Die Madonna von der Nürnberger Mohren-Apotheke

Muttergottes. Hausfigur vom Gebäude der Nürnberger Mohren-Apotheke, um 1420/30. | Foto: Germanisches Nationalmuseum, Dauerleihgabe der Stadt Nürnberg
  • Muttergottes. Hausfigur vom Gebäude der Nürnberger Mohren-Apotheke, um 1420/30.
  • Foto: Germanisches Nationalmuseum, Dauerleihgabe der Stadt Nürnberg
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Präsentation anlässlich des 575-jährigen Bestehens der ältesten Apotheke Nürnbergs
9. März – 5. November 2017

NÜRNBERG (pm/nf) - In der Kartäuserkirche des Germanischen Nationalmuseums steht eine mittelalterliche Steinmadonna. Das Bildwerk aus der Zeit um 1420/30 stammt von der Fassade des historischen Gebäudes, in dem sich die Nürnberger Mohren-Apotheke über Jahrhunderte befand. In den 1920er Jahren wurde die Figur aus konservatorischen Gründen abgenommen, dem Germanischen Nationalmuseum übergeben und vor Ort durch eine Kopie ersetzt. Die Nachbildung wurde während des Zweiten Weltkriegs stark beschädigt und befindet sich inzwischen ebenfalls im Museum – bislang im Depot.

Erstmals werden jetzt anlässlich des Jubiläums der ältesten Nürnberger Apotheke ab beide Versionen nebeneinander zu sehen sein. Der unmittelbare Vergleich ermöglicht, die jeweils fehlenden Teile gedanklich zu ergänzen, und enttarnt offenbar nicht korrekte Ergänzungen des 19. Jahrhunderts.

Die Steinfigur der Gottesmutter vertritt den Typus der „Schönen Madonna“. Diese Darstellungsform zeichnet sich durch ein freundliches Antlitz und eine unnatürlich-kunstvolle Komposition der Gewandfalten aus. Maria steht auf einem Wolkensaum und neigt den Kopf sanft in Richtung eines heute verlorenen Knaben, der ursprünglich auf ihrem linken Arm saß. Neben dem Kind fehlen auch beide Unterarme. Die ursprüngliche Kopfbedeckung und die linke Schulter weisen ebenfalls erhebliche Schäden auf. Dennoch lassen das Gesicht und der großzügig gestaltete Mantel keinen Zweifel an der bildnerischen Qualität des Stücks.

Solche Heiligenfiguren hatten nach mittelalterlicher Auffassung die Funktion, ein Anwesen besonders zu schützen. Maria, deren Bild das Haus an der Königstraße schon zierte, bevor die Apotheke zum Mohren dort 1578 einzog, galt u.a. als Fürsprecherin der Schwangeren und Kranken. Dass sie symbolisch ihre helfende Hand über die hier Heilung Suchenden halten sollte, ist anzunehmen.

Von der Apotheke ins Museum

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Madonna vor Ort durch eine Kopie ersetzt. Ihre Substanz war so marode geworden, dass ihr im Frühjahr 1923 plötzlich das eiserne Zepter entglitt. Da es beim Absturz einen Passanten verletzte, wurde der Eigentümer zu Sicherungsmaßnahmen verpflichtet. Untersuchungen ergaben, dass die Entfernung der Figur von seinem traditionellen Standort alternativlos war. Georg Sparrer, ab 1916 Eigentümer der Mohren-Apotheke, verkaufte das lädierte Original an die Stadt Nürnberg, die es dem Germanischen Museum umgehend als Dauerleihgabe überließ.

Im Museum wurden ihm zahlreiche farbige Überarbeitungen abgenommen. Geringe Reste der vermeintlichen Original-, aus heutiger Sicht jedoch eher sekundären Fassung lassen auf goldenes Haar und Krone schließen, einen hellblauen Mantel mit goldenen Borten und ein blassrotes Kleid erahnen. Das damals noch auf ihrem Arm sitzende Jesuskind entpuppte sich als hölzerne, wohl relativ frei erfundene Ergänzung, die wie das abgestürzte eiserne Zepter vermutlich aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammte.

Den Verkaufserlös investierte Sparrer in eine Kopie der Figur, die man nach den Erkenntnissen der am Original vorgenommenen Freilegungen farbig fasste. Mit der Positur des Jesusknaben und der Haltung des rechten Arms der Jungfrau samt Zepter kopierte man allerdings nicht die mittelalterliche Figur, sondern deren nicht korrekte Ergänzungen des 19. Jahrhunderts.

Geschichte der Mohren-Apotheke

Im Jahr 2017 besteht die Nürnberger Mohren-Apotheke seit (mindestens) 575 Jahren. 1442 wurde sie erstmals erwähnt und ist somit die älteste Apotheke in Nürnberg. Sie befand sich zunächst in der Gilgengasse, der jetzigen Theresienstraße, nördlich des Rathauses. 1578 zog sie in das heute als Königstraße 32 firmierende Anwesen unmittelbar an der Lorenzkirche, in dessen Nachfolgebau sie sich noch immer befindet.

Das Germanische Nationalmuseum und die Mohren-Apotheke verbinden vielfältige Beziehungen. Unter den Direktoren August von Essenwein und Gustav von Bezold baute Hermann Peters, Eigentümer der Apotheke seit 1880, Ende des 19. Jahrhunderts die pharmaziehistorische Sammlung des Museums auf.

Der mäzenatischen Großzügigkeit der Inhaber in jüngerer Vergangenheit ist der 1998 realisierte Ankauf des Gemäldes „Jetzt sind die Deutschen wieder Nr. 1 in Europa“ von Wolf Vostell aus dem Jahr 1968 zu verdanken. Die Erwerbung wurde durch eine namhafte Spende der „Apotheker Walter Bouhon GmbH“ finanziert. Schließlich beherbergt das Museum ein mittelalterliches Bildwerk, das von dem historischen Gebäude stammt, in dem sich die Apotheke über Jahrhunderte befand.

Führung:
Die Madonna von der Mohren-Apotheke und die Nürnberger Bildhauerkunst um 1420
Mittwoch, 25. Mai 2017 um 19 Uhr und Sonntag, 28. Mai 2017 um 11 Uhr, Dr. Frank Matthias Kammel.

Autor:

Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg

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