Minus von 3,3 Mio Euro
Tiergarten Nürnberg in Zeiten von Corona
NÜRNBERG (pm/nf) - Auch für den Tiergarten der Stadt Nürnberg endete das Jahr 2020 mit wirtschaftlichen Einbußen und einem deutlichen Rückgang bei den Besuchen. Die insgesamt viermonatige (115 Kalendertage) Schließung mit je zwei Monaten im Frühjahr und im Winter infolge der Pandemie brachte den städtischen Zoo in eine angespannte Situation, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter forderte.
Großen Rückhalt erfuhr der Tiergarten vom Verein der Tiergartenfreunde Nürnberg e.V. Die Zahl der Mitgliedschaften entwickelte sich sehr erfreulich wie auch die Unterstützung durch die Tierpatenschaften. Bundesweite Aufmerksamkeit erreichte der Tiergarten Nürnberg durch die von Tiergartendirektor Dr. Dag Encke angestoßene Debatte um das mögliche Töten von Tieren im Rahmen des Populationsmanagements. Im Fokus: der Umgang mit dem möglicherweise unfruchtbaren Asiatischen Löwen Subali.
COVID-19
Zum Schutz vor Ansteckung mit dem Corona-Virus ergriff der Tiergarten Nürnberg nach der ersten Schließung ab dem 11. Mai umfangreiche Hygieneanstrengungen wie auch Maßnahmen, um die Besucherströme zu kanalisieren. Bis 22. Juni war die maximale gleichzeitige Besucherzahl auf 3.250 Gäste begrenzt, danach wurde sie auf 6.500 (laufende Zählung) verdoppelt. Um Wartezeiten zu vermeiden, wurde die Anzahl der Besucherinnen und Besucher stets aktuell auf der Internetseite des Tiergartens veröffentlicht. Die coronainduzierten Kosten, etwa für die Anschaffung von Leitgittern und Vorrichtungen zum Schutz der Mitarbeitenden sowie die Kosten für zusätzliches Kontrollpersonal belaufen sich mit Stand 18. Januar 2021 auf 128.000 Euro. Zum 1. Juli führte der Tiergarten einen Online-Ticketverkauf ein. Die Eintrittskarten und Gutscheine für den Tiergarten können über die Internetseite des Tiergartens unter tiergarten.nuernberg.de erworben werden. Bis Ende 2020 gingen insgesamt 16.520 Bestellungen über den Onlineshop ein.
Besucher- und Geschäftszahlen
Im abgelaufenen Jahr verzeichnete der Tiergarten Nürnberg803.528 Besuche und damit einen Rückgang von einem Drittel (-34 Prozent) gegenüber dem Vorjahr (1,22 Millionen Besuche im Jahr 2019). Das Umsatzminus beläuft sich im Jahresvergleich auf 3,3 Millionen Euro. Im Jahr 2020 belief sich der Jahresertrag auf 7,27 Millionen Euro (2019: 11,73 Millionen Euro, Stand: 27. Januar 2021). Entstanden ist das Minus durch Eintrittsausfälle (2,8 Millionen Euro), entgangene Pachteinnahmen (240.000 Euro) und Vermietungen (107.000 Euro) wie auch fehlende Zootouren (229.000 Euro).
Das Spendenaufkommen betrug 2020 gut 1,1 Millionen Euro und wurde vor allem durch einen großen Nachlass getragen.Einen bedeutenden wirtschaftlichen Rückhalt stellt der Verein der Tiergartenfreunde Nürnberg e.V. dar. Dieser konnte zum Jahresende 2020 insgesamt 4.572 Mitgliedschaften (2019: 4.113) und damit ein Plus von zehn Prozent zählen. Hinter einer Mehrfach-Mitgliedschaft (Familien) stehen gemittelt 3,5 Menschen, sodass rein rechnerisch gut 10.750 Menschen den Tiergarten und seine Arbeit fördern. 2020 verzeichnete der Verein mit 669 Neueintritten einen Rekordwert.
Im vergangenen Jahr konnte durch insgesamt 1.233 Tierpaten (2019: 917) eine Spendensumme von 203.571 Euro (2019: 161.551 Euro) eingesammelt und damit ein Zuwachs von 20,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr erzielt werden.
Tierbestand und Artenschutz - Freud und Leid
Der Tierbestand erreichte 2020 zum Jahresende 6.824 Tiere (2019: 6.414) aus 310 Arten (2019: 320), davon 232 Wirbeltierarten (2019: 239) mit 2 708 Individuen (2019: 2.982).
Zu den bedeutenden Veränderungen im Tierbestand zählen die Geburt des zweiten Gorilla-Jungtiers, die ersten Geburten bei den Kulanen seit acht Jahren, der Zugang eines Moschustieres aus dem Zoo Leipzig, zweier Kronenmakis, sowie der Zugang eines jungen Harpyien-Paars aus einer Zuchtstation in Brasilien.
Freud und Leid liegen jedoch auch bei der Haltung von Tieren oft dicht beieinander, so sind im vergangenen Jahr auch einige Charaktertiere des Tiergartens gestorben. Dazu gehört das Flachlandtapir-Weibchen Daisy, das im Mai 2020 mit 38 Jahren als ältester Flachlandtapir in europäischen Zoos verstarb. Mit Daisy endet die Haltung dieser Tierart im Tiergarten Nürnberg, ihr Partner wird demnächst im Rahmen des Erhaltungszuchtprogramms an einen anderen Zoo abgegeben.
Ebenfalls zu Todesfällen zählen die beiden Hirscheber, die erst Ende 2019 in den Tiergarten gekommen sind. Beide Tiere starben innerhalb sehr kurzer Zeit an einer bakteriellen Infektion. Zukünftig werden aber wieder Hirscheber im Tiergarten gehalten werden. Mit dem 37-jährigen Großen Tümmler Anke und dem 1976 in Kamerun geborenen Gorillaweibchen Lena verstarben 2020 weitere Charaktertiere des Tiergartens.
Am 13. Oktober 2020 brachte Gorillaweibchen Louna ihren Sohn Akono zur Welt. Die Gorillagruppe um den Silberrücken Thomas harmoniert sehr gut. Außerdem hat der Tiergarten Nürnberg bis Frühjahr 2020 seine Gorillaaußenanlage komplett saniert und für die Gorillagruppe wie auch die Berberaffen wieder geöffnet. Besonders der Ende 2019 geborene Gorilla Kato wurde hier zu einem der Besucherlieblinge schlechthin.
Kronenmakis kamen als neue Tierart in den Tiergarten und die erste Nachzucht wurde verbucht. Mit der Haltung dieser bedrohten Lemurenart möchte der Tiergarten auch auf die prekäre Situation der Tierart auf Madagaskar aufmerksam machen. Denn rund 30 Prozent der nur dort lebenden Lemuren werden als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft.
Lokale Artenschutzprojekte
Beim Artenschutz vor der Haustür sind eine Feuersalamander-Rettungsaktion für die Obere Naturschutzbehörde Oberfranken zu nennen. Dabei geht es um die Bekämpfung des Pilzes Bsal, einer tödlichen Tierseuche, die erstmalig im Steigerwald festgestellt wurde. Die ersten Feuersalamander befinden sich bereits im Tiergarten, zukünftig soll im Rahmen eines großen Gemeinschaftsprojekts unter Einbeziehung auch privater Tierhalter und mehrerer Universitäten eine Erhaltungszucht in menschlicher Obhut für diese Tierart aufgebaut werden.
In der Metropolregion Nürnberg hat der Tiergarten erstmalig am Schmausenbuck geschlüpfte Habichtskäuze in ein Auswilderungsprojekt im Naturpark Steinwald abgegeben. Geografisch etwas weiter weg liegt ein Wiederansiedelungsprojekt für Europäische Sumpfschildkröten, an dem sich der Tiergarten seit dem vergangenen Jahr beteiligt. Hierbei sollen im Zoo herangewachsene Sumpfschildkröten an der bayerisch- hessischen Grenze ausgewildert werden. Die Europäische Sumpfschildkröte ist die einzige Schildkröten-Art, die natürlicherweise in Deutschland vorkommt, hier allerdings akut vom Aussterben bedroht ist. Über die Landesgrenze hinaus haben es wieder Europäische Ziesel geschafft, die – fast schon traditionell für den Tiergarten – im Nachbarland Tschechien ausgewildert wurden.
Als Teil einer umfassenden Arbeitsgruppe war der Tiergarten Nürnberg 2020 an der Entwicklung der „Baum- und Waldstrategie für die Stadt Nürnberg – Der Reichswald im Klimawandel“ beteiligt. Die Arbeitsgruppe besteht aus Vertretern der beiden Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Fürth und Roth, verschiedenen Stellen der Stadt Nürnberg – wie dem Umweltamt, dem für die städtischen Wälder zuständigen Tiergarten und dem Servicebetrieb Öffentlicher Raum Nürnberg – sowie des Forstbetriebs Nürnberg der Bayerischen Staatsforsten.
Forschung
Im Mai stellten die Artenschutzgesellschaft Yaqu Pacha e.V, der Tiergarten Nürnberg und der Verein der Tiergartenfreunde e.V. ihre neue gemeinsame Internetplattform „Forschen-Handel-Erhalten.de“ online. Dort finden sich die Forschungs- und Artenschutzprojekte unter Beteiligung des Tiergartens Nürnberg.2020 wurden im Tiergarten verschiedene Forschungsarbeiten durchgeführt. Durch die notwendigen Hygienemaßnahmen zum Schutz vor Ansteckung mit dem COVID-19-Virus und infolge der Schließungen des Tiergartens konnten auch viele zoopädagogische Angebote nur eingeschränkt oder gar nicht durchgeführt werden. Daher wurden von der Abteilung Zoopädagogik lediglich 2.953 Teilnehmende (2019: 16.614) in 359 Führungen (2019: 1.577) über Zoothemen informiert und mit Umweltbildung ausgerüstet.
Futterbedarf
Die Tiere im Tiergarten Nürnberg hatten einen äußerst vielfältigen und reichlichen Nahrungsbedarf. Die Futtermittel-Statistik erfasst Obst wie 8,3 Tonnen Äpfel, 210 Stück Ananas, 1,6 Tonnen Bananen,632 Kilogramm Orangen, 7.600 Kiwi, außerdem Gemüse wie 2,4 Tonnen Fenchel, 848 Kilogramm Broccoli, 1,5 Tonnen Chinakohl, 42,2 Tonnen Karotten, 13.050 Köpfe Salat, 17.600 Köpfe Endiviensalat, 3,3 Tonnen Paprika, 1,8 Tonnen Kartoffeln, 7,5 Tonnen Rote Rüben und beinhaltet neben 4.000 Eiern, 23 Tonnen Fleisch (davon Eigenversorgung durch 3,8 Tonnen verfütterter Zootiere) und 75,3 Tonnen Fisch sowie
270 Kilogramm Garnelen auch 65.300 Küken, 14.700 Mäuse und 4.500 Ratten sowie Grillen, Mehlwürmer, Obstfliegen und Quark.
Unter den selbst angebauten Futtermitteln spielten 58 Tonnen Runkelrüben (Eigenanbau in Mittelbüg) und 178,3 Tonnen Heu(90 Prozent aus eigenem Anbau) wieder eine bedeutende Rolle in der Gesamtversorgung. Zusätzlich wurden auf Gut Mittelbüg 821 Tonnen Grünfutter und 7 Tonnen Grünmais angebaut und 85 Silage-Ballen gewonnen (Hafer und Weizen wurden in 2020 nicht angebaut). Neben 17,7 Tonnen Kraftfutter für Wildtiere wurden 1,4 Tonnen Salzlecksteine eingekauft.
Personalie
Am 30. Juni ging Dr. Helmut Mägdefrau, stellvertretender Direktor und zoologischer Leiter, nach knapp 30-jähriger Dienstzeit im Tiergarten Nürnberg in den Ruhestand. Jörg Beckmann, Biologe und bislang Mägdefraus Stellvertreter als zoologischer Leiter, übernahm die Aufgabe des Vizedirektors.
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