Syphilis-Zahlen steigen
Wenn es unten plötzlich juckt
BERLIN (dpa/mue) - Die Deutsche STI-Gesellschaft berichtet von zunehmenden Fällen sexuell übertragbarer Infektionen (STIs) in Deutschland, insbesondere der Syphilis.
«Insgesamt kann man sagen, dass Syphilis seit dem Jahr 2000 zunimmt. Damals waren es noch 800 Fälle, heute sind es über 8.000», erklärt Norbert Brockmeyer, Präsident der STI-Gesellschaft. Syphilis äußert sich durch Ausschläge und im Spätstadium durch schwere Schäden an Organen und am Nervensystem. Das Robert-Koch-Institut (RKI) verzeichnet einen Anstieg der gemeldeten Syphilis-Fälle von 5.330 im Jahr 2013 auf 8.309 im Jahr 2022 und bei Hepatitis B von 715 auf 16.635 Fälle. Die Zahl der HIV-Neuinfektionen blieb mit rund 1.800 Fällen jährlich stabil.
In den USA zeichnet sich bei Syphilis ein ähnlicher Trend ab; die Gesundheitsbehörde CDC meldete kürzlich einen starken Anstieg der Syphilisfälle bei Neugeborenen. Über 3.700 Babys waren letztes Jahr betroffen, mehr als zehnmal so viele wie vor zehn Jahren und ein 32-prozentiger Anstieg gegenüber 2021. Die CDC betont, dass 90 Prozent dieser Fälle durch Tests und Behandlungen der Mütter während der Schwangerschaft vermeidbar gewesen wären.
Sexkontakte werden leichter
Brockmeyer führt den Anstieg der STI-Fälle in Deutschland auf die leichtere Knüpfung von Sexkontakten durch digitale Medien zurück. Obwohl die Kondomnutzung stabil sei, steige die Rate an STIs sowohl bei hetero- als auch homo- und bisexuellen Menschen. «Man kann Sexkontakte über den digitalen Weg erreichen. Dadurch ist die Möglichkeit geschaffen worden, schneller Sexualkontakte zu knüpfen», so Brockmeyer. Silke Klumb von der Deutschen Aidshilfe bemerkt, dass die Häufigkeit bestimmter STIs von der Gruppe abhängt, beeinflusst durch Sexualverhalten, Partnerzahl und Testhäufigkeit. Beispielsweise sei die Zahl der HIV-Diagnosen in Deutschland, besonders unter schwulen und bisexuellen Männern, seit 2007 rückläufig.
Vorbeugende Medikamente
Bei der Prävention sind unterschiedliche Strategien gefragt. Einen weitreichenden Schutz vor STIs bieten Kondome. Gegen manche Erreger wie Hepatitis B gibt es eine Impfung. Menschen, die einen STI-Verdacht hegen, sollten sich testen lassen, um den Erreger nicht weiter zu verbreiten. Zudem gibt es bestimmte Medikamente wie Doxy-PrEP, ein Antibiotikum zur Vorbeugung bestimmter STIs wie Chlamydien und Syphilis, die Personen mit häufigen ungeschützten Sexualkontakten nehmen können. Auch zur Vorbeugung von HIV-Infektionen kann eine sogenannte Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP)» eingenommen werden. Häufig werde dadurch aber auf das Kondom verzichtet und damit steige das Risiko für andere STIs erneut. Silke Klumb warnt vor der breiten Nutzung von Doxy-PrEP unter anderem aufgrund von Kosten und Nebenwirkungen.
Mehr Aufklärung im Swingerbereich gefordert
Brockmeyer betont die Notwendigkeit von Aufklärung in allen Altersgruppen. «Auch bei den Älteren haben wir Luft nach oben.» Er verweist darauf, dass die höchsten Raten an STIs wie etwa Chlamydien in jüngeren Jahren auftreten, betont jedoch, dass auch bei den über 55- bis 60-Jährigen hohe Raten vorhanden sind. «Die meisten STIs machen zu 80 Prozent keine Symptome», sagt Brockmeyer. Dadurch gehen viele Betroffene nicht zum Arzt. Wichtig seien praktische Lösungen wie Home-Tests für HIV oder Kits zur Selbstentnahme von Proben, die über Online-Shops und Gesundheitsämter zugänglich gemacht werden sollten. «Im Swingerbereich, sowohl im schwulen als auch im heterosexuellen Bereich, muss mehr an Aufklärung laufen.»
Risiko oft unterschätzt
Bei STIs treten häufig Missverständnisse und Mythen auf. Dadurch schätzen viele Menschen ihr persönliches Risiko, eine STI zu bekommen, deutlich geringer ein, als es tatsächlich ist. «Obwohl die Chlamydien-Infektion die häufigste bakterielle STI in der Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist, schätzen nur acht Prozent der Befragten ihr Risiko als (absolut) wahrscheinlich ein», betont Johannes Breuer von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Die Enttabuisierung von STIs und Bewusstseinsschaffung seien daher essenziell. «Alle Menschen sollen das Wissen und die Möglichkeit haben, gut für sich und ihre sexuelle Gesundheit zu sorgen. Dazu gehören unterstützende Angebote zur Gesundheitsförderung und Prävention.»
Autor:Uwe Müller aus Nürnberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.