Die lustige und traurige Welt des Mobbings
Peanuts-Papa Schulz wäre morgen 100 Jahre alt geworden

Charles M. Schulz hat knapp 18.000 Comic-Strips gezeichnet. | Foto: ---/Schulz Family Intellectual Property Trust/Charles M. Schulz Museum/dpa
  • Charles M. Schulz hat knapp 18.000 Comic-Strips gezeichnet.
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SANTA ROSA (dpa/vs) - Charlie Brown ist in der Regel der liebenswerte Versager, Lucy meist ein boshaftes Miststück, und Beagle Snoopy liefert von freundlich bis hinterhältig eine große Bandbreite an Verhaltensweisen, die nur allzu menschlich sind. Am 26. November wäre der Schöpfer der Comic-Serie "Peanuts" 100 Jahre alt geworden. Ein Rückblick auf die ebenso lustige wie traurige Welt des Mobbings.

Von Barbara Munker, dpa

Der Name Charles M. Schulz ist vermutlich nicht jedem ein Begriff. Doch seine Schöpfungen Charlie Brown, Snoopy, Lucy, Sally, Linus und ihre vielen Freunde kennen fast alle. Sie sind «Die Peanuts», ein weltbekanntes Comic-Universum. Der US-Amerikaner Schulz hätte am Samstag (26. November) den 100. Geburtstag gehabt.

Das Wort «Peanuts» steht im Englischen ursprünglich für «Erdnüsse» oder «Kleinigkeit». Mitte des 20. Jahrhunderts war es in den USA aber ein gängiges Wort für Kinder. «Die Peanuts», die einen Aufstieg von Comicstrip und Buchreihe bis zur TV-Serie und zu Kinofilmen erlebten, hatten eigentlich einen anderen Namen. Als der im US-Staat Minnesota geborene Schulz sie in seinem Heimatblatt veröffentlichte, hießen die Vorstadtkinder noch «Lil' Folks» (Kleine Leute). Schulz hing an dem Namen. Doch mit dem Verkauf an eine Gruppe wurde daraus «Peanuts».

Auftritt Charlie Brown

Am 2. Oktober 1950 erschien der erste Cartoon in sieben US-Zeitungen, klassischerweise in vier Rechtecken erzählt. «Der gute alte Charlie Brown», ruft ein kleiner Junge dem Vorbeigehenden vermeintlich wohlwollend zu - um im letzten Bild zu lästern: «Wie ich ihn hasse!»

Bis zu seinem Tod im Februar 2000 im kalifornischen Santa Rosa zeichnete Schulz knapp 18.000 Comic-Strips, sie wurden weltweit in mehr als 2600 Zeitungen abgedruckt und damit von mehr als 355 Millionen Menschen in 75 Ländern gelesen.

Charlie Brown ist der liebenswerte Verlierer und ewige Pechvogel, mit rundem Kopf und Haarkringel auf der Stirn. Sein philosophierender Beagle Snoopy liegt am liebsten auf dem Dach seiner Hundehütte. Oft schwirrt das gelbe Vögelchen Woodstock um ihn herum. Da sind noch die rechthaberische Lucy, Linus mit Schmusedecke, Beethoven-Fan Schroeder am Klavier, die burschikose Peppermint Patty und die launische Sally.

100 Prozent Charles M. Schulz

Schulz hat bis zu seinem Tod jeden Strip selbst gezeichnet und die Story erdacht. «Er hat so hart daran gearbeitet», so Witwe Jean Schulz im dpa-Interview. «Ich dachte früher, dass dies leicht wäre, aber nun ist mir klar, wie er um jeden kleinen Satz bemüht war.» Sie muss es wissen. 27 Jahre war das Paar bis zum Tod des Cartoonisten verheiratet. Nun verwaltet sie das riesige «Peanuts»-Universum und sorgt dafür, dass dieses Lebenswerk weiter Beachtung findet.

Stolz führt die Witwe durch das Charles-M.-Schulz-Museum, 2002 in Santa Rosa eröffnet. Ein nachgebildetes Studio zeigt den Arbeitsplatz, an dem Schulz 50 Jahre lang seine Charaktere zu Papier brachte. Wertvolle Original-Skizzen, Storyboards von Filmen und das «Wrapped Snoopy House», eine vom Künstler-Ehepaar Christo und Jeanne-Claude verpackte Hundehütte, zählen zu den Attraktionen. Aus der Ahnengalerie erfährt man, dass der Vater von Schulz, ein Friseur, aus Stendal (Sachsen-Anhalt) stammte, die Mutter hatte norwegische Wurzeln. Bezeichnenderweise ist auch Charlie Browns Vater Friseur.

Auch Schulz' Witwe hat einen Bezug zu Deutschland. Sie wurde 1939 in Mannheim geboren, ihre britischen Eltern hatten da eine Sprachschule, zogen aber vor Kriegsausbruch nach Kalifornien. Als junger Soldat war Charles Schulz auch in Deutschland stationiert. Schon damals habe der leidenschaftliche Zeichner seine Feldpost mit Skizzen verziert.

Sie nennt ihn nur «Sparky»

«Sparky» sei trotz Welterfolg und Millionenvermögen bodenständig und bis zum Ende in seine Arbeit vertieft geblieben, erzählt die Witwe. Sie nennt ihn nur bei seinem Spitznamen, den er schon als Baby von einem Onkel verpasst bekam, nach dem Pferd Spark Plug aus einem damals populären Comic. Eine riesige Feier zum 100. Geburtstag, wenn er noch leben würde, hätte er sich wohl nicht gewünscht, meint Jean.

Das runde Jubiläum wird dennoch zelebriert. Die US-Post feiert ihn mit einer Sondermarke, das Museum mit Ausstellungen, Kuchen und einer Show in der benachbarten Eislaufhalle, die Schulz, ein passionierte Schlittschuhläufer, in den 1960er Jahren gebaut hatte.

Schulz hat Charlie Brown und Snoopy zu einem Stück Kulturgut gemacht. Es gibt sie als Comic, auf dem Bildschirm, im Kino, als Markenartikel - und das nicht nur auf der Erde: 1969 bei der Raumfahrtmission Apollo 10 hatte das Raumschiff das Rufzeichen «Charlie Brown», die Mondfähre hieß «Snoopy». Der Zeichner bekam Emmys, einen Stern auf Hollywoods «Walk of Fame und die Goldmedaille des US-Kongresses verliehen.

Die alten «Peanuts»-Strips werden weiter gedruckt, dazu gibt es auch neuen Content, an dem die Witwe und die fünf Kinder aus Schulz' erster Ehe mitwirken. Im vorigen Jahr brachte der Streamingdienst Apple TV+ mit «The Snoopy Show» eine neue Zeichentrickserie heraus.

Zutiefst menschlich

Warum ist die «Peanuts»-Gang nach so vielen Jahren immer noch so beliebt? «Sparky ging es um Menschlichkeit, was es heißt, Freunde, Streit, Enttäuschung und Freude zu haben», meint Jean. Er sei zudem immer sehr neugierig gewesen und habe vieles aufgegriffen. Während der Pandemie hätte er bestimmt alles darüber lernen und in die Comics einbauen wollen. Schulz war auch fortschrittlich. 1968, kurz nach der Ermordung des Bürgerrechtlers Martin Luther King, führte er den schwarzen Jungen Franklin ein. Eine Leserin hatte ihn dazu animiert.

Die «Peanuts»-Figuren kämpfen immer wieder mit denselben Problemen - Liebeskummer, Ängste, Frust - gerade dadurch sind sie vielen ans Herz gewachsen. So ergeht es Charlie Brown jedes Mal, wenn ihm Lucy den Football unter der Nase wegzieht: Er sieht sich als Loser, doch er gibt nicht auf. Schulz habe Depressionen und Ängste gehabt, erzählt seine Witwe. «Aber er hatte Glück, dass er jeden Tag über etwas lachen konnte und dass das Zeichnen ihm Freude brachte.»

Eine Lieblingsfigur habe er nicht gehabt. Er sagte immer, dass alle Charaktere ein wenig von ihm hätten, erzählt Jean. Lucy den Sarkasmus, Charlie Brown die Dummheit und Snoopy den Freiheitsdrang. «Er hatte eine Rollenbesetzung, die es ihm erlaubte, alles auszudrücken, was er sagen wollte».

Der 77-Jährige erlag am 12. Februar 2000 einem Krebsleiden, nur wenige Stunden vor dem Erscheinen seines letzten Comic-Strips. In der letzten «Peanuts»-Folge steht Charlie Brown am Telefon und sagt: «Nein, ich glaube, er schreibt.» Das nächste Bild zeigt Snoopy auf seiner Hundehütte vor der Schreibmaschine. «Liebe Freunde», heißt es da, «ich hatte das Glück, Charlie Brown und seine Freunde fast 50 Jahre zeichnen zu können. Das war die Erfüllung meiner Kindheitsträume». Nun sei er dazu nicht mehr in der Lage. Er sei dankbar für die Loyalität der Redakteure und die Liebe der Fans für die Serie. «Charlie Brown, Snoopy, Linus, Lucy... wie könnte ich sie je vergessen...».

Autor:

Victor Schlampp aus Schwabach

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