Start im Januar vermutet
Erster Schritt zur Gründung der eigenen Wagenknecht-Partei
BERLIN (dpa) - Es ist soweit: Das «Bündnis Sahra Wagenknecht» kommt. Das Büro der Linken-Politikerin bestätigte am Donnerstag, dass nach monatelangem Vorlauf am Montag zunächst ein Verein dieses Namens offiziell vorgestellt wird.
Dies gilt als konkreter Schritt zur Gründung einer eigenen Wagenknecht-Partei, die eine linke Sozialpolitik mit strikter Asylpolitik und einer Abkehr von allzu scharfem Klimaschutz verbinden könnte. Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler wirft Wagenknecht einen «Egotrip» vor, denn die Linke muss nun einen weiteren Niedergang fürchten. Aber auch andere Parteien schauen genau hin.
Verein als Vorstufe zur Parteigründung
Mehrere Menschen aus Wagenknechts Umfeld hatten schon am Mittwoch Informationen des «Spiegel» und des ZDF zur Vorbereitung der Parteigründung weitgehend bestätigt. Am Montag werde Wagenknecht zunächst die Gründung des Vereins «BSW - Für Vernunft und Gerechtigkeit» öffentlich vorstellen - des «Bündnisses Sahra Wagenknecht». Dieser Verein ist bereits seit einigen Wochen registriert und gilt als Vorstufe zur Parteigründung. Einige in der Linken sagen, es sei eine Spendensammelinstitution. Die Partei selbst werde erst im Januar gegründet, weil dies günstiger für die staatliche Parteienfinanzierung sei.
Wagenknecht hat immer wieder gesagt, sie halte eine neue Partei für wünschenswert und nötig. Eine öffentliche Festlegung scheute die 54-Jährige aber bisher. Mit der Linken hat sie sich in wichtigen Punkten wie der Migrations- und der Klimapolitik inhaltlich längst entzweit. Öffentlich sagte Wagenknecht zuletzt, ihre Verbindung mit der Linken sei für sie abgehakt. Gegen sie läuft ein Parteiausschlussverfahren.
Wissler: Konkurrenzpartei ist völlig verantwortungslos
Parteichefin Wissler sagte am Mittwochabend in den ARD-«Tagesthemen», sie halte die Gründung einer Konkurrenzpartei für völlig verantwortungslos. «Angesichts der verheerenden Politik der Ampel» müsse eine linke Bundestagsabgeordnete Opposition gegen die Bundesregierung machen und Alternativen vorlegen.
Vizechefin Nicole Gohlke forderte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur alle, die in einem solchen Verein am Aufbau eines anderen Parteiprojekts arbeiten, auf, «über die Linke erworbene Mandate niederzulegen». «Das wäre ein Gebot des Anstands, denn die Menschen haben die Linke gewählt.» Zudem schließe sich die gleichzeitige Mitgliedschaft in der Linken und in einem Verein zum Aufbau eines anderen Parteienprojekts politisch aus.
Die mögliche Spaltung ist vor allem für die Linken-Bundestagsfraktion problematisch. Sie hat nur noch 38 Abgeordnete. Träten Wagenknecht und ihre acht bis zwölf Unterstützer aus, würde es für die Linke nicht mehr für eine eigene Fraktion reichen. Man könnte nur noch als Gruppe weiter machen - oder eben als zwei konkurrierende Gruppen. Ohne Fraktionsstatus ginge finanzielle staatliche Unterstützung verloren, es gäbe weniger Redezeit und weniger parlamentarische Rechte.
Das könnte ein Grund sein, warum Wagenknecht zunächst den Verein auf den Weg bringt: Möglicherweise wollen sie und ihre Unterstützer bis zur Parteigründung noch in der Fraktion bleiben, mit dem Argument, da stünden auch eine Menge Mitarbeiterjobs auf dem Spiel und die könnte man so noch eine Weile retten. Ob die Hängepartie weiter politisch durchzuhalten ist, scheint aber sehr fraglich. Wissler sagte in der ARD, wenn es die Fraktion nicht mehr gebe, dann sei das allein die Verantwortung von Wagenknecht und ihrer Unterstützer.
Parteigründung könnte politische Landschaft verschieben
Die mögliche Parteigründung weckt so großes Interesse, weil sie die politische Landschaft verschieben könnte. Demoskopen räumen einer Wagenknecht-Partei ein vergleichsweise hohes Potenzial ein. In einer YouGov-Umfrage hatte Ende September fast jeder dritte befragte Wahlberechtigte (29 Prozent) im Osten des Landes angegeben, sich grundsätzlich vorstellen zu können, eine neue Partei unter Führung Wagenknechts zu wählen. Im Westen waren es 19 Prozent.
Solche Umfragen sagen aber wenig darüber, wie viele Menschen sich tatsächlich so entscheiden würden. Auch ist bisher nicht völlig klar, wofür die Partei stehen soll. Wagenknecht hat sich als scharfe Kritikerin der Ukraine-Politik der Bundesregierung und der Energiesanktionen gegen Russland positioniert. Sie ist für den Import von billigem Erdgas und gegen allzu strikte Klimaschutzpolitik. Sie plädiert zudem für eine Begrenzung der Migration. Die Grünen hat sie wiederholt als die gefährlichste Partei bezeichnet.
Wagenknecht war über Jahrzehnte einer der profiliertesten Köpfe der Linken. Ihre Noch-Partei will nun kämpfen. Der frühere Parteichef Bernd Riexinger schrieb auf X: «Für Die Linke ist es eine Befreiung. Unsere Wähler wissen nun endlich wieder wofür Die Linke steht und was sie für sie macht.»
Von Verena Schmitt-Roschmann und Jörg Ratzsch, dpa
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