Blühende Bäume und Terroristen in der Kunstwelt: Gostenhofer Galerie Tage 2012
Regenschirme in Bäumen, düstere Seelen einer lebensfrohen Malerin und ein Künstler, der sich einen Terroristen nennt: Künstler und Galeristen aus dem Stadtteil präsentierten Gegenwartskunst und luden an 13 Orte ein, an denen sie Fotografie, Malerei, Objekte und Installationen zeigten.
Ein Stadtteil wurde zur Ausstellungsfläche: Neben dem Petra-Kelly-Platz, gab es Kunst am Volksbad, an der Gostenhofer Hauptstraße und an der Galerie Hafenrichter. Daneben öffneten sämtliche Galerien an den Gostenhofer Galerie Tagen (GoGaTa). Den Einfall, Kunstwerke auch außerhalb von Galerien zu zeigen, hatte der Kunsthistoriker Marco Wegfahrt.
Der 34-Jährige lebt seit drei Jahren im Bezirk und ist Mitveranstalter der zweiten Galerietage. Kaum in Nürnberg angekommen, klapperte Wegfahrt die Galerien ab, bis er schließlich auf Laurentiu Feller traf, dem Erfinder der GoGaTa. Der Rumäne rief erstmals 2010 seine Kollegen dazu auf, ihre Galerien einem breiten Publikum zu präsentieren. Von seiner Idee war der Kunsthistoriker Wegfahrt begeistert. "Doch habe ich mich gefragt, was hat das eigentlich ist dem Stadtteil zu tun?", erzählte Wegfahrt. Gebe es doch genügend leere Flächen im Stadtteil. Wegfahrt: „Passanten sollen zuschauen können, wie Künstler ihre Werke herstellen."
Bunte Schirme schmückten den Petra-Kelly-Platz
Binnen zwei Wochen fand er Künstler, die mitmachten. So installierte Bert Loeschner ulkige Gartenstühle auf der Gostenhofer Hauptstraße und Jacklin Leidner verzierte einen verlassenen Pavillon, auf dem sie Passanten porträtierte.
Der Architektur-Student Michael Paulutz besprühte Schirme mit Graffiti auf dem Petra-Kelly-Platz und hing sie in die Bäume. „Zum Glück hatten meine Freunde Regenschirme übrig", sagte er. Insgesamt sollten es 30 Schirme sein. Doch kaum hingen sie in den Ästen, wurden die ersten geklaut. "Als ich auf einen Balkon gestiegen bin, um ein Video über meine Installation zu drehen, sah ich noch, wie einige Menschen in die Bäume griffen und den Schirm herunter rissen", sagte er verärgert. Das Video über die blühenden Bäume zeigt Michael Paulus unter: http://paulutz.com/?p=1870
Bunter Fisch und Free TV auf das Volksbad
Evi Kupfer indes schuf auf den Fenstern neben dem Volksbad einem bunten Haifisch aus Isolierbändern und wurde damit politisch. "Der Hai soll auf das Volksbad aufmerksam machen", sagte die 30- jährige Designerin. Im Jahr 1994 schloss das Bad seine Türen - seither ist es dem Zahn der Zeit überlassen. "Niemand traut sich heran, die notwendigen Renovierungen durchzuführen", monierte sie, "wenn aber nichts geschieht, kann es sein, dass das Bad abgerissen werden muss." Evi Kupfer teilt sie sich ein Atelier mit zwei Freunden im Stadtteil. „Dort tobe ich mich aus“, erzählte die 30-Jährige. Verschrieben hat sie sich der Tape-Art, der Kunst mit dem Klebeband.
Auch Holger Becker beschäftigte sich mit dem Volksbad. Und mit dem Thema Fernsehen. Früher habe er oft und gerne in die Röhre geschaut, bis er den Punkt erreichte, an dem ihm alles langweilte, was er sah. So sei die Idee zum Free-TV entstanden. Wer auf den Fernseher glotzt, sieht das Volksbad. „Unglaublich, was hier mit dem Bad geschieht“, empört sich der 40-Jährige, der vor drei Jahren aus Hamburg nach Gostenhof zog. „Seit nunmehr 15 Jahre steht es leer, und nichts passiert“, ärgerte sich der Maler.
"Ich komme aus Italien und hatte dort als Bühnenbildner gearbeitet", stellte sich Francesco Ferrante in seiner Galerie "Artelier" vor. Nach Nürnberg zog er der Liebe wegen. Auf seinen knallbunten Selbstportraits leuchte ein Heiligenschein. „Hier in Deutschland fühle mich erstmals frei von der katholischen Obrigkeit“, erzählte er. „In der Kunst geht es zu wie in der Politik“, so Ferrante, "es gibt gute und schlechte Künstler. Aber ich bin ein Terrorist! Denn meine Malerei kennt keine Regeln.“
Die Galerie teilt er sich mit der gebürtigen Regensburgerin Anne Kammermeier. „Meine Bilder sind ambivalent“, erzählte sie. Es sollen Bilder der Seele sein, mit fröhlichen und düsteren Aspekten. "Inspiriert werde ich von Kindern. Sie zeigen ihre Emotionen ungekünstelt. Erwachsene verstecken sich oft unter einer Maske." Im vergangenen Jahr hat die Newcomerin ihr Studium an der Nürnberger Akademie der Künste beendet.
"Spaß macht es, Leute mit Kunst zu belästigen"
Schon länger im Kunstgeschäft befindet sich Jens Hafenrichter. An der Fürther Straße betreibt Hafenrichter seine Gallerie seit fünf Jahren. Derzeit stellt er einen New Yorker Künstler aus. Hafenrichter denkt international: "Für uns ist der Kunstmarkt in den USA sehr wichtig. Bei ihm geht es um Pop-Art. "Wir zeigen beispielsweise Werke von Andy Warhol auf Messen."
Geld zu verdienen hingegen schien eine zu vernachlässigende Nebensache in der anarchistischen Galerie "Armer Teufel" zu sein, die Dieter Reger betreibt. Er verdient sein Geld als Postbote, die Galerie gehöre zu seinem Hobby. "Viele Künstler fühlen sich gebunden an andere, ernsthafte Galerien. Bei uns kann jeder kommen und gehen, wann er will, denn es geht in erste Linie um Spaß." Denn Spaß könne es ja auch machen, Leute mit Kunst zu belästigen.
Beitrag eingestellt von Hauke Hoffmeister auf mein-mitteilungsblatt.de.
Autor:Archiv Leserreporter aus Nürnberg |
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