Beliebte Ziele USA und China
Deutschland: Die Angst vor Deindustrialisierung

Die Arbeitgeber in der bayerischen Metallindustrie warnen vor Abwanderung. | Foto: Stefan Puchner/dpa
  • Die Arbeitgeber in der bayerischen Metallindustrie warnen vor Abwanderung.
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  • Kurz vor Beginn der Tarifverhandlungen in der bayerischen Metallindustrie haben die Arbeitgeber vor einer Abwanderung der Industrie ins Ausland gewarnt - und die Forderung der Gewerkschaft abgelehnt.

München (dpa/lby/nf) - Vor Beginn der Tarifverhandlungen in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie zeichnet der Arbeitgeberverband vbm ein düsteres Bild der Lage. «Unser Standort steht unter einem enormen Druck: Transformation, Georisiken, Konjunkturschwäche und Standortprobleme belasten die Unternehmen und lassen die Deindustrialisierung weiter fortschreiten», sagt vbm-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Die IG Metall widerspricht.

Zudem beklagte er «zu hohe Lohn- und Lohnzusatzkosten sowie Energiekosten, eine überbordende Bürokratie und international nicht wettbewerbsfähige Steuerlasten». Dies führe zu immer weniger Investitionen, Wertschöpfung und Beschäftigung im Inland.

Die Lage sei ernst und die Aussichten seien trüb, betonte Brossardt. Inzwischen sei nicht mehr der Fachkräftemangel, sondern der Auftragsmangel das größte Hindernis für Produktion. Seit Januar sei die Zahl der Beschäftigten in der Branche um 2.400 auf 870.200 gesunken.

Angesichts dieser Lage lehnte Brossardt die im Juni aufgestellte Forderung der IG Metall nach 7 Prozent mehr Lohn ab. Zuletzt sei die Produktivität gesunken, betonte er. «Hohe Entgelte, sichere und mehr Arbeitsplätze gehen aber nur bei steigender Produktivität.» Man könne nur verteilen, was vorher erwirtschaftet werde.

Abwanderung ins Ausland

Ansonsten gefährde man die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie durch steigende Lohnstückkosten. «Die Abwanderung ins Ausland ist längst im Gange, die Deindustrialisierung bittere Realität», sagte Brossardt. «Wir müssen aufpassen, dass die Musik nicht zukünftig noch mehr im Ausland spielt.»

Die IG Metall hatte ihre Forderung nach 7 Prozent Lohnplus unter anderem mit den steigenden Lebenshaltungskosten begründet. Jetzt reagierte sie deutlich auf die Einschätzung der Arbeitgeber und warf ihnen «übertriebene Schwarzmalerei» vor. «Es ist unseriös zu behaupten, wegen unserer Forderung würden Betriebe Deutschland den Rücken kehren», sagte Bezirksleiter Horst Ott. «Ich hoffe, dass die Arbeitgeber in den Verhandlungen sachlicher auftreten werden.»

Krise: Autozulieferer Mubea baut 300 Stellen ab

Wegen der schwierigen Situation der europäischen Automobilindustrie will der nordrhein-westfälische Zulieferer Muhr und Bender KG (Mubea) bis Ende 2025 rund 300 Stellen abbauen. Betroffen davon sind laut einer Unternehmenssprecherin die Firmenzentrale in Attendorn (Nordrhein-Westfalen) sowie die Werke in Daaden (Rheinland-Pfalz) und Weißensee (Thüringen).

Wie viele Arbeitsplätze an den einzelnen Orten wegfallen, steht den Angaben zufolge bisher nicht fest. Gespräche zwischen Geschäftsleitung und Betriebsräten laufen demnach noch. Mubea hat auch Werke in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern), Oberpfaffenhofen (Bayern) und Dingelstädt (Thüringen). Diese sind jedoch nicht von dem Stellenabbau betroffen, wie die Sprecherin sagte. Zuvor hatten andere Medien über die Pläne berichtet.

Die Entscheidung sei notwendig, «um die Wettbewerbsfähigkeit und langfristige Stabilität der Mubea-Unternehmensgruppe in einem zunehmend herausfordernden Marktumfeld zu sichern», sagte der Geschäftsführende Gesellschafter, Thomas Muhr.

Mubea hat deutschlandweit 5000 Mitarbeiter und sechs Standorte. Das Unternehmen beliefert als Leichtbauspezialist vor allem die Autoindustrie, ist aber auch im Luftfahrtsektor tätig. Im Jahr 2023 erwirtschaftete Mubea nach eigenen Angaben einen Umsatz von etwa 3,1 Milliarden Euro. Weltweit sind 17.000 Mitarbeiter an 54 Standorten beschäftigt.

Faktenlage

Als beliebtes Abwanderungsziel der deutschen Industriebetriebe gelten vor allem die USA, weil dort die Energiepreise im Vergleich zu Deutschland besonders niedrig sind. Aber auch China, Indien, Polen, Tschechien, Ungarn und Rumänien liegen im Trend. 

Miele, Viessmann (Polen), Porsche und Kärcher verlagern bereits Arbeitsplätze. Weitere Beispiele: Volkswagen, BASF (USA, China) oder Solarbauer Meyer Burger, Continental, Michelin, Bosch, Stiel, ThyssenKrupp. 

Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten in Bayern beginnen am 11. September in München. Die Tarifverträge laufen bundesweit zum 30. September aus, die Friedenspflicht endet am 28. Oktober, Warnstreiks sind ab 29. Oktober möglich. In aller Regel wird im Laufe der Verhandlungen ein Pilotbezirk vereinbart, dessen Abschluss dann die übrigen Regionen übernehmen. Meist ist das ein Bezirk, in dem es wirtschaftlich relativ gut läuft.

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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