IHK-Konjunkturklima ++ Abwärtstrend gestoppt
Mittelfränkische Wirtschaft ist wieder zuversichtlicher
NÜRNBERG (pm/nf) - Die mittelfränkische Wirtschaft hat den Abwärtstrend gestoppt, den der IHK- Konjunkturklimaindex seit seinem Höchststand vor genau zwei Jahren vollzogen hat. Dennoch bleibt das konjunkturelle Bild gespalten: In der Industrie wächst die Zuversicht wieder etwas. Baugewerbe und unternehmensnahe Dienstleister bleiben die Stützen der Konjunktur. Zurückhaltender ist die Stimmung dagegen im Handel und bei den verbrauchernahen Dienstleistern. Das sind zentrale Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage zu Jahresbeginn 2020.
Bei den IHK-Konjunkturumfragen im vergangenen Jahr standen noch die weltwirtschaftli- chen Herausforderungen im Mittelpunkt und drückten auf die Stimmung. Nun schöpfen die Unternehmen zusehends wieder Hoffnung, dass diese Rahmenbedingungen doch nicht so stark auf die eigenen Geschäfte durchschlagen. Dieser leichte Stimmungsum-schwung spiegelt sich auch in der Entwicklung des IHK-Konjunkturklimaindex wider: Während dieser vor zwei Jahren noch einen Höchststand von 138,0 erreicht hatte, war er bei der Herbstumfrage 2019 auf 111,7 Punkte gesunken. Nun hat sich der Indexwert wie- der erholt und liegt zu Beginn des Jahres 2020 bei 116,8 Punkten.
Die Unsicherheitsfaktoren Brexit, EU-Stabilität und weltweite Handelskonflikte, die den Unternehmen im vergangenen Jahr besonders Sorgen gemacht hatten, verloren bei der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage etwas an Bedeutung. Als größte gesamtwirtschaftliche Herausforderung sehen die Befragten weiterhin den Fachkräftemangel (genannt von 58 Prozent der Befragten), gefolgt von Inlandsnachfrage (53 Prozent) und wirtschaftspolitischen Risiken (50 Prozent). Dabei steht der strukturelle Umbruch in der Automobilwirtschaft auf dem Weg zur Dekarbonisierung im Vordergrund.
Die mittelfränkische Wirtschaft beurteilt ihre aktuelle Geschäftslage weiterhin ausgesprochen positiv: So bezeichnen 45 Prozent der Betriebe die Lage als gut, weitere 40 Prozent sind zufrieden, 15 Prozent schätzen die Lage schlecht ein. Der sich daraus ergebende Saldo von +30 Punkten liegt damit zwar um 18 Punkte niedriger als vor einem Jahr, aber bereits wieder um 4 Punkte höher als im letzten Herbst. Obwohl gerade in der Industrie die Auslandsumsätze in den letzten Monaten vielfach rückläufig waren, ermöglichen es kurzfristige Maßnahmen zur Kostensenkung und Kapazitätsanpassung, die aktuelle Wachstumsdelle nach Jahren des kräftigen Aufschwungs zu überbrücken.
In den mittelfränkischen Teilregionen gibt es teilweise deutliche Abweichungen vom IHK- Konjunkturklimaindex, der zum Jahresbeginn 2020 bei 116,8 Punkten liegt. Nahe an diesem Durchschnittswert liegen das südöstliche Mittelfranken (Schwabach / Roth / Nürnberger Land: 117,9) und die Bezirke der IHK-Geschäftsstellen Fürth (117,8) und Erlangen (114,4). Klar besser als der Durchschnitt entwickelt sich die Stadt Nürnberg (125,0), deutlich schwächer dagegen Westmittelfranken mit 104,9 Punkten. Diese unterschiedliche Entwicklung lässt sich im Allgemeinen mit der Branchenstruktur vor Ort erklären: In denkreisfreien Städten haben die boomenden unternehmensnahen Dienstleistungen ein größeres Gewicht, während die westmittelfränkischen Landkreise und auch Erlangen- Höchstadt einen vergleichsweise hohen Anteil des produzierenden Gewerbes aufweisen, das die aktuellen Herausforderungen am deutlichsten spürt.
Auch der Blick auf die Geschäftserwartungen der mittelfränkischen Betriebe belegt, dass die Zuversicht zurückgekehrt ist. Waren die Erwartungen im vergangenen Herbst erstmals seit der Finanzkrise wieder ins Minus gerutscht, erholt sich die Stimmung zu Jahresbeginn. Unverändert 65 Prozent der Befragten erwarten gleichbleibende Geschäfte. Der Anteil der Optimisten ist von 17 auf 20 Prozent gestiegen, zugleich erwarten nur noch 15 Prozent eine Verschlechterung ihrer Geschäftslage. Damit ergibt sich ein Saldo der Geschäftserwartungen von +5 Punkten (Herbst 2019: -1 Punkt). „Dieses gestärkte Vertrauen spricht deutlich gegen ein Rezessionsszenario. Wir gehen deshalb eher von einem allmählich zunehmenden Wachstumstempo aus“, so IHK-Präsident Dirk von Vopelius. Vergleichbaren Stimmungsumschwüngen seien in der Vergangenheit fast immer auch die realen Wirtschaftsentwicklungen gefolgt.
Das Investitionsklima hat sich gegenüber dem Herbst kaum verändert und spiegelt die zurückhaltend freundliche Stimmung in der mittelfränkischen Wirtschaft. Vor dem Hinter- grund eines rückläufigen Auftragsvolumens und der Erwartung eines nur langsam anzie- henden Wachstumstempos zögern viele Betriebe, ihre Investitionsbudgets deutlich zu erhöhen. Ersatzbeschaffungen werden als hauptsächliches Investitionsmotiv genannt, Rationalisierung und Umweltschutz spielen in jedem zweiten Industriebetrieb eine Rolle. Kapazitätserweiterungen und Innovationen werden am seltensten als Gründe für Investi- tionen angegeben. Der Saldo bei der Investitionsneigung liegt bei +13 Punkten (Herbst: +12 Punkte).
Zurückhaltend zeigen sich die Betriebe auch hinsichtlich ihrer Beschäftigungspläne: 15 Prozent der Befragten sehen wachsende Belegschaften vor, 68 Prozent wollen ihre Be- schäftigtenzahlen stabil halten, 17 Prozent planen eine Verringerung. Damit liegt der Sal- do der Beschäftigungspläne mit -2 Punkten nochmals um 3 Punkte unter dem Stand des vergangenen Herbstes und 10 Punkte niedriger als vor einem Jahr. Die Betriebe hatten oft schon im vergangenen Jahr Maßnahmen eingeleitet, um ihre Personalkapazitäten den gesunkenen Auftragseingängen anzupassen. Dies erfolgte in fast allen Fällen zunächst durch Arbeitszeit-Variationen und durch geringeren Einsatz von Zeitarbeit, ergänzt durch zurückhaltende Nachbesetzung von frei gewordenen Stellen. Fachkräfte-Engpässe be- hindern die Unternehmen aber weiterhin. „Nach einem Jahrzehnt der Beschäftigungszu- wächse und des Abbaus von Arbeitslosigkeit sehen wir zu Jahresbeginn 2020 keine Trendwende, sondern eine Stabilisierung auf hohem Niveau“, so IHK-Präsident Dirk von Vopelius.
Konjunkturklima nach Wirtschaftszweigen:
Industrie: Der Saldo aus „gut“- und „schlecht“-Urteilen zur Geschäftslage der Industrie-betriebe liegt kaum verändert bei +2 und damit um 45 Punkte unter dem Vorjahresstand. Weil die Aufträge aus dem In- und Ausland zurückgegangen sind, berichtet ein Drittel der Befragten von nicht mehr ausreichend ausgelasteten Kapazitäten. Am stärksten betroffen sind Vorleistungsproduzenten. Daher plant die mittelfränkische Industrie mit deutlich ge- ringeren Belegschaften als noch vor einem Jahr (Saldo -22; zu Jahresbeginn 2019 noch +15). Dennoch sind die Geschäftserwartungen der Industrie nun wieder von höherer Zu- versicht gekennzeichnet (Saldo + 11; Herbst: -7 Punkte). Die Investitionspläne folgen den Erwartungen und haben ebenfalls die Wende zurück ins Plus vollzogen (Saldo +3; Herbst -18). Zu Jahresbeginn 2020 schöpft die mittelfränkische Industrie also wieder Hoffnung.
Bauwirtschaft: Der Bau-Boom in Mittelfranken hält an. Die Bauwirtschaft kann mitdem Urteil über ihre Geschäftslage (Saldo +83 Punkte) zu Jahresbeginn 2020 die Abküh- lung vermeiden, die im Winterhalbjahr eigentlich zu erwarten ist. Das Auftragsvolumen im Wirtschafts- und im öffentlichem Bau blieb auf hohem Niveau, aus dem Wohnungsbau kamen zusätzliche Impulse. So berichten 87 Prozent der Befragten von voll ausgelasteten Kapazitäten. Auch die Geschäftserwartungen überwintern im Plus: Der Saldo von +12 Punkten liegt auf nahezu gleichem Niveau wie im Herbst und um 21 Punkte höher als vor einem Jahr. Bei den Beschäftigungsplänen unterscheidet sich der Saldo kaum vom Herbst-Ergebnis. Grund hierfür ist die äußerst angespannte Fachkräfte-Situation, die ein Aufstocken personeller Kapazitäten im Baugewerbe fast unmöglich macht. Ohne diese Erweiterungsoption verlieren auch die Investitionsabsichten an Schwung, bleiben aber mit einem Saldo von +6 von Zuversicht geprägt.
Handel: Im mittelfränkischen Handel ist die Lage besser als die Stimmung. Die Ein-schätzungen der Geschäftslage bleiben mit einem Saldo von +31 auf dem Niveau des vergangenen Herbstes. Dabei äußern sich Großhändler nochmals zufriedener als der Einzelhandel. Die Geschäftserwartungen verharren bei einem Saldo von -11 Punkten. Während sich Optimisten und Pessimisten unter Großhändlern und Handelsvertretern die Waage halten, dominiert im Einzelhandel Skepsis. Dabei kann das Online-Geschäft neue Chancen erschließen: Während die Umsätze im stationären Einzelhandel überwiegend gesunken sind, berichtet kein einziger der Befragten von rückläufigen Online-Umsätzen oder erwartet hier einen Rückgang. Doch die verhaltenen Investitionspläne (Saldo +6) und die rückläufigen Personalplanungen (Saldo -11) lassen keine Aufbruchsstimmung im Handel erwarten.
Unternehmensnahe Dienstleistungen: Die unternehmensnahen Dienstleistungenbehaupten ihre Rolle als wichtigster Motor für Wachstum und Beschäftigung in Mittelfran- ken und legen sogar nochmals zu. In der Einschätzung der Geschäftslage steigt der Sal- do gegenüber Herbst um 6 auf +48 Punkte, die Zuversicht wächst noch deutlicher (Saldo +26 nach +15). Die Befragten planen mit höheren Investitionen (Saldo +23 nach + 25) und – trotz merklicher Fachkräfte-Engpässe in vielen Dienstleistungsbranchen – noch- mals mit größeren Belegschaften (Saldo +31 nach +25). Immobilienwirtschaft, IT- und Beratungsdienstleistungen äußern sich auf hohem Niveau nochmals zuversichtlicher. Auffällig sind äußerst positive Signale aus dem besonders konjunktursensiblen Bereich Transport/Logistik. Dessen Erwartung zunehmender Aufträge lässt Rückschlüsse auf eine Fortsetzung des Wachstums der Kurier- und Expressdienste und insbesondere auf eine anziehende Industrieproduktion zu.
Verbrauchernahe Dienstleistungen: Die verbrauchernahen Dienstleistungen prä-sentieren sich zu Jahresbeginn 2020 gestärkt, aber noch skeptisch. So beurteilen 42 Pro- zent der Befragten ihre Lage als „gut“, 15 Prozent als „schlecht“. Der Saldo liegt um 14 Punkte über dem Herbstwert. Dagegen verharren die Salden in den drei zukunftsgerichte- ten Indikatoren Geschäftserwartungen, Investitions- und Beschäftigungspläne auf den jeweiligen Niveaus aus dem Herbst. Über ein Drittel der Befragten aus Tourismus und Gastgewerbe beklagt rückläufige Umsätze und unzureichend ausgelastete Kapazitäten. Dabei setzen sie auf wachsende Investitionsbudgets, ihre Belegschaften bleiben weitge- hend stabil, zumal neue Fachkräfte kaum zu finden sind. Zufriedener mit der aktuellen Situation, aber zurückhaltender hinsichtlich der künftigen Geschäftsentwicklung äußern sich auch Makler, Finanzdienstleister und Anbieter personenbezogener Dienstleistungen.
Ausblick
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im Jahr 2019 nach vorläufigen Zahlen um 0,6 Prozent gewachsen. Für 2020 sehen die meisten Prognosen ein leicht anziehendes Wachstumstempo und einen BIP-Zuwachs von etwa 1,0 Prozent. Von der Auslandsnachfrage werden kaum frische Impulse erwartet. Eine Schlüsselrolle kommt der weiteren Entwicklung am Arbeitsmarkt zu: Sollten sich die Beschäftigungszuwächse und der Rückgang der Arbeitslosigkeit fortsetzen, würde dies die verfügbaren Einkommen weiter stärken und zugleich Ausgabenspielräume für Investitionen in den öffentlichen Haushalten schaffen.
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