Nürnberger Gespräche 2022
Arbeitsmarkt: Kraftzentren in Nordbayern sind Nürnberg und Erlangen!
NÜRNBERG (nf) - Nach der Corona-Zwangspause fanden kürzlich erstmals wieder die ,,Nürnberger Gespräche“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) im Historischen Rathaussaal in Nürnberg statt. Thema: Drohen Deutschland auf breiter Front die Arbeitskräfte wegzubrechen?
Schon jetzt herrschen in vielen Bereichen Engpässe. „Wir werden vom demografischen Wandel überrollt“, so Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die Herausforderungen sind ebenso zahlreich wie schwierig: Wie können Ältere länger im Erwerbsleben gehalten werden? Wie lässt sich erreichen, dass Frauen ihre Arbeitszeit erhöhen? Wie bringt man die vielen Langzeitarbeitslosen wieder in Lohn und Brot? Wie kann Inklusion im Arbeitsmarkt verbessert werden? Es brauche zudem deutlich mehr (qualifizierte) Zuwanderung als bisher. Doch wie kann Deutschland mehr begehrte Arbeitskräfte aus dem Ausland anlocken, um die heimischen Lücken zu füllen? Hinzu komme, so das IAB, dass Jahr für Jahr eine Million Menschen unserem Land den Rücken kehre. Wie lassen sich diese Menschen dazu motivieren, in Deutschland zu bleiben?
Deutschland im demografischen Dilemma – woher sollen die Arbeitskräfte kommen?
Diese und weitere Fragen wurden mit Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Arbeitsverwaltung diskutiert. Mit dabei: Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König, Prof. Herbert Brücker, Direktor des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) sowie Leiter des Forschungsbereichs „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Leonie Gebers, Staatssekretärin im Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Janina Kugel, Aufsichtsrätin, Senior Advisorin und vormalig Personalvorstand bei Siemens, Eva Strobel, Geschäftsführerin der Abteilung „Geldleistungen und Rehabilitation“ und ehemalige Leiterin der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit sowie Prof. Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
In seiner Eröffnungsrede bestätigte OB Marcus König, dass der Mangel an Arbeitskräften in vielen Bereichen schon längst deutlich spürbar sei - u.a. im Handwerk, in der Pflege, an den Flughäfen, in Schulen oder Kitas. Klar sei doch: ,,Arbeitskräfte fallen nicht vom Himmel und sie wachsen nicht auf Bäumen.“ Es müssten gewaltige Anstrengungen unternommen werden - natürlich auch in der Verwaltung. Positiv für die Region: Bei den Städten mit den wenigsten Arbeitslosen steht Nürnberg nach München und Stuttgart an dritter Stelle. ,,Das Kraftzentrum in Nordbayern sind Nürnberg und Erlangen“, so der Oberbürgermeister.
Prof. Herbert Brücker gab als Einstieg in die Diskussion zu bedenken, dass wir bereits mitten in den vielschichtigen, großen Herausforderungen des Arbeitsmarktes stecken. ,,Wir verlieren jedes Jahr zwischen 360.000 und 380.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland durch die Alterung. Das wird sich bis zum Ende dieses Jahrzehntes noch beschleunigen - da reden wir dann von einer Größenordnung von bis 500.000 Menschen.“
Einig waren sich die Experten, dass bei der Bewältigung der Probleme der große Hebel die Migration sei. Leonie Gebers betonte, man habe das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht (auch aus Europa) - durch Corona wurde allerdings ein guter Start verhindert. Doch auch Inklusion und Ausbildung spielten eine Hauptrolle in der Krise. Janina Kugel sagte, man müsse überlegen, wie man Ausbildungsplätze attraktiver gestalten könne - beispielsweise in Bäckereien. Dort schrecken die Arbeitszeiten viele Interessierte ab. Es gehe um Arbeitgeberattraktivität. ,,Potenzielle Mitarbeiter diktieren im Moment die Bedingungen - das haben meiner Ansicht nach, viele Arbeitgeber noch nicht verstanden. Höhere Flexibilität ist gefordert!“
Eva Strobel betonte: ,,Wir müssen mehr Menschen mit Behinderung in Arbeit bringen. Behinderte Menschen arbeiten in allen Branchen und sind gut qualifiziert. Vor Corona stieg die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung - jetzt muss die Aufmerksamkeit wieder in diese Richtung gelenkt werden.“ Sie sei überzeugt, dass sich die Attraktivität eines Unternehmens erhöht, wenn eine Vielfalt der Beschäftigten herrsche.
Fragen stellten konnte das Publikum nicht nur vor Ort, sondern auch über den Chat - die Veranstaltung war live auf YouTube zu sehen. Thema waren hier beispielsweise, wie berufstätige Mütter Familie und Beruf leichter vereinbaren können oder wie Unternehmen und staatliche Institutionen (Diversity-Management, interkulturelle Kurse) zusammenarbeiten können. Prof. Dr. Klaus Wübbenhorst (Wirtschaftsvorsitzender Europäische Metropolregion Nürnberg) stellte sein 5-Punkte-Programm zur Diskussion, wie man das vorhandene Arbeitspotential besser nutzen könnte. Diese fünf Punkte betreffen die Bereiche radikaler Bürokratie-Abbau, Digitalisierung in Deutschland, Steuersystem, Anreize für Rentner im Arbeitsmarkt und Infrastruktur.
Nürnberger Gespräche ansehen
https://www.youtube.com/watch?v=mw8y-CUGtVs&list=PLwUvcQ0hE-7_3KlqfEM_qsy_6TOe4mKkH&index=1
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