DFB Richtlinie für Jugendliche
Studien: Macht Fußball dement?

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WEIMAR (pm/nf) – Seit Jahren gibt es zunehmend mehr Studien zum Risiko für neurodegenerative Erkrankungen (wie Demenzen) bei Sportarten mit wiederholten Schädelprellungen wie dem Fußballsport. Eine neue Kohortenstudie aus Schweden verglich über 6.000 ehemalige Fußballspieler der höchsten Liga hinsichtlich des Auftretens neurodegenerativer Erkrankungen mit einer Kontrollpopulation aus der Allgemeinbevölkerung.  Im Ergebnis hatte insbesondere Feldspieler ein um 50 Prozent erhöhtes Risiko für M. Alzheimer und andere Demenzen, Torhüter dagegen nicht.

Fußball steht von allen Sportarten in der Popularität auf der ganzen Welt an oberster Stelle. Verschiedene Beobachtungsstudien geben jedoch schon seit Jahren Anlass zur Sorge hinsichtlich der späteren Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen. Zwar sind schwere Kopfverletzungen im Fußballsport selten, jedoch vermutet man, dass wiederholte, subklinische Erhebungen bzw. Prellungen des Kopfes (vor allem durch Kopfbälle) im Sinne einer „chronisch traumatischen Enzephalopathie“ zu einem erhöhten Risiko für neurodegenerative Erkrankungen führen könnten. Manche Studien werden kontrovers diskutiert, sind widersprüchlich, im Studiendesign limitiert oder aus anderen Gründen wie Fehlen einer Kontrollgruppe oder unvollständiger Ergebniserfassung nur schwer miteinander vergleichbar.

Nachdem Untersuchungen aus Schottland 2019 zeigen, dass Profifußballspieler gegenüber der Allgemeinbevölkerung ein mindestens 3,5-mal höheres Risiko haben, an einer neurodegenerativen Erkrankung zu versterben, haben die UEFA und die Britischen Fußballverbände ihre Richtlinien überarbeitet, um die Sportlerinnen und Sportler am besten zu schützen (u.a. Verbot von Kopfballtraining unter 12 Jahren). 2022 beschloss auch der DFB Änderungen im Kinder- und Jugendfußball im Sinne eines „altersgerechten Umgangs mit dem Kopfballspiel“; dies beinhaltet neue Wettbewerbsformen, kleinere Tore und Spielfelder oder das Erlernen der richtigen Kopfballtechnik mit kleinerem Übungsumfang und leichteren Bällen. Es gibt jedoch auch Rufe aus der medizinischen Fachwelt, das so genannte Köpfen wie in anderen Ländern vor dem Jugendalter ganz zu verbieten.

Nun wurde eine weitere Studie zur Kopfball-Problematik in „Lancet Public Health“ veröffentlicht. Die Kohortenstudie aus Schweden bewertete das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen bei 6.007 Fußballspielern durch Hinzuziehen einer großen Vergleichsgruppe von 56.168 Männern aus der Allgemeinbevölkerung. Analysiert wurden Daten von Profi- und Amateurspielern (darunter 510 Torhüter), die zwischen 1924 und 2019 in der höchsten schwedischen Fußball-Liga gespielt hatten. Der Vergleich mit der Kontrollpopulation (bis zu 10 Kontrollen pro Spieler) erfolgte gematcht nach Alter und Wohnregion. Das Follow-up erfolgte bis Ende 2020. Verwendet wurden landesweite Sterbe-, Krankenhaus- und ambulante Patientenregister; Dabei wurden Demenzen (M. Alzheimer und andere), Motoneuronerkrankungen und M. Parkinson separat erfasst. 

Bei 537 der 6.007 Fußballspieler (8,9%) wurde die Diagnose einer neurodegenerativen Erkrankung gestellt – gegenüber 3.485 (6,2%) der Kontrollpersonen. Das Erkrankungsrisiko der Fußballer insgesamt (Feldspieler und Torhüter) war somit signifikant um fast 50% höher (Hazard Ratio/HR 1,46) als in der Allgemeinbevölkerung. Betroffen waren vor allem Profifußballer, die Mitte des 20. Jahrhunderts spielten. Gegenüber den Kontrollen hatte Feldspieler eine HR von 1,50; Torhüter dagegen keine signifikante Erhöhung (HR 1,07). Speziell das Demenz-Risiko der Feldspieler war hoch (HR 1,67). Bei Motoneuronenerkrankungen gab es keine signifikanten Unterschiede. Parkinson-Erkrankungen waren sogar bei Fußballspielern seltener als in der Kontrollgruppe (HR 0,68, ohne signifikanten Unterschied zwischen Feldspielern und Torhütern). Die Gesamtmortalität der Fußballspieler war insgesamt etwas niedriger als in der Allgemeinbevölkerung (HR 0,95); die Sterblichkeit an Lungenerkrankungen (Bronchialkarzinom, chronisch obstruktive Lungenerkrankung) war sogar deutlich niedriger (HR 0,82). Die Sterblichkeit an/mit neurodegenerativen Erkrankungen war bei den Fußballern dagegen höher als bei den Kontrollen (HR 1,54 und HR 1,69 für Tod mit/an Demenz). Die Autoren weisen darauf hin, dass eine Übertragbarkeit beispielsweise auf den Fußballsport dieses Jahrhunderts, Frauenfußball oder Freizeitfußball nicht ohne weiteres möglich ist. bewerten sie die Ergebnisse als relevant für das grundsätzliche Risikomanagement in diesem Sport.

„Auch in dieser Studie bestätigte sich ein erhöhtes Demenz-Risiko bei ehemaligen Fußballern. Anders als in der Studie aus Schottland war das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen allerdings nicht ganz so ausgeprägt (1,5-fach versus 3,5-bis 5-fach), und es bestand auch nur für Demenzen, nicht aber für M. Parkinson“ , kommentiert Prof. Dr. med. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. „Sport ist für alle Altersgruppen ein wichtiger Bestandteil eines gesunden Lebensstils und regelmäßiger Bewegung ist auch eine relevante Säule der Demenzprävention. Kopftraumata durch Kopfbälle scheinen beim Fußball diesen Effekt jedoch umzukehren. Ob es für die Gesunderhaltung der kognitiven Fähigkeiten reicht, nur auf das ‚Köpfen‘ im Kindes- und Jugendalter zu verzichten, weitere Studien zu klären.“


Literatur

Ueda P., Pasternak B., Lim CE et al. Neurodegenerative Erkrankung bei männlichen Elite-Fußballspielern in Schweden: eine Kohortenstudie. Lancet Public Health 2023 Apr; 8 (4): e256-e265 doi: 10.1016/S2468-2667(23)00027-0. Epub 2023 16. März.

Mackay DF, Russell ER, Stewart K, MacLean JA, Pell JP, Stewart W. Sterblichkeit durch neurodegenerative Erkrankungen bei ehemaligen professionellen Fußballspielern. N Englisch J Med 2019; 381: 1801–08.

 Russell ER, Mackay DF, Stewart K et al. Assoziation von Feldposition und Karrieredauer mit dem Risiko einer neurodegenerativen Erkrankung bei männlichen ehemaligen professionellen Fußballspielern. JAMA Neurol 2021; 78 (9): 1057–1063 doi: 10.1001/jamaneurol.2021.2403. https://dgn.org/artikel/2338

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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