Star beim „Supertalent“ – aber Krücken-Artist Tameru findet in Fürth keine Wohnung

Die fehlende Kraft in den Beinen hat Tameru Zegeye mit seinen Armen kompensiert. Der Flüchtling überzeugte bei Dieter Bohlens „Supertalent“-Show – eine kleine Wohnung sucht er noch vergeblich. | Foto: Nadine Hackemer/immowelt.de
  • Die fehlende Kraft in den Beinen hat Tameru Zegeye mit seinen Armen kompensiert. Der Flüchtling überzeugte bei Dieter Bohlens „Supertalent“-Show – eine kleine Wohnung sucht er noch vergeblich.
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REGION (pm/nf) - Er ist ein „Supertalent“ in Dieter Bohlens RTL-Show: Der gehbehinderte Tameru Zegeye begeisterte die Jury und ein Millionen-Publikum mit Handstand-Kunststücken. Doch der Alltag hinter der Glitzerfassade sieht anders aus: Der Flüchtling aus Äthiopien findet keine Wohnung – weil er bei Vermietern immer wieder auf Ablehnung stößt. Über die Immowelt-Initiative „Verändere Deine Stadt“ hofft der Gehbehinderte endlich ein neues Zuhause zu finden.

Dieter Bohlen legte die Stirn in Falten, Inka Bause wollte gar nicht hingucken und Bruce Darnell riss die Augen auf: Der spektakuläre Auftritt von Tameru Zegeye sorgte beim „Supertalent“ nicht nur bei der Jury für Nervenkitzel. Der Gehbehinderte zeigte ein Handstand-Kunststück auf fünf gegenläufigen Rollen, das nur drei Menschen auf der Welt beherrschen. Obwohl der Gebehinderte fast stürzte, darf er noch auf den Einzug in die nächste Runde hoffen. „Man kann sagen, was man will, aber das war bislang der spektakulärste Abgang. So ist hier noch keiner rausgegangen“, sagte der Pop-Titan Bohlen, als der Artist mit Krücken die Showbühne im Handstand verließ. Tameru strahlte – dann fuhr er zurück in sein normales Leben – in ein Asylbewerberheim nach Fürth.

Seit Januar 2014 haust Tameru Zegeye, der vor 34 Jahren in Äthiopien mit verkrüppelten Beinen geboren worden war, dort in einem winzigen Zimmer. Die Herdplatte steht unter seinem Bett, sein Besitz passt in einen Rollkoffer. Mit diesem kam er damals nach Fürth, nachdem ihn in Schweden die Nachricht eines Freundes erreicht hatte. Dort war er als Handstand-Artist mit einem äthiopischen Zirkus unterwegs: „Komm bloß nicht nach Hause, sonst steckt die Regierung dich wahrscheinlich ins Gefängnis und foltert dich.“

Denn der Mann auf Krücken hatte sich in seiner alten Heimat gegen die Diskriminierung Behinderter eingesetzt. Er wollte anderen mit seinem Beispiel Mut machen. Tameru selbst war noch als Zehnjähriger wie ein Baby über den Boden gerobbt. Dann entdeckte er, dass er die fehlende Kraft in den Beinen mit den Armen kompensieren konnte: Tameru begann mit Kunststücken auf seinen Händen, trat vor Touristen auf und verdiente so Geld. Ein amerikanischer Arzt wurde auf ihn aufmerksam und finanzierte mit seinen Freunden neun Operationen. Daraufhin konnte der Teenager mit 15 Jahren erstmals eine Schule besuchen. Ein kleiner Film zeigt den Halbwüchsigen zwischen lauter kleinen Kindern im Klassenzimmer. Tameru war clever, übersprang mehrere Klassen, studierte dann Informatik und Tourismus.

Seine wahre Leidenschaft aber blieb der Kampf für die Behinderten. Damit machte sich der Krückenmann die Regierung zum Feind, denn in Äthiopien sehen viele Menschen ein Handicap als etwas Böses, das vom Teufel kommt. „Zweimal landete ich wegen meines Engagements im Gefängnis“, schildert Tameru. Als während der Tournee die Nachricht kam, setzte er sich aus Angst vor seinem regierungstreuen Chef sofort in den Zug und floh nach Deutschland. Seit November 2013 lebt Tameru nun in Franken, nach 20 Monaten wurde er als Flüchtling anerkannt.

Schnellster Mann der Welt – auf Krücken

Auch wenn er noch keine Wohnung gefunden hat, tut Tameru alles dafür, um sich in Deutschland zu integrieren. Erst nach seinem täglichen Deutschkurs trainiert er als Artist drei Stunden, zusätzlich geht er ins Fitnessstudio. Inzwischen ist er sogar offiziell der schnellste Mann der Welt im Handstand-Krücken-Lauf: Die Strecke von 100 Meter schaffte er im Fürther Südstadtpark in 56 Sekunden – ein offizieller Guinness-Buch-Rekord. Außerdem setzt sich der Kämpfer mit zahlreichen Auftritten in Schulen und auf Veranstaltungen nicht nur für Behinderte, sondern auch für Integration ein. Sein Leitspruch ist geblieben: „Wenn die Füße dich nicht tragen können, musst du deinen Weg in die Hände nehmen.“

Bislang hat der Artist mit diesem eisernen Willen alles erreicht, was er sich vorgenommen hat. Doch einen Vermieter konnte er trotz gesicherter Mietzahlung vom Amt noch nicht überzeugen. „Es wäre mein größter Wunsch, eine kleine Wohnung in Fürth oder Nürnberg zu finden. Sie darf 350 Euro kosten. Bis in den ersten Stock komme ich auch ohne Aufzug problemlos“, erklärt Tameru. Mit Hilfe von „Verändere Deine Stadt“ will er diese Hürde auf dem Weg in ein neues Leben nehmen. Jetzt hofft Bohlens „Supertalent“ erstmal, dass es in die Finalrunde kommt. Die Entscheidung wird der Artist am nächsten Samstag (12. Dezember) auf jeden Fall noch in seinem kleinen Zimmer verfolgen müssen.

Autor:

Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg

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