Wöhrl Beschäftigte streikten für Tarifverträge
NÜRNBERG (nf) - Streik der Wöhrl-Mitarbeiter vor dem Haupthaus des insolventen Modeunternehmens am Ludwigsplatz. Mit der Symbolik der ,,Tarifschutzanzüge" wollen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihrer Forderung nach Anerkennung des Tarifvertrags Nachdruck zu verleihen. Seit Jahren fordern die Beschäftigten den Schutz der Tarifbindung durch Tarifverträge im Einzelhandel. Der Wöhrl-Vorstand kann dagegen in der aktuellen Situation des Traditions-Modehauses „null Verständnis“ für ver.di-Proteste aufbringen. Dort sieht man es als wiederholten Versuch der Dienstleistungsgewerkschaft, sich während des Insolvenzverfahrens auf Kosten des Modeunternehmens zu profilieren.
Nach dem Demozug durch die Fußgängerzone und der Kundgebung in Nürnbergs Stadtmitte, starteten die Streikenden vor der Zentralverwaltung des Unternehmens in Langwasser die Aktion „Tarifschutzanzug – Wir lassen uns nicht mehr in die Taschen fassen! “. „Für die Wöhrl Beschäftigten ist der Tarifvertrag wirklich wie ein Schutzanzug. Aktuell haben sie einen garantierten Stundenlohn von maximal 12 Euro im Verkauf pro gearbeitete Stunde. Unternehmerrisiken, wie etwa umsatzschwache Zeiten, schlecht verkäufliche Ware und kurze Monate, tragen hier die Beschäftigten durch eine umsatzabhängige Prämie und einer Bezahlung nach Stunden. Das heißt, es gibt keine konstante berechenbare Entlohnung“, argumentierte Gabriele Ziegler ver.di-Streikleiterin in Franken.
Jaana Hampel, ver.di Gewerkschaftssekretärin für den Handel in Mittelfranken, fügte hinzu: „Für Herrn Greiner selbst, Sohn von Hans-Rudolf Wöhrl, ist die Unternehmensübernahme eingetütet. Er schrieb bereits mehrere MitarbeiterInnenbriefe und fordert bereits die Unterschriften der Beschäftigten zum Betriebsübergang ein. Ob er aber den, für die MitarbeiterInnen existenzsichernden Tarifvertrag anerkennen will, schreibt er in seinen Briefen nicht! Die Unternehmensleitung lehnt Tarifbindung ab.“
„Die MitarbeiterInnen wollen alle Sicherheiten die ein Tarifvertrag zu bieten hat. Geregelte Arbeitszeiten, Urlaubsdauer, Ausbildungsvergütungen, Sonderzahlungen, Zuschlagsregelungen, Kündigungsschutz für Ältere und Altersvorsorge. All die Mindeststandards, die der Tarif für den Handel bietet. Sie wollen jetzt eine klare Weichenstellung für Wöhrl. Kein Verzicht mehr zu Gunsten des Unternehmers, keine monatliche Existenzangst und keine Angst vor Altersarmut mehr“, so Hubert Thiermeyer, Landesfachbereichsleiter ver.di für den Handel in Bayern.
„Der bald neue Unternehmenseigner, Christian Greiner, schreibt von ,in einen kraftvollen Neuanfang starten, frei von Altlasten'. Davon können die MitarbeiterInnen nicht sprechen. Sie werden ihren Verzicht massiv in der Rente spüren, so Ziegler, und von dem hat in der Vergangenheit wohl die ganze Familie Wöhrl profitiert.
Tarifverträge schützen, und sie signalisieren Respekt und Wertschätzung für die Beschäftigten. Für ein Unternehmen hat dies enorme Bedeutung. „Leider hat Herr Hans Rudolf Wöhrl das nicht verstanden. Zur Überraschung der Streikenden erwartete der Alteigentümer den Demozug bereits und agitierte die Streikenden. Er versuchte die Kundgebung zu stören und scheute auch nicht davor zurück, Drohungen gegen die Streikenden auszusprechen“, so Ziegler. „Dieses Verhalten von Herrn Wöhrl macht mich wütend und enttäuscht zugleich. Solch ein Benehmen nach Gutsherrenart sollte heutzutage nicht mehr möglich sein. Überrascht bin ich ab nicht wirklich", so die ver.di Streikleiterin weiter. Jaana Hampel, Gewerkschaftssekretärin für den Handel in Mittelfranken, sagt: „Nachdem der Arbeitgeber am Vortag Wind von der Aktion bekommen hatte, wurden MitarbeiterInnen zu Einzelgesprächen ins Büro zitiert, so berichteten die MitarbeiterInnen und Betriebsräte.“
,,Wenig hilfreich und zielführend"
Dr. Christian Gerloff, Restrukturierungsvorstand der Rudolf Wöhrl AG: „Die Proteste kommen zu einer Unzeit. Wir befinden uns kurz vor dem erfolgreichen Abschluss der Sanierung, bei der mehr als 95 Prozent aller Arbeitsplätze der Wöhrl Gruppe erhalten werden können. Dies ist in Insolvenzverfahren alles andere als eine Selbstverständlichkeit. In dieser Situation für einen Tarifvertrag zu demonstrieren und auf Mitgliederfang zu gehen, zeugt von Verantwortungslosigkeit. Der Vorstand hat dafür null Verständnis.“
Christian Greiner, Investor und designierter neuer Eigentümer von Wöhrl : „Die Belegschaft von Wöhrl hat in den vergangenen schwierigen Monaten einen fantastischen Job gemacht. Mein Eindruck ist auch, dass der Vorstand während des Insolvenzverfahrens sehr darauf bedacht war, auf die sozialen Belange der Mitarbeiter so weit wie möglich Rücksicht zu nehmen. Unser aller Ziel muss es sein, nach dem Eigentümerwechsel die im Unternehmen vorhandene Aufbruchstimmung mitzunehmen und zu verstärken. Die heutigen Proteste halte ich dabei für wenig hilfreich und zielführend.“
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Autor:Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg |
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