Vorreiter Nürnberg: Lastenfahrrad statt Transporter im Praxistest
Im Video: Joachim Herrmann und Christian Vogel probieren eine Fahrt auf den Lastenrädern
NÜRNBERG (nf) - Weniger Schadstoffe, Lärmreduzierung und mehr Verkehrssicherheit: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, Nürnbergs Bürgermeister Christian Vogel, Wirtschaftsreferent Dr. Michael Fraas und Professor Dr. Ralf Bogdanski von der Technischen Hochschule Nürnberg gaben den Startschuss für ein neues Lastenfahrradprojekt.
In einem Praxistest auf dem Hauptmarkt wurden die Lastenfahrräder vorgestellt, die künftig mehr und mehr motorisierte Transporter ersetzen sollen. Bereits seit Dezember sind die Lastenräder von DPD und GLS in Nürnbergs Gassen unterwegs. Begleitet wird das Projekt von der Technischen Hochschule Nürnberg, die den Ablauf analysiert. Die konkreten Ergebnisse könnten später auf eine Vielzahl von Städten und Gemeinden in ganz Deutschland und Europa übertragen werden - Interesse besteht bereits. Finanziert wird die wissenschaftliche Begleitung des Projektes, das die besonders mit Feinstaub belastete Stadt Nürnberg entlasten soll, von der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (153.000 Euro), von der IHK Nürnberg für Mittelfranken und der Stadt Nürnberg (17.000 Euro gemeinsam). In dem Pilotprojekt sollen mit acht Fahrrädern bis Ende des Jahres sieben herkömmliche Transporter ersetzt werden. Die Transportunternehmen und auch Prof. Dr.-Ing. Ralf Bogdanski vom Kompetenzzentrum Logistik der Technischen Hochschule Nürnberg Georg-Simon-Ohm sind überzeugt, dass sich diese alternative Art der Paketzustellung auch wirtschaftlich trägt. In der Erprobungsphase sind die Lastenräder in der Altstadt und in der Südstadt unterwegs. Besonders in den Fußgängerzonen, in denen nur in begrenzten Zeiten angeliefert werden darf, könnten die Fahrradtransporter den ganzen Tag liefern und somit den kleineren Geschäften durch schnellen Nachschub in Zeiten des Onlinehandles den Kundenservice erleichtern.
Schwierig gestaltet sich hingegen die Suche nach so genannten Mikro-Depots, neben Anhängern und Container, vor allem leerstehende (Gewerbe-)Immobilien, in denen Pakete zwischengelagert werden können, so dass die Abholung und Zustellung zu Fuß mit Transporthilfen oder eben mit den Lastenrädern erfolgen kann.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann: ,,Ich unterstütze das Projekt gerne und bin allen Beteiligten dankbar, denn wir müssen zwingend die Lärm- und Schadstoffemissionen reduzieren. Wir haben auch keine Zeit mehr - die Logistikfrage muss umweltgerecht gelöst werden. Gerade mit dem Fahrrad ist man flexibler in der Innenstadt unterwegs und beeinträchtigt wesentlich weniger den Verkehr. Die Vorteile liegen auf der Hand."
Bürgermeister Christian Vogel, der übrigens seit gestern selbst einen Hybrid fährt, sieht Nürnberg generell als Vorreiter in Verkehrsfragen - vom Adler angefangen bis zur automatischen U-Bahn. Jetzt soll der moderne Paketdienst in Angriff genommen werden. ,,Nürnberg hat eine der größten zusammenhängenden Fußgängerzonen in Deutschland. Damit diese Fußgängerzone ihren Namen zu Recht trägt, ist die Belieferung mit Kraffahrzeugen nur bis 10.30 Uhr zugelassen. Mit dem neuen Konzept der Lastenräder kann den Wünschen der Ladeninhaber und den Bedürfnissen der Bewohner ideal und nachhaltig entsprochen werden. Die Reduzierung des Feinstaubs ist für uns dabei ein ganz zentrales Thema."
Wirtschaftsreferent Dr. Michael Fraas, dessen Geschäftsbereich seitens der Stadt die Federführung für das Projekt innehat und die Finanzierung des städtischen Anteils übernimmt, sieht es auch so. ,,Im Zuge des zunehmenden Online-Handels braucht der stationäre Einzelhandel innovative Logistik-Lösungen, um reaktionsschneller zu werden und kurzfristig Waren parat zu haben." Er verweist darauf, dass Nürnberg schon immer Pionierfunktion bei innovativen Citylogistik-Lösungen hat, wie das Beispiel des bundesweit bekannt gewordenen Projektes ISOLDE in den Jahren 1996 bis 1998 zeige.
Prof. Dr. Ralf Bogdanski, Technische Hochschule Nürnberg: ,,Unser Wissenschaftsteam hat anhand umfangreicher Datenerhebungen eine systematische Vorauswahl für geeignete Zustellgebiete definiert. Durch Zeitreihenanalysen der Sendungsstrukturen in diesen Gebieten konnten wir auch die Wirtschaftlichkeit des Konzeptes nachweisen. Das hat sich in zahlreichen Fahrversuchen bestätigt. Das Ziel ist, in den derzeitigen Zustellgebieten bis zu sieben konventionelle Fahrzeuge zu ersetzen. Das spart voraussichtlich 65 Kilogramm Stickoxide, acht Kilogramm Feinstaub und 56 Tonnen Treibhausgase jährlich ein. Weitere Vorteile: geringerer Verkehrsflächenbedarf, also kein Parken in zweiter Reihe, weniger Lärm und die positive Resonanz der Bevölkerung."
Gerd Seber, DPD Deutschland: ,,In Nürnberg haben wir mit unseren drei Lastenrädern bereits 5.000 Pakete zugestellt. Unsere ersten Erfahrungen sind ausgesprochen positiv. Lastenräder sind nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch praktischer und effizienter."
Dr. Martin Hermesch, GLS: ,,Wir stehen für qualitativ hochwertige Paketdienstleistungen - und dazu gehören auch zukunftsorientierte, nachhaltige Lösungen für die ,letzte Meile'. Wir haben sogar schon über Skater mit Rucksäcken nachgedacht. Herausforderung ist, entsprechende Immobilien für Depots zu finden um einen weiteren Zusatzservice für die Kunden anbieten zu können. Und zur Wirtschaftlichkeit: Das Paket sucht sich immer den günstigsten Weg..."
Im Video: Aller Anfang ist schwer... Um ein Lastenfahrrad sicher bewegen zu können, bedarf schon etwas Übung. Deshalb ein Hoch auf die Mitarbeiter der Logistikunternehmen, die schwer bepackte Lastenräder (1,5 Kubikmeter, 80 bis 90 Pakete) durch enge Gassen, bergauf, bergab und auf Kopfsteinpflaster sicher bewegen können!
Autor:Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg |
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