Psychologin zu Tauchboot-Unglück
Horrorfahrt zur Titanic: Wie mit der Todesangst umgehen?
BERLIN (dpa) - Mehrere Vermisste in einem Tauchboot nahe dem «Titanic»-Wrack: Allein die Vorstellung der mutmaßlichen Lage an Bord dürfte bei manchen Menschen Beklemmungen auslösen. Betroffene derartiger Krisensituationen reagieren aber nicht zwangsläufig mit Panik, sagte die Berliner Psychologie-Professorin Birgitta Sticher am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.
Frage: Welche Gefühle, welche Ängste sind in Notfallsituationen mit Todesgefahr vorherrschend?
Antwort: Eine Situation mit einer Todeswahrscheinlichkeit ist eine extreme Stresssituation. Wie Menschen damit umgehen, ist aber individuell sehr unterschiedlich. Wir sehen da ein breites Spektrum: Manche Menschen werden ganz ruhig, sind nach innen gekehrt und gelassen. Andere erleben eine große innere Dramatik, weil sie damit gar nicht gerechnet haben und sich in ihnen alles aufbäumt. Die Reaktion hängt auch davon ab, wo man im Leben steht. Ob man den Eindruck hat, sein Leben eigentlich schon gelebt zu haben. Wichtig ist auch die gedankliche Vorbereitung auf den Extremfall: Wie wurde die Wahrscheinlichkeit eines Risikos eingeschätzt, wurden mögliche Folgen für das eigene Leben berücksichtigt?
Frage: Wie schnell kann im Extremfall Panik aufkommen?
Antwort: Wenn es um Katastrophen geht, herrscht oft das Bild in den Köpfen vor, dass Menschen ganz schnell in Panik geraten. Das ist aber je nach Situation ein Mythos. Wir können davon ausgehen, dass Panik eigentlich nur dann auftritt, wenn Menschen den Eindruck haben, dass alle Überlebenschancen gen Null gehen. Panik ist im Grunde eine sinnvolle Reaktion des Körpers, um Energien zu mobilisieren, etwa um aus einer Akutsituation zu fliehen. Aber in einer Situation, in der diese Energie gar nichts bewirken könnte - zum Beispiel, weil Flucht unmöglich ist - kann man zunächst von Rationalität ausgehen. Da dürften sich Menschen als letzten Strohhalm an der Hoffnung festhalten.
Frage: Welche Rolle spielt im Notfall die Dynamik in einer Gruppe?
Antwort: Sie ist sehr wichtig. Wenn zum Beispiel ein Team Astronauten ins Weltall startet, dann haben sie vorher ein ganz langes Training als Gruppe. Sie üben Stresssituationen und wissen, wie sie im Zusammenspiel reagieren. Im aktuellen Fall des Tauchboots scheint es das nicht gegeben zu haben. Grundsätzlich kann man dann davon ausgehen, dass erfahrenere Menschen in der Gruppe eine gewisse Autorität haben und andere sich unterordnen. Das ist dann durch die Situation bestimmt, dass man überleben möchte.
Hintergrund
Zur Person: Birgitta Sticher ist seit 1998 Professorin für Psychologie und Führungslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin. Sie ist dort auch Direktorin des Forschungsinstituts für öffentliche und private Sicherheit (FÖPS). Zu Schwerpunkten ihrer Arbeit gehören Fragen zum Krisen- und Katastrophenmanagement, etwa das Verhalten von Menschen in der Krise.
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