Sprechstunde für Beschäftigte des Klinikums Nürnberg
Erschöpfung und geringe Belastbarkeit: Wenn COVID-19-Symptome einfach nicht verschwinden
NÜRNBERG (pm/nf) - Bleierne Müdigkeit, Atembeschwerden und geringe Belastbarkeit: Auch Wochen oder Monate nach einer Infektion mit dem Coronavirus können Betroffene an den Folgen der Erkrankung leiden.
„Wir erleben es immer wieder, dass jemand, der die Infektion eigentlich überstanden hat, später noch Einschränkungen beklagt“, sagt Ulrich Neff, Oberarzt in der Klinik für Innere Medizin 3, Schwerpunkt Pneumologie, am Klinikum Nürnberg. Solche Post- oder Long-COVID-Symptome können in allen Altersgruppen und unabhängig vom Verlauf der Infektion auftreten. Um betroffene Beschäftigte zu unterstützen, bietet das Klinikum Nürnberg deshalb eine Post-COVID- Sprechstunde samt interdisziplinärer Behandlung an. Der Zulauf ist enorm.
Laut Robert-Koch-Institut sind von rund 3,66 Millionen Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, rund 3,45 Millionen Menschen wieder genesen (Lagebericht vom 27.5.2021). Doch wie viele davon tatsächlich wieder richtig fit sind, verraten diese Zahlen nicht. Denn ein Teil der Menschen, die offiziell als geheilt gelten, leidet auch Wochen oder Monate nach der Infektion noch unter den Folgen einer COVID-19-Erkrankung. „Die Datenlange ist noch dünn. Aber in ersten Studien ist beschrieben, dass circa drei Monate nach der Infektion noch ein Drittel der Betroffenen mindestens ein Symptom zeigt“, sagt Ulrich Neff, Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie am Klinikum Nürnberg.
Laut Robert-Koch-Institut brauchen etwa 40 Prozent der COVID-19- Patientinnen und Patienten, die in einem Krankenhaus behandelt wurden, längerfristig Unterstützung. Aber auch Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben und nicht stationär aufgenommen werden mussten, können noch Monate nach dem Abklingen der Erkrankung Symptome verspüren. Sie leiden zum Beispiel an Fatigue, also starker Müdigkeit beziehungsweise anhaltender Erschöpfung. Sie klagen über Luftnot, Husten, Kopfschmerz, Gliederschmerzen oder einem länger anhaltenden Geruchs- oder Geschmacksverlust. Auch Bauch- oder Brustschmerzen werden berichtet, sowie Depressionen oder Erinnerungslücken zum Beispiel.
Während der zweiten Corona-Welle, während der auch Nürnberg zum Hotspot wurde, haben sich analog zu den steigenden Infektionszahlen in der Gesamtbevölkerung auch mehr Beschäftigte des Klinikums Nürnberg mit dem Coronavirus infiziert. Manche brauchen länger, um wieder auf die Beine zu kommen. „Uns ist es wichtig, Betroffenen umfangreiche Hilfsangebote zu machen. Daher haben wir eine Post-COVID-Sprechstunde für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Leben gerufen“, sagt Peter Schuh, Vorstand Personal und Patientenversorgung am Klinikum Nürnberg.
Sprechstunde wird gut angenommen
Der Zulauf zur Sprechstunde ist enorm. Rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das Angebot bislang wahrgenommen. „Ich war selbst von der großen Resonanz überrascht“, so Ulrich Neff weiter. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass Post-COVID-Symptome nicht selten sind.
Bei dem Oberarzt stellen sich Mitarbeiter vor, die sich in ihrer Belastbarkeit deutlich eingeschränkt sehen – was den Betroffenen, die doch eigentlich mitten im Leben stehen, manchmal schwer zu schaffen macht. „Die Hauptbeschwerden sind Atemnot bei geringer Anstrengung, anhaltender Husten und Leistungsminderung“, erläutert der Facharzt.
Er verschafft sich in der Sprechstunde zunächst einen Überblick über die bisherigen Befunde und überprüft, ob Komplikationen aufgetreten sind, die speziell zu behandeln wären. „Das ist zum Glück eher selten der Fall.“ Ulrich Neff empfiehlt dann häufig physiotherapeutische Übungen gegen Atemnot sowie zum Beispiel ein moderates Ausdauertraining, um die Leistungsfähigkeit wieder zu steigern. „Das kann am Anfang ein Spaziergang sein, um den Körper wieder in Bewegung zu bringen.“
Ein Team aus Spezialisten hilft
Manchmal berichten betroffene Mitarbeiter auch von Beschwerden wie Herz- Rhythmus-Störungen, Ohrgeräuschen oder Konzentrationsstörungen. Dann vermittelt Ulrich Neff seine Patientinnen und Patienten an die zuständigen Fachdisziplinen innerhalb des Klinikums Nürnberg weiter. „In vielen Fällen überlappen sich die Beschwerden und Symptome, so dass dann eine interdisziplinäre Diagnostik und Behandlung sinnvoll ist“, sagt Prof. Dr. Frank Erbguth, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Nürnberg.
Diffuse Symptome wie Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen sind zum Beispiel ein Fall für die Neurologie beziehungsweise Neuropsychologie und müssen eventuell auch in der Radiologie mit bildgebenden Verfahren abgeklärt werden. „Periphere Nerven- und Muskelstörungen wie Missempfindungen, Muskel- und Nervenschmerzen werden ebenfalls in der Neurologie untersucht“, fährt Prof. Erbguth fort. Schlafstörungen können gegebenenfalls in der Schlafambulanz behandelt werden. Sind Leistungsfähigkeit und Herz beeinträchtigt, treten die Kardiologen auf den Plan. Bei Depressionen hilft die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie.
Psyche und Körper im Blick
Eine wichtige Anlaufstelle im Rahmen der Post-COVID-Betreuung ist auch die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. „Ich wollte Betroffenen gerne unsere Hilfe anbieten“, sagt Prof. Dr. Christiane Waller, Chefärztin der Klinik. Ihr Team kümmert sich um Beschäftigte, die zum Beispiel über Fatigue, Niedergeschlagenheit, stressassoziierte Beschwerden oder Ängste klagen. Die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie nimmt dabei die Wechselwirkungen von Psyche und Körper in den Blick.
Dazu gehört unter anderem die sogenannte psychoneuroimmunologische Diagnostik. „Wir nehmen Blut und untersuchen die Immunprozesse auf zellulärer Ebene. Wir überprüfen, ob die Zellen durch die ausheilende COVID- 19-Erankung noch belastet sind“, erklärt Prof. Dr. Waller. Die Ergebnisse liefern wichtige Hinweise für die weitere Behandlung.
„Unser Ziel ist es, die Menschen, die unter solchen Beschwerden leiden, gut in den normalen Alltag zurück zu begleiten.“ Die Spezialistin macht Betroffenen Mut: „Wir gehen davon aus, dass die Erkrankung in der Regel am Ende ganz ausheilt. Das kann allerdings ein halbes Jahr oder in seltenen Fällen auch länger dauern“, so die Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.