Die Wahrheit über das Handwerk in Mittelfranken
Handwerkskammer-Boss Forster: "Wir befinden uns am Scheideweg"
NÜRNBERG – Der MarktSpiegel hat mit Prof. Dr. Elmar Forster, dem Chef der Handwerkskammer, gesprochen. Er redet Klartext über die wirtschaftliche Lage in Mittelfranken.
Herr Prof. Forster, die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist auf ihrem „verhaltenen Erholungskurs“ im Mai ins Stocken geraten, konnte im Juni aber wieder Fahrt aufnehmen. Wie sieht es im mittelfränkischen Handwerk aus?
Prof. Dr. Elmar Forster: „Bei uns ist im zweiten Quartal konjunkturell vieles ,gleich‘ geblieben. Sieht man sich die Gewerke im Einzelnen an, gibt es aber durchaus unterschiedliche Entwicklungen.“
An welchen Indikatoren machen Sie diese Einschätzung fest?
„Der durchschnittliche Auftragsbestand liegt über alle Gewerke hinweg bei 10,7 Wochen. Im Vorquartal waren das 10,8 Wochen. Dementsprechend sind unsere Handwerker im Großen und Ganzen mit ihrer aktuellen Geschäftslage zufrieden. Es hat sich nicht viel verändert. Das spiegelt sich auch beim Ausblick in die Zukunft wider. 68,9 Prozent gehen davon aus, dass ihre Geschäftslage gleich bleiben wird. Bei über der Hälfte trifft das auch auf die Umsätze zu, bei über zwei Drittel auf die Beschäftigtenzahlen. Erfreulicherweise hat aber die Betriebsauslastung über 90 Prozent zugenommen. Davon sprachen im Vorquartal noch 36 Prozent der Befragten, im aktuellen sind es schon knapp 40 Prozent.“
Es geht also aufwärts?
„Das kann man so nicht sagen. Wir befinden uns an einem Scheideweg. Geht es in eine positive oder negative Richtung? Wir wissen es noch nicht. Da wir aber von einem hohen Niveau kommen, kann man sagen – abhängig von einzelnen Gewerken: ,Gleich ist das neue Gut‘. Differenziert zu betrachten ist z.B. die Entwicklung im Bauhauptgewerbe. Zwar liegt der Auftragsbestand immer noch bei 13,4 Wochen. Diese Zahl dokumentiert aber einen kontinuierlichen Abschwung. Während wir vor gut eineinhalb Jahren einen Auftragsbestand mit historischen Höchstständen von 17 Wochen hatten, ging es seit dieser Zeit kontinuierlich bergab. Die Bauanträge sind vor allem im privaten Wohnungsbau um bis zu 30 Prozent zurückgegangen. Das bedeutet, dass zwar noch einige Aufträge vorliegen, aber keine neuen speziell im Ein- und Zweifamilienhausbau reinkommen. Mittel- bis langfristig werden diese Reserven aufgebraucht sein, wenn keine Trendwende eintritt.“
Profitiert eine Gruppe besonders?
„Trotz einer stockenden Wärmewende ist das Ausbauhandwerk ausgesprochen stabil. Der Auftragsbestand bleibt fast konstant auf einem hohen Niveau und über 50 Prozent unserer Betriebe sind zu über 90 Prozent ausgelastet. Das ist überdurchschnittlich.“
Warum ist die Wärmewende ins Stocken geraten?
„Nach Plänen der Bundesregierung sollten 500.000 Wärmepumpen pro Jahr eingebaut werden, mit nur rund 200.000 stockt die Nachfrage erheblich. Die Gründe liegen in der Verunsicherung der Verbraucher. Als Stichwort darf ich auf das Heizungsgesetz im letzten Jahr verweisen. Ein weiterer Grund ist, dass die Fördergelder erst im Herbst ausgezahlt werden. Wer jetzt kauft, muss vorstrecken. In Prozenten ausgedrückt wurden 39 Prozent weniger Wärmeerzeuger als im Vorjahreszeitraum produziert. Bei Wärmepumpen 52 Prozent weniger.
Trotzdem bleibt der Ausbau weiter stabil?
Ja, die Betriebe kompensieren das über andere Aufträge. Das SHK- und Elektrohandwerk profitieren von einer Entwicklung, die das Bauhandwerk unter starken Druck setzt: Den Einbruch der Neubauanträge. Wer nicht neu baut, kauft sich vielleicht ein altes Häuschen und saniert es – mit Hilfe des Ausbauhandwerks.
Was ist Ihr Fazit, wenn Sie auf die aktuellen Zahlen blicken?
Für uns ist ,gleich‘ das neue ,gut‘. Wenn wir da bleiben, wo wir stehen (von ganz wenigen Gewerken abgesehen), wäre das erfreulich. Aber wir befinden uns an einem Scheideweg. Im Moment gibt es eine – sehr leichte – Tendenz ins Positive. Aber die Baubranche steht unter Druck. In welche Richtung wir uns bewegen werden, wird uns die Zukunft zeigen.
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