Astro ist keine Alexa auf Rädern
Amazon macht ersten Schritt bei Haushaltsrobotern
SEATTLE (dpa) - Amazon will zu einem Vorreiter bei Haushaltsrobotern werden. Das erste Gerät mit dem Namen Astro hat einen Bildschirm, kann seine Umgebung mit Kamera und Mikrofon erfassen und bewegt sich auf Rädern durchs Haus.
«Wir glauben, dass in fünf bis zehn Jahren jeder Haushalt mindestens einen Roboter haben wird», sagte Amazons Gerätechef Dave Limp. Die starke Position im vernetzten Zuhause will der Konzern bis dahin mit neuen Geräten und Funktionen für seine Sprachassistentin Alexa ausbauen.
Gemessen an dem, wie man sich Haushaltsroboter vorstellt, ist Astro erst ein relativ zaghafter Anfang. Das Gerät kann hauptsächlich zur Kommunikation sowie als eine Art mobile Sicherheitsanlage verwendet werden. Astro, der ungefähr die Größe eines Staubsaugers hat, kann etwa auch ältere Familienangehörige durchs Haus begleiten. Und er hat einen Getränkehalter. Limp, der den Roboter seit rund einem Jahr in seinem eigenen Haus testet, fand eine praktische Verwendung dafür: «Ich kann ihm sagen, finde meine Frau» - und Astro fährt dann ein in den Halter gestecktes Getränk zu ihr rüber. An den USB-C-Port daneben können auch kleine Gerätschaften angeschlossen werden - wie zum Beispiel eine Maschine, die Hunde-Leckerlis rauswerfen kann.
Um nützlich zu sein, muss der Roboter die Gesichter der Bewohner eines Hauses kennen und wiedererkennen. Amazon betont besonders, dass man Vorkehrungen getroffen habe, damit von der fahrenden Kamera keine Gefahr für die Privatsphäre ausgeht. Limp tritt etwa der Sorge entgegen, dass die Roboter mit richterlichem Beschluss zur Überwachung bei Ermittlungen angezapft werden können. «Wir würden der Polizei nie Zugang zu dem Gerät geben.» Auch eventuelle Aufnahmen seien nur für die Nutzer verfügbar.
Die Daten, die für die Navigation durch ein Zuhause notwendig sind, werden komplett auf dem Gerät verarbeitet und gehen nicht in die Cloud. Und der Nutzer kann auch Räume festlegen, die Astro nicht betreten darf. Und dann gebe es noch eine altbewährte Art, Roboter rauszuhalten: «Es gibt Gründe dafür, dass es Türen gibt - und Astro kann keine Türen öffnen», sagte Limp.
Er selbst schaue mit Hilfe des Geräts zum Beispiel von unterwegs, ob seine Hunde aufs Sofa springen, wenn keiner Zuhause ist. Die Kamera des Roboters kann auf eine Höhe von gut einem Meter ausfahren, damit sie auch über Möbelstücke blicken kann.
Es seien permanente komplexe Berechnungen notwendig, damit der Roboter Hindernisse erkenne, betont Amazon. Zugleich berichtete die Website «Motherboard» kurz nach dem Event am Dienstag unter Berufung auf interne Unterlagen und beteiligte Mitarbeiter, Astro sei nicht nur auf die permanente Beobachtung seines Umfelds ausgelegt, sondern auch nicht besonders gut darin. Die Gesichtserkennung sei unzuverlässig, und der Roboter «würde sich so gut wie sicher die Treppe runterstürzen, wenn man ihm die Gelegenheit dazu gibt», zitierte «Motherboard» einen Insider. Amazon wies das zurück: Die Beschreibungen seien «schlichtweg unzutreffend». Das System sei darauf ausgelegt, «Objekten auszuweichen, Treppen zu erkennen und das Gerät zu stoppen, wo und wann es nötig ist».
Auch Limp zufolge lief es bei seinem Astro von Anfang an besser: «Er fiel nicht die Treppe runter, aber fuhr oft gegen Wände und Möbel.» Auch bodentiefe Spiegel hätten den Roboter zunächst verwirrt. Inzwischen sei die Navigation aber «dramatisch besser» geworden.
Der Konzern will die Astro-Roboter zunächst ausgewählten Nutzern zum Preis von rund 1000 Dollar zur Verfügung stellen. Das ist das eingespielte Verfahren für experimentelle Amazon-Technik. Bereits vor einem Jahr hatte Amazon eine kleine Drohne vorgestellt, die als Sicherheitskamera durchs Haus fliegen kann. Nun können sich Interessenten für den Kauf des Geräts anmelden.
Auch andere Unternehmen arbeiten derzeit an Haushaltsrobotern - und machen sich zudem Gedanken über Maschinen mit Greifarmen, die einfache Aufgaben übernehmen könnten.
So stellt sich der Saugroboter-Spezialist iRobot auf eine Zukunft mit mechanischen Haushaltshelfern ein, die Arme haben. «Wir sind an einem Punkt, an dem wir die Umgebung, in der wir agieren, allmählich soweit verstehen, dass wir so etwas machen können», sagte jüngst iRobot-Chef Colin Angle. Eine zentrale Frage sei auch, wie viel die Verbraucher bereit wären, für eine solche Innovation zu zahlen. «Wenn es 1000 Dollar sind, wäre es vermutlich zu schaffen.»
Amazon-Manager Limp ist skeptischer, was das Tempo dieser Entwicklung angeht. Es werde 10 oder 20 Jahre dauern, bis man für den Haushalt Roboter bauen werde, die Treppen nutzen können und Arme haben, prognostizierte er. «Arme kann man heute nicht wirklich lösen» - und selbst eine Maschine, die Stufen überwinde, würde Zehntausende Dollar kosten, «nicht erschwinglich für den gewöhnlichen Verbraucher».
Amazon entschied sich dagegen, Astro zu einer Art Alexa auf Rädern zu machen: Der Roboter spricht nicht selbst mit den Nutzern. Bei Bedarf kann einer von Amazons «Echo»-Lautsprechern einspringen.
Hier legte Amazon auch nach: Ein «Echo»-Modell mit gut 15 Zoll großem Display soll als digitale Pinnwand für Familien und Schaltzentrale für das vernetzte Zuhause dienen. Mit seiner Kamera kann das Gerät einzelne Bewohner des Haushalts erkennen und ihnen auf sie zugeschnittene Informationen wie den Terminkalender anzeigen. Diese Personalisierung ist optional, betonte der Konzern.
Seine Rolle im Alltag will Amazon in den USA auch mit einem smarten Thermostat für Klimaanlagen für 60 Dollar ausbauen. Außerdem wurde ein Gerät mit dem Namen «Amazon Glow» vorgestellt, über das Kinder mit ihren Verwandten spielen können. Es hat Kamera und Bildschirm und projiziert interaktive Spiele auf eine Tisch-Oberfläche.
Amazon war mit seiner Alexa-Software in den «Echo»-Lautsprechern ein Vorreiter beim Einsatz von Sprachassistenten im vernetzten Zuhause. Die Vision ist ein Haushalt, der die Bewohner mit einer Vielzahl miteinander zusammenspielender smarter Geräte unterstützen kann.
Als einen neuen Baustein dafür stellte Amazon die Möglichkeit vor, Alexa die Erkennung verschiedener Geräusche beizubringen. So kann man zum Beispiel dafür sorgen, dass die Software eine Nachricht schickt, wenn sie den Warnton eines offengelassenen Kühlschranks hört. Bisher gab es Warnmeldungen bei einigen Geräuschen wie etwa brechendem Glas.
Von Andrej Sokolow, dpa
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