Drehorte in Franken
Neue Sisi-Serie bei Netflix
WIEN/BAMBERG/NÜRNBERG (dpa/nf) - Kommendes Jahr steht ihr 125. Todestag an und schon dieses Jahr an Heiligabend ihr 185. Geburtstag: Doch das dürfte kaum erklären, warum die aus Bayern stammende österreichische Kaiserin Elisabeth - popkulturell meist Sissi genannt, historisch korrekt Sisi - als Stoff wieder so angesagt ist. Die aktuelle Welle brachte 2021 die RTL-Serie «Sisi» hervor und 2022 Marie Kreutzers Kinofilm «Corsage». Soeben kam außerdem Karen Duves sezierender Roman «Sisi» heraus. Und jetzt ist also die deutsche Netflix-Serie «Die Kaiserin» (international: «The Empress») an der Reihe (ab 29.9.).
Devrim Lingnau (gebürtig aus Mannheim) und Philip Froissant (geboren in Bad Tölz) sind als Kaiserpaar zu sehen. In sechs einstündigen Episoden erzählt «Die Kaiserin» die ersten Monate der jungen Frau am intriganten Hof von Franz Joseph I. in Wien. Hier knallt Sisi auch mal ein Wildschwein ab und der Kaiser sagt «Scheiße».
Anders als bei Konkurrent RTL mit Dominique Devenport und Jannik Schümann in den Hauptrollen (die zweite Staffel kommt bald), wo die konfliktreiche Romantik des Paars viel Raum einnahm, stehen hier mehr die engen, strengen Rollen am Hofe im Blickpunkt. Die Politik der Habsburger wird mehr behandelt. Manche Handlungsstränge klingen gruselig aktuell: Russland zieht Truppen an einer Grenze zusammen, fungiert als unberechenbarer Aggressor.
Natürlich muss sich gerade im deutschsprachigen Raum jede Sisi-Neuverfilmung vergleichen lassen mit der «Sissi»-Kinotrilogie der 50er Jahre. Mit ihnen gingen Romy Schneider und Karlheinz Böhm in die Filmgeschichte ein. Auch fast sieben Jahrzehnte nach dem meisterhaften Kitsch aus der Feder von Ernst Marischka sind die drei Nachkriegswerke im kollektiven Gedächtnis präsent. Immer wieder laufen sie als Festtagsprogramm im linearen Fernsehen.
Die «Kaiserin»-Produzenten betonen, dass dennoch viele junge Leute «die alten Sissi-Filme gar nicht mehr kennen», was «eine frische und eigene Interpretation von Elisabeth und Franz» ermögliche.
Und so geht es wenig süßlich in der Serie zu (Head-Autorin: Katharina Eyssen; Regie: Katrin Gebbe und Florian Cossen). Demütigungen, ein hinterhältiger Hofstaat, Putschpläne, Morde, Polizeigewalt und Hinrichtungen kommen vor.
Im Kaiserreich herrscht große Armut, am Wiener Hof ein strenges Regiment: Elisabeths Tante und Schwiegermutter, Erzherzogin Sophie, fühlt sich von schwachen Männern umgeben und zieht viele Fäden. Melika Foroutan tritt in dieser Rolle fulminant in die Fußstapfen von Désirée Nosbusch (RTL) und Vilma Degischer (50er-Jahre-Kino).
Elisabeth, die hier ihren Rufnamen «Sisi» gar nicht mag, kämpft nicht nur mit einer bösen Schwiegermutter, sondern auch mit einer gar nicht lieben, mit dem «Narrenhaus» drohenden eigenen Mama Ludovika (Jördis Triebel - ganz anders als einst Romys Mutter Magda Schneider).
Der charmante, ehrgeizige und jüngere Kaiserbruder Maximilian (schön überzogen, fast kinskihaft: Johannes Nussbaum) hat ganz eigene Politik- und Moralvorstellungen. Und der ganz junge Kaiserbruder «Luziwuzi», also Ludwig Viktor (Felix Nölle), der sich später schwul auslebte, zeigt als kleiner Junge exzentrische Züge.
Gedreht wurde die Serie im Studio Babelsberg (Potsdam) und in Franken - in Städten wie Nürnberg, Bamberg, Bayreuth und Ansbach. Der (oftmals auch computergenerierte) Look der Serie ist pompös, wenn auch alles andere als authentisch oder gar dokumentarisch, denn nichts sieht hier nach dem echten Possenhofen, Bad Ischl oder Schloss Schönbrunn aus. Wem das wichtig wäre, der sollte lieber nicht anfangen zu schauen.
Der Streamingdienst Netflix ist mit opulenten Kostümserien erfahren, man denke an «The Crown» über das Leben von Queen Elizabeth II. oder aber an die vieldiskutierte Produktion «Bridgerton», die in der Londoner High Society des 19. Jahrhunderts angesiedelt ist.
Die echte Elisabeth von Österreich-Ungarn wurde 1898 Opfer eines Attentats in Genf, ihre erste Tochter starb mit zwei Jahren, der Sohn und Kronprinz Rudolf nahm sich 1889 mit 30 Jahren das Leben. Das Leben der schönen und leidgeprüften Kaiserin ist an Glanz in der Jugend und Dramatik in späteren Jahren kaum zu überbieten. Es hat eine gewaltige Fallhöhe. Wohl deshalb wurde Sisi zu einer globalen Faszination - einer Marke «made in Bavaria and Austria».
Nun hat auch der «größte Streaming-Entertainment-Dienst weltweit» (Netflix-Eigenbeschreibung) das Leben der Kaiserin als Stoff entdeckt - und nach Staffel eins sind noch viele Jahre übrig.
Von Gregor Tholl, dpa
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