Wieder gefundene Pellerhof-Schätze kehren nach Nürnberg zurück
Wertvolle Pläne aus den 1930er und 40er Jahren tauchten in einem Münchener Aktionshaus auf – St. Martin Relief der Fassade verschwand nach dem Krieg spurlos
NÜRNBERG (nf) - Ein altes Sprichwort sagt, es gibt keine Zufälle. Und so konnten die Altstadtfreunde Nürnberg e.V. jetzt ein Konvolut von Plänen des Pellerhauses an das Nürnberger Stadtarchiv übergeben, die als Kriegsverlust galten. Die wiedergefundene, wertvolle Mappe enthielt 192 Handzeichnungen und Lichtpausen, die die vier Seiten des Pellerhauses wiedergeben. Den Glücksgriff machte der 1. Vorsitzende der Altstadtfreunde Karl-Heinz Enderle bei einer Versteigerung in München.
Enthalten sind in den Unterlagen auch Handrisse, die den Nachkriegszustand der Ruine bis 1948 dokumentieren. Die zum Teil großformatigen Gesamtdarstellungen einzelner Kompartimente des Hauses wurden genauso wie die kleineren Zeichnungen in den Jahren 1932 bis 1934 gefertigt, als der Innenhof des Pellerhauses renoviert wurde. Kaum zehn Jahre später war das Werk nachhaltig zerstört. Der kleinere Teil des Konvoluts (36 Blätter) zeigen erste Maßaufnahmen des Hauses nach dem Zweiten Weltkrieg, den Jahren 1945 bis 1948. ,,Bemerkenswert ist, dass unmittelbar nach dem Krieg eine erstaunliche Anzahl von Bauelementen des Hauses zeichnerisch aufgenommen wurden, die in späteren Jahren nicht mehr nachweisbar waren“, so Dr. Michael Diefenbacher, Leiter des Stadtarchivs Nürnberg. Die jetzt aufgetauchten Dokumente des Pellerhauses lagen in einer alten Mappe des Hochbauamtes der Stadt Nürnberg. Es konnte eindeutig belegt werden, dass die verschollenen Ansichten zu den bereits im Stadtarchiv Nürnberg vorhandenen Plänen gehören.
Auslöser für den spektakulären Fund war ein Hinweis per Mail, dass in München Pläne des Pellerhauses versteigert werden. Karl-Heinz Enderle machte sich sofort auf die Jagd: ,,Nach der Versicherung beim Stadtarchiv, dass es uns nicht in die Quere kommen würde, hatte ich die fest Absicht, diese Pläne zu erwerben.“ Doch nur einen Tag vor der Versteigerung der Querschuss von einem Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalschutz. ,,Er forderte das Nürnberger Amt auf, die Pläne beschlagnahmen zu lassen, weil sie als Archivgut aus dem Amt für Denkmalpflege dem Stadtarchiv gehören“, erzählt Karl-Heinz Enderle. ,,Um einen möglichen Rechtsstreit zu vermeiden, schlug ich den unbürokratischen Weg vor, die Dokumente zum Aufrufpreis (300 Euro) plus Aufrufgeld (75 Euro) außerhalb der Auktion zu erwerben, um sie dann dem Stadtarchiv zu übergeben.“ Doch die Auktionatorin lehnte Enderles Vorschlag ab, wollte die Mappe nur auf der Basis einer einstweiligen Verfügung aus der Auktion nehmen. Das Archiv wollte sich darauf nicht einlassen, ein Diebstahl der Mappe hätte nachgewiesen werden müssen. Also machte sich Karl-Heinz Enderle auf den Weg nach München, um erfolgreich samt Mappe wieder nach Nürnberg zurückzukehren. Überraschenderweise war die große Mappe etwa zehn Kilogramm schwer, die Enderle durch München bis zum Auto schleppen musste. Daheim angekommen, öffnete er die Mappe und verteilte die Zeichnungen auf dem Küchentisch, konnte sein Glück kaum fassen!
Die Mühe hat sich also gelohnt. Das eigentlich Sensationelle an dem Fund stellen die nach der Zerstörung des Hauses angefertigten Blätter dar. Sie beginnen am 25. November 1945 und dokumentieren die noch stehenden und heruntergefallenen Reste der Fassade. Von ihrer Existenz war bislang nichts bekannt. Das herausragende Stück ist die Aufnahme des Martins-Reliefs, bei dem sogar die Einstichlöcher des Punktiergerätes zu sehen sind. ,,Das zentral an der Fassade befindliche Relief war also nach der Zerstörung noch da und wurde wie viele andere Formsteine (auf Bildern deutlich zu sehen) beim Wiederaufbau des Hauses entsorgt!“, erklärt Enderle.
Die detailgenauen Pläne des Hofes aus der Zeit der Restaurierung der 30er Jahre wurden vom städtischen Mitarbeiter namens Jean Rohrich gefertigt und vom damaligen Leiter der Denkmalschutzbehörde Heinrich Bauer abgezeichnet. Der Zeichner der Skizzen ab 1945 ist unbekannt. Man kann nur spekulieren, warum die Mappe aus dem Hochbauamt nicht ihren Weg zurück fand. Vermuten könnte man, dass der Architekt Rudo Göschel (fertigte u.a. das Bühnenbild ,,Papst Clemens“ für das Opernhaus) nach Kriegsende den Auftrag hatte, historische Gebäude Nürnbergs zu erfassen zu vermessen. Möglicherweise hat Bauinspektor Heinrich Bauer vom Städtischen Bauamt die Mappe an Göschel zu diesem Zweck übergeben. Es sieht so aus, als sollte das Pellerhaus wieder aufgebaut werden. Doch in Zeiten schmaler Kassen, erhielten wohl Bauwerke wie u.a. das Rathaus, das Nassauer Haus, Fembohaus, Dürerhaus und die Kirchen Vorrang. Und eventuell wurden die noch vorhandenen Steine des Pellerhauses samt Dokumenten in die nahe gelegene Werkstatt Göschels verbracht. Eventuell spielte auch Enttäuschung eine Rolle, als 1953 die Entscheidung für einen modernen Wiederaufbau fiel. Letztendlich kamen die Pläne aus dem Nachlass Rudo Göschels nach dem Tod seiner Tochter in die Versteigerung. Von den weg gebrachten Resten des Pellerhauses fehlt jede Spur.
Für die Altstadtfreunde stellt der Fund einen großen Schatz dar. Sie bestätigen die nahezu abgeschlossene Rekonstruktion, machen aber auch deutlich, dass sie beim Wiederaufbau in den 1950er Jahren nicht zur Verfügung standen.
Noch wertvoller ist die bislang unbekannte Dokumentation der zerstörten Fassade. Wesentliche Teile wie Pilaster, Postamente, Kapitelle und Schlusssteine sind genau vermessen und gezeichnet. Wenn man bedenkt, erklärte Karl-Heinz Enderle, dass sich diese Architekturelemente auf der Fassade wiederholten, dann ist nun ein Großteil der verlorenen Fassade dokumentiert: ,,Die Maßangaben sind so genau, dass die Rekonstruktion der Fassade auf gesicherter Grundlage erfolgen kann, sollte eines Tages die Entscheidung fallen. Wir könnten morgen damit anfangen!“ Doch wie anfangs schon erwähnt, es gibt keine Zufälle, sagt man…
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