Dr. Josef Schuster vom Zentralrat der Juden in Deutschland im Presseclub
,,Nürnberg geht vorbildlich mit seiner Vergangenheit um!"
NÜRNBERG (mask) – Attacken auf Juden häufen sich. Schüler werden gemobbt, Gastwirte angegriffen – mitten in Deutschland. Woher der Antisemitismus seine neue Nahrung hat, darauf gab im Presseclub Nürnberg Dr. Josef Schuster (65) Auskunft. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland (seit 2014) arbeitet als Arzt für Innere Medizin in Würzburg.
„Wir erleben, dass sich der eine oder andere wieder zu sagen traut, was er sich vorher nicht getraut hat", so Dr. Josef Schuster, der ständig von Leibwächtern begleitet wird (,,man gewöhnt sich daran"). Schon bei seiner Wiederwahl 2018 sagte er, dass der Antisemitismus in Deutschland ein Ausmaß angenommen habe, dass er sich ,,vor zehn Jahren in Albträumen nicht habe träumen lassen". Vor allem mit der AfD geht Schuster hart ins Gericht: „Hier werden rote Linien verschoben. Der Weg vom Wort zur Tat ist nicht so weit.“
20 Prozent der Deutschen, so weiß man, denken antisemitisch. Woher kommt das? Schuster: ,,Die Geschichte der Juden ist seit Jahrhunderten von Verfolgung geprägt. Um den Ersten Weltkrieg herum hatten die Juden gemeint, anerkannt und voll integriert zu sein. Ich bin überzeugt, dass ein Punkt dabei bei den beiden großen christlichen Kirchen liegt: Was an Vorbehalten gegen Juden von den Kanzeln gepredigt wurde – ich bin sicher, dass das bis heute nachwirkt." Generell mache alles, was man nicht kennt, den Menschen Furcht. Schuster: ,,In Bayern gibt es 13 jüdische Gemeinden. Bundesweit sind unter 80 Millionen Deutschen nur 100.000 Juden – mit denen kommt ,Otto Normalverbraucher' also nicht unbedingt bewusst in Kontakt.“ Dem Antisemitismus durch arabischstämmige Migranten könne man nur durch Integration begegnen. ,,Integration heißt aber keine Akzeptanz von Antisemitismus", so Schuster. ,,Das dauert eine Generation!"
Die Stadt Nürnberg gehe offen und positiv mit ihrer dunklen Vergangenheit um. ,,Sie beschreitet seit vielen Jahren den Weg, nichts totzuschweigen. Das hielte ich auch für
falsch. Nürnberg handelt vorbildlich!“ Auch sei die Isrealitische Kultusgemeinde in der Noris vorbildlich: ,,Dort arbeitet mit dem Sohn von Arno Hamburger natürlich auch jemand, der das als Kind schon vom Vater gelernt hat. Mir wäre es auch lieber, wenn die Kollegen in Fürth eine etwas offenere Art hätten. Das sind auf bayerischer Ebene zwei Extreme."
Schmunzelnd verriet Schuster, dass trotz der 613 Ge- und Verbote am Sabbat die Juden sich durchaus zu helfen wissen, damit umzugehen: ,,Arbeiten ist strikt verboten. Sogar das Betätigen eines Lichtschalters fällt darunter. Es ist verboten. Der Verkäufer der vielen Zeitschaltuhren im Würzburger Gemeindezentrum freut sich darüber noch heute." Auch sein Rabbiner bewahre Augenmaß: ,,Er ist weiß Gott orthodox. Aber er sagt: ich bin doch nicht der Polizist Gottes und frage die Leute, wie sie in den Gottesdienst gekommen sind." Autofahren ist am Sabbat nämlich auch verboten. Doch der Rabbiner sehe die Sache so: ,,Hauptsache sie sind da." Schuster lächelnd: ,,Also da gibt’s durchaus einen gewissen Pragmatismus..."
Autor:Peter Maskow aus Nürnberg |
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