MdB Dagmar Wöhrl: Facebook Shitstorm wegen Kopftuchbild
Hass darf nicht salonfähig werden - Solidarität von Kollegin Gabriela Heinrich, SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Nürnberg-Nord - Statement von MdB Dagmar G. Wöhrl zu den Hintergründen
NÜRNBERG (nf) - In der letzten Woche reiste die Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dagmar G. Wöhrl, zusammen mit ihrer Kollegin und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth zu außenpolitischen Gesprächen in den Iran. Besonders ein von Dagmar Wöhrl gepostetes Bild auf Facebook löste einen wahren Shitstorm aus: Es zeigt Dagmar Wöhrl und Claudia Roth, die bei den Gesprächen Kopftuch tragen.
Dagmar Wöhrl gab jetzt ein Statement zu dem Facebook-Shitstorm ab:
„Als aktive Politikerin bin ich inzwischen den einen oder anderen Shitstorm gewohnt und ich muss auch sagen, dass mich derart undifferenzierte Kommentare wenig treffen oder gar beleidigen. Viel interessanter für mich sind die Kommentare mit substantieller Kritik, die ich durchaus in meine Arbeit und meine Meinungsbildungsprozesse einfließen lassen.
Der Shitstorm über ein Foto von mir von meiner Iranreise, welches mich mit Kopftuch zeigt, hat jedoch eine andere Dimension. Wenn Menschen mir wünschen, ich solle „geköpft, massenvergewaltigt oder ausgepeitscht“ werden und ich hier noch relativ harmlose Kommentare von meiner Facebook-Seite zitiere, hat das nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun. Hier bewegen wir uns im strafrechtlichen Bereich.
Wenn die Diskussionen rund um Pegida in den letzten Wochen eines bewirkt haben, dann, dass die Hemmschwelle zu Beleidigungen gegenüber Politikern oder Medien gesunken ist. Unter dem Deckmantel „Man wird ja mal noch sagen dürfen…“ schlagen einem immer öfter menschenverachtende, ausländerfeindliche und maßlose Beleidigungen entgegen.
Ich habe vollstes Verständnis, wenn Menschen über Politik und ihre Überzeugungen für den richtigen Weg für unser Land diskutieren möchten. Wenn wir aber neben Frustabbau auch zu echten Ergebnissen kommen möchten, wären etwas weniger blinde Wut und mehr Respekt und Würde sinnvoll.“
Warum reisten Dagmar Wöhrl und Claudia Roth überhaupt in den Iran?
„Ich habe mit dem iranischen Botschafter in Berlin in den letzten Jahren mehrfach über die Inhaftierung von Soltani gesprochen, hatte aber das Gefühl hierdurch wenig erreichen zu können. In den Dialog mit Verantwortlichen vor Ort zu treten, ist immer etwas anderes, als Gespräche von zu Hause aus zu führen. Wenn man sich auch einmal die Medienberichterstattung innerhalb des Irans über unsere Reise ansieht und wie kontrovers darüber im Iran diskutiert wird, dann waren diese Tage in Teheran ein richtiges Zeichen. Wir haben auch viel positives Feedback von Menschenrechtlern und der Zivilgesellschaft bekommen, denen unsere Reise Mut gemacht hat. Der Iran möchte, dass Deutschland und die Europäische Union ihre Sanktionen wegen des Atomprogramms einstellen. Ich habe in all meinen Gesprächen klar gemacht, dass hierzu nicht nur unsere Bedingungen bzgl. des Endes des iranischen Atomprogramms erfüllt sein müssen, sondern wir auch auf die Einhaltung von Menschenrechten bestehen. Für mich ist es wichtig, dass die politisch Verantwortlichen im Iran sehr genau verstehen, dass eine stärkere internationale Kooperation an mehrere Bedingungen geknüpft sein wird und Menschenrechte für uns ganz oben auf der Agenda stehen. Wie auf allen Krisenherden in dieser Welt, bekommen wir Bewegung in festgefahrenen Strukturen nur durch Dialog.“
„Als Nürnberger Bundestagsabgeordnete bewegt mich das Schicksal des Nürnberger Menschenrechtspreisträgers Abdolfattah Soltani, der im Iran inhaftiert ist, besonders. Deshalb setze ich mich für dessen Freilassung auch seit Jahren auf verschiedensten politischen Ebenen ein. Nun hat sich die Möglichkeit ergeben, dass ich direkt vor Ort im Iran dieses Thema ansprechen kann und diese Chance wollte ich nicht ungenützt lassen. Dadurch war es möglich, dass das Schicksal von Soltani wieder einmal Erwähnung in der iranischen Öffentlichkeit gefunden hat. Ein weiteres Problem, welches Hand in Hand mit einer Inhaftierung geht, ist, dass die Schicksale vieler Menschen im Iran Gefahr laufen, in Vergessenheit zu geraten. Diese zeitliche Spirale wollte ich mit meiner Reise durchbrechen und gleichzeitig ein Signal an die Zivilgesellschaft senden: Seht her, wir vergessen Euch nicht!“
Gabriela Heinrich, SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Nürnberg-Nord, solidarisiert sich mit ihrer Kollegin Dagmar Wöhrl, die mit den Auswirkungen eines Shitstorms auf Facebook zu kämpfen hat:
„Was im Moment auf der Facebook-Seite meiner Kollegin zu lesen ist, ist menschenverachtend und grotesk“, beschreibt Gabriela Heinrich ihre Eindrücke. „Man kann geteilter Meinung sein, ob sich eine Frau aus Westeuropa im Iran ein Kopftuch aufsetzt oder nicht. Aber blinder Hass und strafrechtlich relevante Aufrufe zur Gewalt bis hin zur Tötung haben im Netz nichts verloren“, so Gabriela Heinrich.
Dagmar Wöhrl hatte versucht, etwas für den inhaftierten Menschenrechtspreisträger Abdolfattah Soltani zu erreichen: „Das ist lobenswert und darf kein Grund zur Beschimpfung weit unterhalb der Gürtellinie sein.“
Hintergrund:
Gabriela Heinrich vertritt Deutschland künftig beim „No Hate Speech Movement“, einer Initiative des Europarats, die Hassreden im Internet bekämpft. Gabriela Heinrich beobachtet seit einiger Zeit sinkendes Niveau und steigenden Hass im Internet: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Hass salonfähig wird, auch nicht in Zeiten von Pegida.“
http://www.nohatespeechmovement.org.
Autor:Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg |
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