Wenn der Postboote nicht mehr klingelt
Der langsame Abschied vom Briefträger

Ein Briefträger mit seinem Fahrrad: Im Jahr 2025 rechnet die Deutsche Post damit, dass fünf Briefe auf ein Paket kommen.  | Foto: Sven Hoppe/dpa
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BONN (dpa/vs) - Seit Jahren werden in Deutschland immer weniger Briefe zugestellt. Die Branche befindet sich im Umbruch. Was ist der Istand und wie könnte die Zukunft aussehen?

Von Wolf von Dewitz, dpa

«Wenn die gute alte Post nicht wär', ja wo kämen dann die vielen Briefe her?» Zu dieser Filmmusik ging Heinz Rühmann als «Briefträger Müller» in den 50er Jahren seines Weges - auf der Leinwand verteilt er Briefe in einer Kleinstadt, deren Bewohner er gut kennt und freundlich grüßt.

Der Briefträger, so viel macht der Film deutlich, war eine Institution. Gäbe es eine Neuauflage, so könnte die Rolle anders ausfallen. Denn klassische Briefträger gibt es immer weniger in Deutschland. Stattdessen werden Verbundzusteller wichtiger, die im Transporter sowohl Pakete als auch Briefe dabei haben.

Briefmenge sinkt seit langem

Der Strukturwandel fing zur Jahrtausendwende an und nahm im Digitalzeitalter rasch Fahrt auf - die Menschen schrieben immer weniger Briefe und kommunizierten zunächst verstärkt mit Emails und schließlich auch über soziale Medien miteinander. Zugleich beflügelte der boomende Online-Handel das Paketgeschäft. Die Folge: Die Briefmenge sinkt seit langem und die Paketmenge schnellt nach oben.

So änderte sich das Mengenverhältnis zwischen den beiden Post-Sparten: Kamen im Jahr 2010 in Deutschland noch 21 Briefe auf ein Paket, so lag dieses Verhältnis 2015 nur noch bei 15 zu 1 und 2020 bei 8 zu 1. Tendenz weiter sinkend: Im Jahr 2025 rechnet die Deutsche Post damit, dass fünf Briefe auf ein Paket kommen. 2030 dürfte das Verhältnis nur noch bei drei zu eins liegen.

Man sei «mit einem sich verschärfenden Strukturwandel von immer weiter abnehmenden Briefvolumina und steigenden Paketmengen konfrontiert», sagt Tobias Meyer, Vorstand Post & Paket Deutschland. «Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung noch einmal beschleunigt und diesen Trend verfestigt.» Man weite daher die Verbundzustellung dort aus, wo es «sinnvoll und machbar ist» - und zwar «um unseren Beschäftigten auch weiterhin sichere Arbeitsplätze mit auskömmlichen Löhnen bieten zu können». Die Logik dahinter: Würde man bei der Briefzustellung weitermachen wie bisher, wäre das Zustellnetz angesichts sinkender Briefmengen irgendwann nicht mehr bezahlbar.

«Schwerwiegende betriebliche Konsequenzen» drohen

Ein internes Papier, das der dpa vorliegt, verdeutlicht die große Bedeutung des Themas für den Konzern. In dem Dokument betont die Firma, dass man gegensteuern müsse. Man sei «permanent steigenden Anforderungen durch Wettbewerb, Kunden und Gesetzgeber ausgesetzt». Würde man nicht entschlossen handeln, würden «schwerwiegende betriebliche Konsequenzen» drohen.

Tatsächlich kommt die vor gut zwei Jahrzehnten begonnene Umstrukturierung voran. Von den rund 55.000 Zustellbezirken in Deutschland sind bereits 55 Prozent auf die Verbundzustellung umgestellt - den klassischen Briefträger gibt es dort nicht mehr. 2017 lag der Anteil noch unter 50 Prozent, bis 2025 soll er auf 70 Prozent steigen. Früher fand die Verbundzustellung nur auf dem Land statt, danach wurden auch Städte einbezogen.

Bei der Deutschen Post, bei der heute die Hauptversammlung auf dem Programm steht, ist die Verbundzustellung ein Dauerthema. In Teilen der Belegschaft wird es mit Bedenken registriert.

«Viele arbeiten schon am Limit»

Maik Brandenburger von der Kommunikationsgewerkschaft DPV weist darauf hin, dass die körperliche Belastung für Beschäftigte, die bisher nur Briefe ausgetragen haben, in der Verbundzustellung steigen dürfte - schließlich müssen die dann auch schwere Pakete schleppen. «Viele Zustellerinnen und Zusteller arbeiten schon am Limit und mitunter darüber hinaus - eine zusätzliche Belastung wird den ohnehin schon hohen Krankenstand noch weiter nach oben treiben.» Die Gewerkschaft warnt vor einer weiteren Arbeitsverdichtung und Personalabbau als Folge der ausgeweiteten Verbundzustellung.

Thorsten Kühn von der Gewerkschaft Verdi räumt ein, dass der Strukturwandel nicht wegzudiskutieren sei. «Da ist es naheliegend, dass man nicht in allen Zustellbezirken weitermacht wie immer.» Der Wandel vom Briefzusteller zum Verbundzusteller trage auch dazu bei, Jobs auf lange Sicht zu sichern.

Andere Lösung finden für Briefzusteller

Grundsätzlich stehe man dem Thema offen gegenüber, sagt Kühn. «Allerdings müssen wir die Belastung genau im Blick haben - es sind Hilfsmittel nötig, um auch schwere Pakete transportieren zu können, etwa Sackkarren oder andere spezielle Geräte.» Zudem dürfe es keinen Zwang geben, sagt er. «Sollten langjährige Briefzusteller nicht zum Verbundzusteller umgeschult werden wollen, so müsste für sie eine andere Lösung gefunden werden.»

Und was bedeutet das für Verbraucher? Eine längere Wartezeit auf die wenigen Briefe, die man noch bekommt, wird es wohl nicht geben. «Das Paketnetz ist auf Effizienz getrimmt - wenn Briefe auch vom Paketboten zugestellt werden, dürften sie gleich schnell ankommen wie bisher», sagt der Frankfurter Logistikprofessor Kai-Oliver Schocke. Auch er hält die Maßnahmen der Post für zwangsläufig und richtig. Für den Verbraucher sei der schrittweise Abschied vom Briefträger eine nostalgische Sache: «Der altbekannte Briefträger könnte vor mancher Haustür bald nicht mehr auftauchen - aber der Paketbote ist sicherlich mindestens genauso freundlich.»

Autor:

Victor Schlampp aus Schwabach

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