Immer perfider: Polizei warnt vor Internet-Betrug
Vor allem wohlhabende Menschen betroffen
KARLSRUHE (dpa/vs) - Bundeskriminalamt, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und Polizei warnen immer wieder vor Betrügern, die im Internet agieren und leichtgläubige Menschen um teilweise horrende Geldsummen betrügen. Ein konkretes Beispiel zeigt, wie die perfide Masche funktioniert, und warum die Täter kaum ermittelt werden können.
Von Marco Krefting, dpa
Mit einem vermeintlich lukrativen Lockangebot und 250 Euro ging es los. Zwei Monate später hatte der Mann rund 300.000 Euro in den Sand gesetzt.
Das Geld, das er wohl unwiederbringlich an Betrüger verlor, hatte er sich teilweise von Freunden geliehen. Dabei wollte der 81-Jährige eigentlich seiner Tochter einen Zuschuss für den Kauf einer Wohnung spendieren. «Das ging komplett daneben.»
Perfide Masche
Der Mann ist Opfer einer Masche geworden, mit der Kriminelle seit einigen Jahren das große Geld machen. Vermeintliche Anlagevermittler versprechen kräftigen Reibach, arbeiten mit professionellen Internetauftritten von Handelsplattformen und locken mit Bildern von Prominenten, die angeblich mittels sogenannter Kryptowährungen exorbitante Gewinne erzielt hätten. Arglose Opfer überwiesen hohe Summen, teils Millionenbeträge, sagt Dieter Abstein, Leiter des Dezernats Wirtschaftskriminalität im Polizeipräsidium Karlsruhe.
Das Vorgehen ist nach Angaben der Ermittler dabei meist sehr ähnlich: Mal trudelt eine E-Mail ein, mal ruft jemand an, mal ist es ein Link im Netz. Das kann ohne großen Aufwand ziemlich breit gestreut werden. In Gesprächen werden Interessierte dann dazu verleitet, Geld ins Ausland zu überweisen. Gefälschte Anlage- und Renditebestätigungen und aufwendig gestaltete Websites vermitteln Seriosität.
Doch nach und nach gibt es angeblich Probleme: Irgendwelche Steuern werden fällig, unerwartet entstehen Notarkosten oder die Kurse fallen. Mit solchen Argumenten versuchen die Betrüger ihre Opfer zu überzeugen oder dazu zu drängen, noch mehr Geld nachzuschießen. «Die Kuh wird gemolken, bis sie keine Milch mehr gibt», sagt Abstein. Irgendwann bricht der Kontakt ab, das einbezahlte Geld ist futsch.
So ging es auch dem Mann, der seiner Tochter eine Finanzspritze gönnen wollte. Wie er berichtet, hatte er per Videoschalte Kontakt mit einem vermeintlichen Berater. Er konnte sich in ein Onlinedepot einloggen und Tag für Tag Kursschwankungen beobachten. Alles wirkte professionell. Als er rund 100.000 Euro Gewinn haben wollte, sollten plötzlich vorher Steuern in den USA abgeführt werden. «Da war schon so viel Geld angelegt, das wollte ich nicht riskieren.» Er zahlte.
Geld im Freundeskreis geliehen
Irgendwann meldete sich dann der angebliche Chef des Vermittlers, sein Kollege habe einen Fehler gemacht. Viel Geld sei verloren, wenn der 81-Jährige nicht nachzahle. Einen Teil steuere man selbst bei. Angeblich aus Kulanz. Der Mann lieh sich Geld im Freundeskreis. «Ich habe allen erzählt, was ich mache», sagt er. Auch seine Frau wusste Bescheid. Viele seien skeptisch gewesen. Aufgehalten hat ihn keiner.
Als er zu misstrauisch wurde und auf sein Geld beharrte, brach plötzlich der Kontakt ab. Von den angeblichen Anlageberatern habe er seither er nie wieder etwas gehört, sein Geld nie wiedergesehen.
Hohe Dunkelziffer
Wie viele Fälle dieser Art es gibt, lässt sich schwer einschätzen. In der Polizeistatistik werden sie nicht speziell erfasst. Grob heißt es vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg etwa, die Zahl der bekannten Fälle liege im oberen dreistelligen Bereich mit steigender Tendenz.
«Generell lässt sich bei Betrugsstraftaten und insbesondere beim Anlagebetrug über Online-Plattformen aber feststellen, dass sich betroffene Investoren oftmals nicht betrogen fühlen oder aus Scham von einer Anzeigeerstattung absehen», erklärt ein Sprecher des Bundeskriminalamts (BKA). Die Dunkelziffer dürfte also hoch sein. Die Opfer sind laut Wirtschaftskriminalist Abstein in der Regel welche, die viel Geld versprechen: Ärzte, Ingenieure, Rechtsanwälte.
Das BKA befasst sich seit 2016 mit dem Phänomen des Cybertradings. Doch selbst wenn eine Tat angezeigt wird, passiere das meist spät, weil der finanzielle Schaden erst deutlich zeitversetzt vom Investitionszeitpunkt erkannt werde. «Eine Aufklärung der Tat wird somit für die Strafverfolgungsbehörden erschwert.»
Täter kaum zu ermitteln
Hinzu kommt laut Polizist Abstein, dass sowohl Täter als auch Konten und Server meist im Ausland sind. Eigentlich müsse man den Geldern schnell hinterherkommen, um Überweisungen zu stoppen. Doch Rechtshilfe zu beantragen, ist ein bürokratischer Akt. Anders als bei Betrügereien mit falschen Enkeln und Polizisten, braucht in diesen Fällen auch kein Täter persönlich an einer Haustür auftauchen, um Geld oder Schmuck mitzunehmen. Also auch hier keine Zugriffsmöglichkeit für die Polizei. «Die Strafverfolgung ist ein zähes Stück Arbeit und kann sich über Jahre ziehen», sagt Abstein.
So heißt es auch in einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Mannheim zum Fall des 81-Jährigen: «Es liegen keine erfolgversprechenden Ermittlungsansätze zur Identifizierung der Täter mehr vor.»
Die Polizei aus Bund und Ländern sowie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) warnen immer wieder vor betrügerischem Cybertrading und veröffentlichen Infos dazu.
Rückblickend hätte er eher stutzig werden können, räumt der 81-Jährige heute ein. Schon das Verfahren zum Einrichten des Kontos sei sehr aufwendig gewesen. Seinen Personalausweis musste er in die Kamera halten, Fragen auf Englisch sollte er bewusst mit falschen Angaben beantworten. So hatte der Finanzagent es ihm gesagt. Am Ende sei es schwer gewesen, den Absprung zu finden.
Nun habe er zwar nicht seine komplette Altersvorsorge verloren. Aber um wenigstens seinen Freunden das geliehene Geld zurückgeben zu können, musste er sein Haus mit einer Hypothek belasten.
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