Zukunft des bezahlbaren Wohnens gestalten
NÜRNBERG (pm/ak) - Regulationsdruck, Baukostenexplosion, Handwerkermangel, Ausgleich zwischen Stadt und Land – Problemfelder, mit denen sich Wohnungsunternehmen im Freistaat konfrontiert sehen gibt es derzeit zur Genüge. Im Rahmen eines WohWi-Talks hatten Mitgliedsunternehmen des VdW Bayern am 11. September im PresseClub Nürnberg Gelegenheit, mehr über Lösungsvorschläge aus Kommunal- und Landespolitik zu erfahren sowie eigene Fragen an die Diskutanten zu stellen.
Unter dem Thema „Bezahlbares Wohnen in Bayerns Städten und Gemeinden“ präsentierten fünf Gäste Ihre Einschätzungen zur Zukunft der sozial-orientierten Wohnungswirtschaft. Genauso facettenreich wie das Thema der Paneldiskussion waren die Hintergründe der Gesprächspartner. Als kommunale Vertreter waren Dr. Ulrich Maly, Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg sowie Thomas Zwingel, Erster Bürgermeister der Stadt Zirndorf und zweiter Vizepräsident des Bayerischen Gemeindetags, erschienen. Walter Nussel, MdL und Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für Bürokratieabbau steuert darüber hinaus Perspektiven aus der Landespolitik bei. Für die Wohnungswirtschaft saßen Peter Karmann, Geschäftsführer Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt sowie der Verbandsdirektor des VdW Bayern, Hans Maier, mit am Tisch. Unter der Moderation des Journalisten Rüdiger Baumann wurden eine Vielzahl an Herausforderungen an die bayerische Wohnungswirtschaft diskutiert. Neben Baukosten und Bürokratieabbau nahmen dabei der Handwerkermangel sowie Regulierungsvorschriften großen Raum ein.
Viel Verständnis für die Schwierigkeiten, denen sich die Branche durch umfangreichen Planungsvorschriften gegenübersieht, zeigte Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly: „Die Zeitspanne zwischen der Planung von Wohngebäuden bis zum ersten Spatenstich ist teilweise länger, als der restliche Bauprozess.“ Sequentielle Verfahren, das heißt, die Antragsbearbeitung durch unterschiedliche Behörden nacheinander, erhöhe Genehmigungszeiten, erspare der Verwaltung jedoch „Arbeit für den Papierkorb“ im Falle einer Einstellung des Planverfahrens. Unbeachtet dieser Abwägung warb Maly für flexible Standards statt starrer Regelungen. „Alle Akteure sind hierzu im Gespräch“, versicherte er. Den Ruf nach einem Abbau bürokratischer Anforderungen nahm Walter Nussel auf. Als Beauftragter für Bürokratieabbau in Bayern bewegt ihn dieses Thema ganz besonders. Er ist sich sicher: „Wer glaubt, mit immer mehr Richtlinien bessere Ergebnisse zu erhalten, ist meiner Meinung nach fehlgeleitet.“ Gerade im Bereich des Brand- und Klimaschutzes müsse man schauen, ob tatsächlich stets neue Vorschriften nötig sein. Nussel möchte sich hier zum einen verstärkt für „Praxischecks“ einsetzen, die helfen sollen, den Einfluss und die Kosten zukünftiger Regulierungen im Vorfeld detailliert abzuschätzen. Zum anderen möchte der Landtagsabgeordnete seine Rolle als Beauftragter für Bürokratieabbau auch außerhalb Bayerns nutzen und versprach, in Zukunft auch im Bund stärker darauf hinzuwirken, dass weniger neue Normen erlassen werden, sollten sie offensichtlich unnötig sein.
Neben der Belastung durch neue Vorschriften bewegt die Wohnungswirtschaft ganz besonders die Nachfrage nach bezahlbarem Bauland. Die jüngste Mitgliederbefragung des VdW Bayern ergab, dass gerade einmal 6 Prozent aller Verbandsmitglieder Bauland für ausreichend verfügbar halten. Auch Peter Karmann als Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt kennt das Problem zu genüge. Ingolstadt verfüge kaum noch über Bauflächen und auch eine Nachverdichtung im Bestand sei nur noch eingeschränkt möglich. „Für die Erschließung von neuen Flächen müssen wir in langen Perspektiven denken“, erklärte Karmann. Besonders wichtig ist in seinen Augen die genaue Marktbeobachtung: Wo soll in naher Zukunft ein Parkplatz aufgelöst, wo ein Haus abgerissen werden? Hier hieße es dann, schnell in die Planung zu gehen und ein Angebot parat zu haben, so der Geschäftsführer. Auch die neu im Planungsrecht geschaffene Möglichkeit, Gebäude in Gewerbegebieten in Wohneinheiten umzuwandeln, verdiene Aufmerksamkeit.
Auch in kleineren Kommunen wie der Kreisstadt Zirndorf ist die Wohnungslage durch die Nähe zu Nürnberg und Fürth angespannt. Bürgermeister Thomas Zwingel berichtete, dass sich in seiner Gemeinde derzeit „schlichtweg keine Bauflächen“ finden ließen. Für Landwirte, die größten Landeigner, sei es aufgrund steuerlicher Nachteile und der Lage an den Finanzmärkten momentan sehr unattraktiv, Bauland zu verkaufen. Allerdings würde auch seine Kommune viele Möglichkeiten ausschöpfen, um die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu unterstützen, etwa die Reduzierung der notwendig vorzuhaltenden Stellplätze pro Wohneinheit. Sein Wunsch an den Freistaat: Mehr Flexibilität beim Wohnungspakt Bayern und höhere Zuschüsse beim geförderten Wohnungsbau. Nur durch eine angemessene Förderung könnten kleinere Kommunen zu einer Entlastung der Großstädte beitragen.
Auch Hans Maier, Verbandsdirektor des VdW Bayern misst der Schaffung von attraktivem Wohnraum im Umland boomender Metropolen hohe Bedeutung für eine Entspannung des Wohnungsmarktes bei. Darüber hinaus fordert Maier einen Paradigmenwechsel im Vergaberecht: „Wohnungsgenossenschaften und sozial orientierte Wohnungsbaugesellschaften können sich im Bieterwettbewerb nach dem Höchstpreisprinzip nicht durchsetzen – wir brauchen die Konzeptvergabe.“ Gleichzeitig müsse durch das politische Bekenntnis zu einer langfristigen Wohnraumförderung Planungssicherheit für Wohnungsunternehmen und Handwerk hergestellt werden.
Neben höherer Planungssicherheit hatten Hans Maier und Peter Karmann als Vertreter der Wohnungswirtschaft noch zwei weitere Wünsche an die mitdiskutierenden Kommunal- und Landespolitiker: Vorfahrt für Wohnungsbauanträge in der Sachbearbeitung und die Verhinderung eines weiteren Baukostenanstieges.
Vertreter der anwesenden Mitgliedsunternehmen warfen durch ihre Zwischenfragen weitere Schlaglichter auf Probleme sowie Lösungsansätze im Bereich bezahlbare Wohnraumversorgung.
Der WohWi-Talk Nürnberg zeigt einerseits, welch vielfältigen Herausforderungen die Wohnungswirtschaft sich derzeit gegenübersieht. Auf der anderen Seite wurde deutlich, dass die Vertreter der Kommunal- und Landespolitik durchaus bestrebt sind gerade in den Bereichen Regulierung und Förderung auf die Probleme Wohnungsunternehmen einzugehen. Den Worten sollten schnell Taten folgen.
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