125 Jahre Alfred Hitchcock
Der Mann, der uns Angst vor Duschen und Singvögeln machte
LONDON (dpa) - Bevor er in Hollywood zu einem der berühmtesten Regisseure der Filmgeschichte wurde, machte sich Alfred Hitchcock in London einen Namen. An seinem 125. Geburtstag findet man dort immer noch Spuren.
Von Philip Dethlefs, dpa
Seine bekanntesten Filme drehte Alfred Hitchcock in den USA. Doch zum 125. Geburtstag erinnert auch in seiner Heimatstadt London noch immer vieles an den legendären Regisseur von Filmklassikern wie «Vertigo – Aus dem Reich der Toten», «Der unsichtbare Dritte» oder «Psycho». In der britischen Hauptstadt wurde Hitchcock am 13. August 1899 im Stadtteil Leytonstone geboren. Nicht weit davon begann seine ruhmreiche Filmkarriere.
Regiedebüt im Londoner East End
Stummfilme aus den 1920er Jahren wie «Irrgarten der Leidenschaft», sein Regiedebüt, oder «Der Mieter» sind heute vor allem noch Kinoexperten und absoluten Hitchcock-Fans ein Begriff. Hingegen zählt «Eine Dame verschwindet» von 1938 zu den bekannteren Frühwerken Hitchcocks. Diese Filme drehte er im Londoner East End für Gainsborough Pictures, lange bevor es ihn nach Hollywood zog.
Auf dem Gelände des ehemaligen Filmstudios, das im Stadtteil Shoreditch direkt am Regent's Canal liegt, befindet sich heute ein Apartmentkomplex. Auf dem Dach des Gebäudes steht in großen Lettern «Gainsborough». Im Innenhof erinnert eine überlebensgroße Skulptur von Hitchcocks markantem Kopf an die ruhmreiche Vergangenheit des Ortes. Der Titel des Kunstwerks von Antony Donaldson lautet «Master Of Suspense» («Meister der Spannung»).
Einsame Kindheit mit strenger Erziehung
Knapp zehn Kilometer davon entfernt wurde Alfred Joseph Hitchcock geboren - in einem Haus, in dem seine Eltern einen Gemüseladen betrieben. Er hatte einen elf Jahre älteren Bruder und eine sieben Jahre ältere Schwester, doch er habe sich als Einzelkind gefühlt, erzählte Alfred Hitchcock später. Meist sei er einsam gewesen.
Sein Vater galt als distanziert und streng. Er soll sogar einmal dafür gesorgt haben, dass ein Polizist den kleinen Alfred für einige Minuten einsperrte, weil er sich angeblich schlecht benommen hatte. Seine Mutter wiederum war überfürsorglich. Den Bauchansatz, der als Teil seiner berühmten Silhouette zu Hitchcocks Markenzeichen wurde, führte er später auf sie zurück. Mama Hitchcock soll ihrem Sohn oft zur Beruhigung etwas zu essen gegeben haben.
Inspiration durch Jack the Ripper
In der Leytonstone High Road, wo Hitchcocks Geburtshaus stand, findet man heute eine Tankstelle. Eine blaue Plakette an der Mauer des Verkaufsgebäudes erinnert an die Filmlegende. In Anspielung an seinen berühmten Thriller «Die Vögel» sind die Vorderseite des Hauses nebenan und der Bürgersteig mit Vögeln dekoriert. Ein paar Meter weiter steht an einem etwas heruntergekommenen Gebäude auf einem Schild «Hitchcock Place».
Noch mehr Spuren findet man in der U-Bahnstation Leytonstone. Die Gänge zum Bahnsteig zieren verschiedene bunte Mosaiken. Sie zeigen Momente aus Hitchcocks Leben und ikonische Szenen aus seinen Filmen. Darunter ist Cary Grant als Roger Thornhill, der in «Der unsichtbare Dritte» vor einem Flugzeug flüchtet, oder Janet Leigh in der ikonischen Dusch-Szene von «Psycho». Hitchcock gibt ihr auf dem Mosaik eine Regieanweisung. Anthony Perkins, der Norman Bates aus «Psycho», ist ebenfalls abgebildet.
Besuch von Mordprozessen als Hobby
Das Londoner East End, in dem «Hitch» aufwuchs, war übrigens berühmt und berüchtigt für den Serienmörder Jack the Ripper, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Osten von London mehrere Frauen ermordet haben soll. Der makabre Fall, der in Hitchcocks Jugend immer noch ein heißes Gesprächsthema war, inspirierte einige seiner Werke.
Ursprünglich hatte der junge Alfred Ingenieur werden wollen und eine Schule für Ingenieurwesen und Navigation besucht. Als Teenager packte ihn allerdings die Leidenschaft für Kunst. Er belegte Abendkurse in Zeichnen, Gestaltung und Kunstgeschichte. Diese vielseitige Ausbildung wurde ihm später nützlich und prägte den markanten visuellen Stil des akribischen Filmemachers.
Er verschlang Romane, ging so oft wie möglich ins Kino oder ins Theater. Zu seinen Hobbys zählte auch der Besuch von Gerichtsverhandlungen im Old Bailey, bei denen es um Mord ging. Regelmäßig soll er sich im Kriminalmuseum von Scotland Yard umgeschaut haben. All das dürfte die Inspiration für die Thriller des «Meisters der Spannung» nachhaltig beflügelt haben.
Erster Job im Filmgeschäft im Jahr 1920
Nach dem frühen Tod seines Vaters im Alter von 52 nahm Alfred Hitchcock schon mit 15 einen Job in einer Firma für Telefonkabel an, um seine Mutter finanziell zu unterstützen. Weil er sehr gut zeichnen konnte, wechselte er vom Vertrieb in die Werbeabteilung. Unter seinem Spitznamen «Hitch» veröffentlichte er gruselige Kurzgeschichten in der Unternehmenszeitschrift, die er mit ins Leben gerufen hatte.
Seinen ersten Job im Filmgeschäft erhielt er 1920. Als Titelkartendesigner zeichnete er für den Vor- und Abspann sowie die Texte und Dialoge in Stummfilmen verantwortlich. Sein Arbeitgeber war das US-Filmunternehmen Famous Players–Lasky, das eine Niederlassung in London hatte. Aus der Gesellschaft ging die heutige Paramount Pictures Corporation - kurz: Paramount - hervor.
Regiedebüt 1925 für Gainsborough
Als sich Famous Players–Lasky aus Großbritannien zurückzog, arbeitete Hitchcock für verschiedene unabhängige Filmproduzenten, die das Studio mieteten. Dabei übernahm der Filmfan und -kenner zunehmend mehr Verantwortung und arbeitete bald auch als Art Director, Produktionsdesigner, Cutter, Drehbuchautor und Regieassistent. So erarbeitete er sich einen hervorragenden Ruf in der Branche und beeindruckte Studiobosse und andere Filmverantwortliche.
1925 gab ihm Gainsborough Pictures schließlich die große Chance, «Irrgarten der Leidenschaft» («The Pleasure Garden») zu inszenieren. Die britisch-deutsche Co-Produktion war mäßig erfolgreich, zeigte aber Hitchcocks Talent und war ein wichtiger Schritt auf seinem Weg zu einem der bedeutendsten Filmemacher der Geschichte.
In den Folgejahren inszenierte er einen Film nach dem anderen und drehte dabei immer wieder auch an Originalschauplätzen in der britischen Hauptstadt.
Drehort London auch in Hollywood-Produktionen
Eine weitere blaue Plakette zu Ehren des Regisseurs findet man in der vielbefahrenen Cromwell Road im Bezirk Kensington und Chelsea im Westen von London. In dem typisch englischen Reihenhaus lebte Hitchcock von 1926 bis 1939, bevor er in die USA übersiedelte und dort einen Kinoerfolg nach dem anderen feierte.
In seine Heimat kehrte Alfred Hitchcock mehrfach für Dreharbeiten zurück. «Die rote Lola» (1950), «Bei Anruf Mord» (1954) oder auch «Frenzy» (1972) filmte er in London. Die wohl spektakulärste Kulisse in der britischen Hauptstadt hat das 1956er-Remake seines eigenen Thrillers «Der Mann, der zuviel wusste» mit James Stewart und Doris Day. Der dramatische Showdown spielt - wie schon im Original von 1934 - in der berühmten Royal Albert Hall.
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