Herausforderungen und Einzelhandel im Wandel
Die Zukunft des Handelsstandortes Nürnberg bis 2030: Jetzt werden die Weichen gestellt!
NÜRNBERG (nf) - Nürnberg gilt derzeit nicht nur in Nordbayern als beliebte Einkaufsstadt – bei Einheimischen wie auch Touristen. Wichtige Kennzahlen zeigen jedoch, dass auch Nürnberg sich den aktuellen Herausforderungen stellen muss: Der Einzelhandel in Deutschland befindet sich im Wandel. Die Stadt will reagieren und so wird unter der Leitidee „Alle Macht geht vom Besucher aus“ das Ziel verfolgt, bis zum Jahr 2030 mit strukturellen und umsetzungsbezogenen Maßnahmen den Handelsstandort Nürnberg zu einer agilen und prosperierenden Handelsmetropole mit bundesweiter Strahlkraft zu entwickeln.
Der stationäre Einzelhandel hat neben seiner Hauptfunktion, der Versorgung der Bevölkerung mit Waren, weitere wichtige Funktionen für die Stadt. Er ist prägend für das Stadtbild und trägt entscheidend zur Urbanität und Attraktivität einer Stadt bei, für die Wohnbevölkerung ebenso wie für Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland (mehr als 3,6 Millionen Übernachtungen, Zahl der Messebesucher 2017 bei über einer Million) und dem Umland (rund 160.000 Pendler sind regelmäßig nach Nürnberg unterwegs). Dem stationären Einzelhandel kommt damit eine hohe Bedeutung für die Qualität des öffentlichen Raumes zu. Im Zusammenspiel mit anderen Branchen, u.a. der Gastronomie, der Kultur- und Kreativwirtschaft, Dienstleistungen und mit Freizeiteinrichtungen werden Orte mit hoher Aufenthaltsqualität und Atmosphäre geschaffen. Hier trifft man sich in zwangloser Atmosphäre, verlebt Freizeit und tauscht sich aus. Diese Erlebnisqualitäten im realen Leben stellen einen der Vorteile des stationären Handels gegenüber dem Online-Handel dar.
Nürnbergs Wirtschaftsreferent Dr. Michael Fraas: ,,In Nürnberg wie in vielen anderen Städten ist für den Einzelhandel seit einigen Jahren die deutliche Herausforderung durch die digitale Transformation, Online-Handel, demographischer Wandel und verstärkter Wettbewerb zwischen den Handelsstandorten zu spüren. Das Wirtschaftsreferat hat daher das Institut für Handelsforschung IFH, Köln, und gmvteam, Düsseldorf, mit der Erarbeitung einer Zukunftsstrategie für den Handelsstandort Nürnberg beauftragt. Ziel ist es, Nürnberg als Einkaufsstandort weiter zu stärken und auszubauen, um Lebensqualität und Wirtschaftskraft weiterzuentwickeln und auch künftig eine attraktive und urbane Metropole für die Menschen in der Stadt zu bleiben. Die Strategie wurde inzwischen vorgelegt und im Stadtratsausschuss für Recht, Wirtschaft und Arbeit am 16. Oktober 2019 vorgestellt. Sie beinhaltet Maßnahmenvorschläge für die kurzfristige Umsetzung ebenso wie Maßnahmenvorschläge, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden können. Wichtige Partner für die Umsetzung der Strategie sind die Gewerbe- und Handelsinitiativen in Nürnberg (beispielsweise Erlebnis Nürnberg, Südstadt aktiv, Altenfurter Boulevard, Fi-Net, Meine Nordstadt, Gewerbeverein etc,). Denn diese kennen die Besonderheiten ihres Stadtteils und binden die Akteure in ihrem Umfeld ein. Gemeinsam mit ihnen müssen die passenden Maßnahmen erarbeitet werden – die in der Strategie aufgeführten 55 Maßnahmen sind dabei als Anregungen oder Beispiele zu verstehen.
In der Findungsphase wurden so 55 Maßnahmen identifiziert, die bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden sollen. Dabei sind zwei Ausrichtungen relevant: einerseits der besondere Fokus auf die Besucher der Stadt, andererseits Maßnahmen, um strukturell eine gute Ausgangssituation für eine zukünftige Handlungsfähigkeit der städtischen Akteure zu ermöglichen. Es bedarf individuell angepasster Aktivitäten, die die Besonderheiten der jeweiligen Stadtteile bzw. Quartiere im Blick haben, aber alle auf die Strategie einzahlen. Dafür braucht es eine Organisation, die genau diesen Prozess organisiert und die Gewerbe- und Handelsinitiativen – die ihrer Arbeit ehrenamtlich machen – professionell unterstützt. Dabei sollen auch Verbände, Kammern und die Forschung einbezogen werden. Wir sind gerade dabei eine solche Organisation gemeinsam mit den Gewerbe- und Handelsinitiativen auf den Weg zu bringen. Wie sie genau aussehen wird, klären wir in den nächsten Wochen."
Vorgeschlagen wurde mit einem Verein eine professionelle und gleichzeitig bewährte Struktur zur Umsetzung der Maßnahmen zu gründen. Der Verein soll die ehrenamtlichen Strukturen der Handelsinitiativen einbeziehen und diese stärken.
Nürnberg steht gut da
Nürnberg hat als Einkaufsstadt große Anziehungskraft, gerade auch im bundesweiten Vergleich der größten deutschen Städte. So erreicht Nürnberg den Spitzenplatz bei der Einkaufszentralität der Großstädte ab 350.000 Einwohner, d.h. der Handelsplatz ist bis weit in die Metropolregion hinein und darüber hinaus sehr attraktiv. Dies macht sich auch in der Beschäftigungswirkung und beim Gewerbesteueraufkommen bemerkbar: Über 37.000 der am Arbeitsort Nürnberg sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind im Handel tätig. Das entspricht einem Beschäftigtenanteil des Handels an der Gesamtbeschäftigung in Nürnberg von 12 Prozent. Der Nürnberger Handel trägt mit 55 Millionen Euro zum Gewerbesteueraufkommen des städtischen Haushalts bei. Damit hat der Handel am Gewerbesteueraufkommen in Nürnberg einen Anteil von 13 Prozent (inkl. Kfz-Handel und Reparaturen).
Unterstützung des Einzelhandels
Bereits im Jahr 2016 hat das Wirtschaftsreferat ein City Management eingerichtet, um den stationären Einzelhandel zu unterstützen. Die Beratungen zu Aufbau und Vernetzung, zu Öffentlichkeitsarbeit und Marketing und zu digitalen Angeboten zeigten Wirkung. Mit Hilfe des City Managements wurde der City Management Circle aufgebaut. Ihm gehören Handelsinitiativen bzw. Gewerbevereine im Stadtgebiet, der Handelsverband HBE, DEHOGA, Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken (IHK), Handwerkskammer Mittelfranken (HWK), Kreishandwerkerschaft Nürnberg (KHW) und Congress- und Tourismuszentrale (CTZ) an. Das City Management unterstützte Projekte der Handelsinitiativen, so die Einkaufsnacht anlässlich der ION-Nacht 2018 und 2019, das Maifest am Aufseßplatz, das Sommerfest am Schillerplatz, Projekte zu Sauberkeit und Bepflanzung der Fußgängerzone von Händlern aus der Kaiserstraße.
Unsere Metropole
Nürnberg wird von 81 Prozent der in Nürnberg und im Nürnberger Umland lebenden Befragten als „Metropole der Region“ bezeichnet. Nennenswerte Unterschiede zwischen den Bewohnern Nürnbergs und den Bewohnern im Umland bestehen dabei nicht. Die Verankerung als Metropole ist aber bei Älteren (84 Prozent in der Gruppe 50+) leicht höher ausgeprägt als bei Jüngeren (77 Prozent in der Gruppe der unter 30-Jährigen). Jedoch wird die Stadt vergleichsweise selten als „zukunftsorientiert“ oder „jung und dynamisch“ wahrgenommen. Der Anteil an Besuchern, für die Veranstaltungen ein Grund sind, Nürnberg häufiger aufzusuchen, liegt bei 68 Prozent. Bei bis 25-Jährigen bei 66 Prozent, bis 50-Jährigen bei 73 Prozent, bei über 50-Jährigen bei 64 Prozent.
Die Herausforderungen
• Rund jeder zweite Konsument (49 %) zählt heute zur Gruppe der „selektiven Onlineshopper“, die je nach Produkt oder Situation zwischen On- und Offlinekanälen wechseln und die Kanäle vielfach miteinander kombinieren.
• Der Anteil der „traditionellen Handelskäufer“, d. h. der Konsumenten, die nicht (gerne) im Internet einkaufen, ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Lag er 2012 noch bei über 50 Prozent, hat sich der Wert bis heute mehr als halbiert.
• Der Anteil der „begeisterten Onlineshopper“ liegt bei 28 Prozent und ist im Vergleich zu 2017 wieder deutlich gestiegen.
Aktuelle Trends
• Entschleunigung – Im Zuge immer schnellerer technologischer Entwicklungen sehnt sich der Konsument nach Entschleunigung, um sich vom stressigen Alltag zu erholen.
• Community-Trend – Ganz im Sinne der Entschleunigung und auch häufigen Wertschätzung von immateriellen Erlebnissen, finden viele Konsumenten Gefallen daran, sich beruflich oder privat Aufgaben zu widmen, die einen gesellschaftlichen oder zumindest gemeinschaftlichen Sinn haben. So beispielsweise ehrenamtliches Engagement in der Nachbarschaft.
• Natur, Nachhaltigkeit, Regionalität und Gesundheit – Nach der Welle des schnellen, unbedachten Fast-Foods und einem Lebensstil des „höher, schneller, weiter“ erfolgt nun eine gewisse Rückbesinnung auf Themen wie Natur, Nachhaltigkeit, Regionalität und Gesundheit.
• Ökologie – Als Teil der Rückbesinnung zur Natur wird deren Wert neu entdeckt. Im Rahmen des Themas Klimawandel entsteht eine neue Verbindung zu Natur und natürlicher Lebensweisen. Es wird versucht, die Natur ins eigene Leben und Umfeld zu integrieren: Urban Gardening, Selbstversorgung, Schrebergärten oder eigene Bienenstöcke sind hier Beispiele. Weiterhin der Versuch, den eigenen Fußabdruck möglichst gering zu halten, u.a. durch nachhaltigen Konsum (Unverpackt Laden, Bioladen) oder eine Zero-Waste Lebensweise (Vermeidung von nicht-organischem Abfall).
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