Optimist Stöhr gegen Pessimist Drosten
Wie schlimm wird der Corona-Herbst 2022?

Eine Corona-Teststation in München. | Foto: Peter Kneffel/dpa
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BERLIN (dpa/vs) - Mehr erfasste Fälle, mehr Ausbrüche in Pflegeheimen und auch wieder steigende Patientenzahlen auf Intensivstationen: Besser übertragbare Omikron-Sublinien treiben die Corona-Sommerwelle in Deutschland an. Über deren Gefahrenpotiential und notwendige Schutzmaßnamen sind sich Experten auch in der aktuellen Welle nicht einig. Trotzdem gibt das RKI Tipps, für alle jene, die sich bestmöglich vor einer Ansteckung schützen wollen.

Wie erwartet worden war, ist der Erreger BA.5 nun auch nach offiziellen Daten vorherrschend in Deutschland. Der Anteil in einer Stichprobe liege bei 50 Prozent, geht aus dem Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) zu Covid-19 hervor. Die Angabe bezieht sich allerdings auf vorvergangene Woche, derzeit ist bereits von höheren Werten auszugehen.

Drosten sagt viele Krankmeldungen voraus

Der Virologe Christian Drosten rechnet nach den Sommerferien in Deutschland mit einer sehr hohen Zahl an neuen Corona-Fällen. «Ich hoffe, dass die Schulferien den Anstieg der Erkrankungsfälle etwas dämpfen werden. Aber ab September, fürchte ich, werden wir sehr hohe Fallzahlen haben», sagte der Leiter der Virologie-Abteilung an der Berliner Charité dem «Spiegel». Wenn nichts getan werde, werde es im Arbeitsleben «sehr viele krankheitsbedingte Ausfälle» geben.

«Wir sehen tatsächlich schon wieder einen exponentiellen Anstieg der Fallzahlen», warnte Drosten. «Die BA.5-Variante ist einfach sehr übertragbar, und die Menschen verlieren gleichzeitig ihren Übertragungsschutz aus der letzten Impfung.» In anderen Ländern sehe man, dass bei sehr hohen Fallzahlen auch die Hospitalisierungs- und Todeszahlen wieder anstiegen. «Das wird auch bei uns leider so sein. Insgesamt werden aber viel weniger Menschen schwer erkranken und sterben als noch 2021.»

In dem RKI-Wochenbericht heißt es, die Belastung des Gesundheitsversorgungssystems, insbesondere im intensivmedizinischen Bereich, sei in der vergangenen Woche wieder leicht angestiegen.

Laut Divi-Intensivregister nimmt die Zahl dort behandelter Corona-Infizierter seit einigen Tagen wieder zu: Nach gut 600 Patienten zu Monatsbeginn waren es mit Stand Donnerstag 810. Zum Vergleich: Zu Hochzeiten der Pandemie in Wintermonaten waren es teils mehrere Tausend zeitgleich.

RKI mahnt zur Vorsicht

Bei der Sublinie BA.5 war in den Stichproben zuletzt eine ungefähre Verdopplung des Anteils im Wochentakt beobachtet worden. Das wird nun nicht mehr ganz erreicht, wie der RKi-Bericht zeigt: Der Anteil wuchs im Wochenvergleich von 32 auf rund 50 Prozent. Bei weiteren Sublinien von Omikron (BA.2.12.1 und BA.4) werden ebenfalls wachsende Anteile beobachtet, aber auf bisher niedrigerem Niveau von je sechs Prozent.

Das RKI spricht von einer Zunahme der Sieben-Tage-Inzidenz im Vergleich zur Vorwoche um 23 Prozent. «Die Zahl der Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen sowie in medizinischen Behandlungseinrichtungen ist im Vergleich zur Vorwoche weiter gestiegen.»

Angesichts der Entwicklung ruft das RKI weiterhin dazu auf, die Empfehlungen zum Vermeiden von Ansteckungen einzuhalten: Abstand halten, Hygieneregeln beachten, Maske tragen, Lüften und Corona-Warn-App nutzen. Die Impfung habe «aufgrund ihrer hohen Schutzwirkung vor einem schweren Verlauf» auch bei Erkrankungen durch Omikron nicht an Bedeutung verloren.

Stöhr: Masken tragen und Abstand halten unnötig

Der Virologe Klaus Stöhr sieht dagegen derzeit keinen Grund für verschärfte staatliche Alltagsbeschränkungen. «Um es ganz klar zu sagen: Masken tragen und Abstand halten ist gegenwärtig nicht notwendig», sagte er in einem Interview von Ippen Media. Es gebe zum einen keine Anzeichen für eine Überlastung des Gesundheitswesens. Zum anderen schöben die Maßnahmen nur die Infektionen nach hinten. «Verhindern wird man sie sowieso nicht. Damit steigt die Gefahr, dass der Peak im Winter größer wird», sagte der Wissenschaftler, der dem Sachverständigenausschuss zur Beurteilung der Corona-Beschränkungen angehört.

Weniger schwere Verläufe bei Omikron

Seit dem Aufkommen von Omikron wird ein geringerer Anteil schwerer Erkrankungen und eine niedrigere Zahl von Todesfällen in Verbindung mit Covid-19 erfasst als bei früheren Varianten wie Delta. Daran scheint sich laut Bericht auch vorerst nichts zu ändern: Bisher vorliegende epidemiologische Daten ließen «nicht darauf schließen, dass Infektionen mit BA.2.12.1, BA.4 oder BA.5 schwerere Krankheitsverläufe oder anteilig mehr Todesfälle verursachen» als Infektionen mit den zuvor verbreiteten Sublinien BA.1 und BA.2.

Das RKI empfiehlt dennoch «dringend»», bei neu auftretenden Symptomen wie etwa Schnupfen, Halsschmerzen oder Husten Kontakte zu meiden und bei Bedarf den Hausarzt zu kontaktieren - unabhängig vom Impfstatus und auch bei einem negativen Schnelltestergebnis.

Autor:

Victor Schlampp aus Schwabach

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