Beschuldigter erinnert sich nicht
Prozess wegen Totschlag im Altersheim
TRAUNSTEIN (dpa/mue) - Ein dementer, alter Mann bekommt in einem Altenheim in Oberbayern einen Mitbewohner. Weil ihm das nicht gefiel, soll er ihn umgebracht haben.
Vor dem Landgericht Traunstein hat der Prozess gegen einen dementen Altenheimbewohner begonnen, der seinen Zimmergenossen umgebracht haben soll, weil er ein Einzelzimmer wollte. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 93-Jährigen, der als schuldunfähig eingestuft wird, Totschlag vor. Er soll - nur zwei Tage nach dessen Einzug und einen Tag, bevor er selbst umziehen sollte - so massiv auf den Kopf des 84 Jahre alten Mitbewohners eingewirkt und seine Nase und seinen Mund zugedrückt haben, dass der Mann starb. Das Gericht bricht die Vernehmung des alten Mannes nach kurzer Zeit ab, weil es ihm kaum möglich ist, auf Fragen zu antworten. Wo er denn sei, will der Richter von ihm wissen. Antwort: «In einem großen Saal.» Mehr nicht. «Aufgrund des Geisteszustandes würde ich von weiteren Fragen absehen», entscheidet der Vorsitzende Richter.
Eine psychiatrische Gutachterin, die vor Beginn des Prozesses zweimal mit dem Beschuldigten gesprochen hatte, gibt an, er habe sich damals noch rudimentär erinnern und wenige Angaben zur Tat machen können - unter anderem habe der hochbetagte Senior über seinen Zimmergenossen gesagt: «Der Mann hätte sich breit gemacht und so getan, als würde ihm alles gehören.»
Demenz-Zahlen nehmen zu
Gewalt im Altenheim ist kein Einzelfall: Im Mai 2021 verurteilte das Landgericht München II einen damals 88 Jahre alten Alzheimer-Patienten zur Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie, weil er eine alte und ebenfalls demenzkranke Frau, die ebenfalls in dem Altenheim wohnte, so brutal vergewaltigt und attackiert hatte, dass sie an den Folgen starb. Sicherheit in Pflegeheimen sowie der Schutz von und auch vor dementen Menschen dürfte in den kommenden Jahren ohnehin ein noch größeres Thema werden - in Bayern leben nach Angaben von Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) derzeit rund 270.000 Menschen mit Demenz. Die Zahl werde bis zum Jahr 2030 voraussichtlich auf 300.000 steigen und bis 2040 auf 380.000.
Im Traunsteiner Verfahren hat das Gericht insgesamt vier Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil könnte demnach am 10. September fallen.
Autor:Uwe Müller aus Nürnberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.