangniedrigen mit entsprechender Achtung respektiert.
Auf dem Lehrgang wurde dieses Prinzip praktisch angewendet, indem jedem Teilnehmenden ein höher graduierter Iaidoka als Senpai zugeordnet wurde, der ihn durch das Training als älterer Kamerad und Vorbild begleitete. Am zweiten Lehrgangstag wurden wie im vergangenen Jahr von jedem Iaidoka 108 Kata zelebriert - im Sinne der japanischen Neujahrstradition, bei der mit 108 Glockenschlägen die 108 Störgefühle der Menschen getilgt werden.
Mehr zu Iaido in Bayern: www.bayerischer-iaido-bund.de
Iaido in Bamberg: www.aikikai-bamberg.de
Iaido in Nürnberg: www.zanchin.de
Autor:Annette Maul aus Nürnberg |
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