Herausforderungen erfordern mehr Solidarität
Beim 50. Landestreffen des KKV Bayern plädierten Vertreter von Politik und Kirche für selbstkritische Reflexion gesellschaftlicher Verhältnisse
REGION (pm) - „Wie bewältigen wir die sozialen Herausforderungen unserer Zeit?“ Diese Frage stand im Mittelpunkt des 50. Landestreffens des KKV Bayern, das anlässlich des 125-jährigen Bestehens des Ortsvereins KKV (Katholischer Kaufmännischer Verband) Mercator Nürnberg in der Noris stattfand. Beim Festakt am Sonntag im Arvena Park Hotel thematisierte der Nürnberger Landtagsabgeordnete Hermann Imhof die aktuelle Flüchtlingskrise und beleuchtete als Patienten- und Pflegebeauftragter der Bayerischen Staatsregierung die Zukunft der Pflege.
MdL Hermann Imhof: ,,Der einzelne Bürger muss bereit sein, für Pflege mehr zu zahlen"
Imhof, der bereits als Leiter des Caritasverbandes Nürnberg nah am sozialpolitischen Geschehen war, skizzierte zunächst die dramatische Lage des Pflegesystems, die vor dem Hintergrund des demographischen Wandels eine ganzheitliche Lösung erfordere: „Menschen, die andere pflegen, stehen heute unter extremem Zeitdruck und enormem Stress bei gleichzeitiger Unterbezahlung“. Dies spiegle sich in einer Krankheitsquote wieder, die über ein Drittel höher als in anderen Berufszweigen sei. Allein auf den Idealismus zu bauen, den Pflegekräfte zumindest zu Beginn ihres Werdegangs mitbringen, reiche also nicht aus.
Der Fachkräftemangel sei die Konsequenz eines Systemfehlers, welchem die große Koalition mit den Pflegestärkungsgesetzen seit 2013 begegne. Imhof wertete diese jedoch nur als einen Schritt in die richtige Richtung. Insbesondere eine Verbesserung des Pflegeschlüssels sei Voraussetzung für eine höhere Attraktivität des Pflegeberufs und für mehr menschliche Zuwendung. Dazu gehörten auch eine bessere Bezahlung sowie eine hochwertige Aus- und Weiterbildung. „Die Politik braucht gerade hier die Rückendeckung der Gesellschaft“, welche der Pflege dieselbe Wertschätzung wie dem produzierende Gewerbe entgegenbringen müsse, so Imhof. Christen seien in doppelter Hinsicht gefordert: Zum einen müssten gerade kirchliche Träger wie Diakonie und Caritas mit einer höheren Bezahlung vorangehen. Dies setze jedoch zum anderen die Bereitschaft jedes Einzelnen voraus, mehr für Pflege zu bezahlen und auf diese Weise Solidarität mit den Pflegekräften zu üben.
Länder, die im Nahen Osten Flüchtlinge aufnehmen, benötigen mehr Unterstützung
Auch in der Flüchtlingskrise rief Imhof zur selbstkritischen Reflexion auf. Sorge sei eine nur allzu menschliche Reaktion auf einen Flüchtlingsstrom bisher unbekannten Ausmaßes. Gerade Christen dürften daraus jedoch keine Angst vor Asylsuchenden erwachsen lassen. Eben diese Angst werde von Nügida geschürt, deren Vokabular sie als Hetzer entlarve, denen keine Plattform geschenkt werden dürfe. Imhof verwies in diesem Zusammenhang auf bisherige Erfahrungswerte, die zeigten, dass die hohe Zahl der Flüchtlinge unsere Humanität fordere, jedoch nicht überfordere.
Zu lange, kritisierte Imhof, sei aus Kostengründen den Staaten Jordanien und Libanon, welche in Relation zur eigenen Bevölkerungszahl die meisten Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen, die nötigen Hilfszahlungen und damit existentielle Mindeststandards in Flüchtlingslagern verwehrt worden. Die dadurch entfachte Migration gipfle nun in einer unausgeglichenen Lastenverteilung, die eine fehlende nationale wie internationale Solidarität offenbare. Dies zeige sich in einer Überforderung des Freistaats Bayern, der allein mit etwa 80 Prozent der in Deutschland Asylsuchenden konfrontiert werde.
Die Flüchtlingskrise kann nach Imhofs Überzeugung europaweit und in Deutschland nur gemeinsam gemeistert werden, was von der Politik hohe Investitionen in Bildung und von Unternehmen einen vereinfachten Zugang zu Ausbildungs- und Weiterbildungsangeboten erfordere. Eine nachhaltige Bewältigung des Flüchtlingsstroms müsse letztlich auch zum Hinterfragen der eigenen Lebensweise führen: ,,Mit einem verschwenderischen Lebensstil und dem Anspruch, Wohlstand nicht teilen zu wollen, ,tragen auch wir eine Teilschuld'. Vor diesem Hintergrund ist ehrenamtliches Engagement besonders wichtig, für das sich der KKV mit der „Belebung der Keimzelle Familie“ in besonderer Weise verdient macht, sagte Imhof.
Zuvor hatte der frühere Dompropst von Eichstätt, Prälat Johann Limbacher, beim Festgottesdienst in der Kirche Hl. Dreifaltigkeit das Engagement des KKV für sozialen Fortschritt sowie eine menschengerechte Arbeitswelt im Sinne der katholischen Soziallehre betont. Seit 1890, als verstärkt Katholiken in das wirtschaftlich aufstrebende Nürnberg zogen und dort den KKV Mercator Nürnberg gründeten, habe der Verband nie an Relevanz eingebüßt. Mit seinem klaren Bekenntnis zum christlichen Menschenbild bewahre sich der KKV gerade in unserer von Gewinnmaximierung und Individualisierung dominierten Welt der Schnelllebigkeit, in der christliche Wertvorstellungen oftmals in Vergessenheit gerieten.
Damit stelle der KKV insbesondere am zeitgleich begangenen Weltmissionssonntag, der größten Solidaritätsaktion der Katholiken weltweit, ein plastisches Beispiel für die Bedeutung und die Beständigkeit gelebter Solidarität dar. Vor diesem Hintergrund sei der Festgottesdienst, der vom Männerchor LYRA Fischbach musikalisch begleitet mitgestaltet wurde, auch als Dankgottesdienst zu verstehen. Dieser würdige den Einsatz des KKV für soziale Gerechtigkeit, Fairness und Toleranz über Jahrzehnte und sich verändernde gesellschaftliche Entwicklungen hinweg. In einer globalen Perspektive wolle der Festakt an das Engagement christlicher Gemeinschaften und Ortskirchen weltweit erinnern.
Der bundesweit aktive KKV, der 1877 als Katholisch-Kaufmännischer Verband (KKV) gegründet und 1965 in KKV Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung umbenannt wurde, ist neben Kolping und der katholischen Arbeitnehmerschaft einer der drei frühen katholischen Sozialverbände. Als solcher habe man immer versucht, sich auf Basis der katholischen Soziallehre in die gesellschaftlichen Entwicklungen der jeweiligen Epoche einzumischen, betonte der bayerische Landesvorsitzende, Dr. Klaus-Stefan Krieger, bei der Festveranstaltung. Daher habe der KKV Bayern beim Landestreffen eine Erklärung verabschiedet mit der Forderung, Asylsuchende zu integrieren, ohne die Gesellschaft zu destabilisieren.
Autor:Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg |
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