Bald keine Hausärzte mehr auf dem Land?
So will der Landkreis Hof dagegen steuern
SCHWARZENBRUCK an der Saale/HOF (dpa/vs) - Die Stadt Hof und der Landkreis stehen exemplarisch für eine Entwicklung, die deutschlandweit Anlass zur Sorge gibt: Gerade im ländlichen Bereich fehlen zunehmend Allgemein- und Hausärzte. Doch was tut die Politik, damit es nicht noch schlimmer wird? - Anbei Fakten, Zahlen und Ideen.
Von Kathrin Zeilmann, dpa
Für Fanny Bartsch war schnell klar, wohin die Reise geht. Sie wollte Hausärztin werden. Genauer gesagt: Fachärztin für Allgemeinmedizin. «Mir ist die Nähe zu den Patienten wichtig, das war einer der Gründe, warum ich Medizin studiert habe», sagt sie. Auf diesem Weg unterstützt hat sie der Landkreis Hof mit einem Stipendium. Bedingung: Sie muss mindestens vier Jahre als Hausärztin in der Region arbeiten und zuvor ihre Facharztausbildung hier absolvieren.
Denn im Landkreis Hof zeigt sich exemplarisch, wie es um die Hausarztversorgung auf dem Land in Bayern bestellt ist: Selbst dort, wo auf dem Papier noch eine gute Versorgungslage vorherrscht, dürfte es in den kommenden Jahren eng werden. Denn viele Landärzte und -ärztinnen stehen kurz vor dem Ruhestand. Und finden kaum Nachfolger für ihre Praxen. Das Durchschnittsalter der im Hofer Landkreis praktizierenden Hausärzte sei hoch, sagt Landrat Oliver Bär (CSU). 113 Hausärzte gibt es laut Landratsamt aktuell in Stadt und Landkreis, 55 davon sind bereits 60 Jahre oder älter.
Derzeit absolviert Fanny Bartsch ihre Facharztausbildung im Hofer Land. Einen wichtigen Part dabei nimmt die Hausarztpraxis von Katrin Schubert in Schwarzenbach an der Saale ein. Kollegial-freundlich ist der Umgangston, Ärztin Schubert freut sich über die Unterstützung der Nachwuchskraft. Die Gesamtsituation für die Hausärzteschaft sei schwierig, sagt Schubert. Gingen Kollegen in den Ruhestand, müssten die verbliebenen Praxen das auffangen. Vor vier Jahren hat sie die Praxis erweitert, um noch mit weiteren Ärzten zusammen hier praktizieren zu können. «Deshalb haben wir derzeit auch keinen Aufnahmestopp.»
Landkreis zahlt bis zu 25.200 Euro
Vor fünf Jahren installierte der Landkreis Hof das Stipendien-Programm für angehende Medizinerinnen und Mediziner. Bis zu 25.200 Euro Unterstützung zahlt die Kommune im Lauf der Ausbildung. «Uns ist klar: Wenn wir Ärztinnen und Ärzte haben wollen, müssen wir dicke Bretter bohren», sagt Landrat Bär. Schließlich dauert es rund ein Jahrzehnt, bis aus einem hoffnungsvollen Medizinstudenten einmal ein Hausarzt wird.
Doch nicht nur mit dem Stipendium wirbt der Landkreis, bei verschiedenen Aktionen können Studierende die Region auch kennenlernen: Freizeitmöglichkeiten, berufliche Chancen, Kinderbetreuung, kulturelle Angebote. Dabei weiß auch Landrat Bär, dass es nicht alleine die Kommune in der Hand hat, angehende Ärztinnen und Ärzte anzulocken. Man brauche auch die Politik in Bund und Land dazu. «Wir können nur einen Baustein liefern.»
Inzwischen ist das Stipendien-Programm auch auf Fachärzte ausgeweitet. Engpässe gebe es beispielsweise bei der Versorgung mit Kinderärzten, sagt Bär. Der Altersdurchschnitt liege bei 60 Jahren, ein Sitz sei derzeit sogar komplett vakant. Dieser Mangel wirkt sich auch auf die Hausärzte aus, wie Schubert sagt: Wer keinen Kinderarzt für den Nachwuchs finde, lande eben beim Hausarzt.
Fanny Bartsch selbst kennt Schwarzenbach an der Saale bereits gut, ist hier zur Schule gegangen, bevor sie in Jena Medizin studiert hat. Sie freue sich darauf, dass sie bald hier in der Region als Ärztin tätig sein wird, sagt sie: «Ich mag die Rückzugsmöglichkeiten, die Wälder, die Ruhe.»
«Teamwork» nötig
Ärzteverbände in Bayern befürworten regionale Initiativen, die um Landärztinnen und -ärzte werben. «Erfolgversprechend ist die lokale Suche nach jungen Ärztinnen und Ärzten, die bereit sind, eine Praxis zu übernehmen, meist dann, wenn dies alle Akteure vor Ort als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen. Hier nehmen die Kommunen einen wichtigen Part ein», sagt Christian Pfeiffer, Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB) in Bayern. «Es ist Teamwork von allen Beteiligten nötig», da die Ansiedlung einer Praxis durchaus mit der Ansiedlung eines mittelständischen Unternehmens vergleichbar sei.
Auch in anderen Regionen wurden verschiedene Fördermöglichkeiten geschaffen, so bietet etwa auch der Landkreis Wunsiedel seit 2021 Stipendien für künftige Landärzte an. Der Freistaat hat seine bayernweite Landarztförderung bereits 2012 installiert.
Selbst dort, wo noch ein guter Versorgungsgrad vorherrsche, gebe es aufgrund der Altersstruktur der Hausärztinnen und -ärzte «in naher Zukunft» Versorgungsengpässe, warnt Beate Reinhardt, stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes.
Trend zu Teilzeit und Anstellung
Zum Februar 2024 waren in Bayern 470 hausärztliche Vertragsarztsitze nicht besetzt, wie Pfeiffer erläutert. Damit habe die Zahl der nicht besetzten Vertragsarztsitze im hausärztlichen Bereich weiter zugenommen. Die bisherigen Absolventenzahlen im Medizinstudium reichten nicht aus, um den Mangel zu beheben, sagt Pfeiffer. Der Trend gehe zudem hin zur Anstellung in Teilzeit. Und: Viele Ärzte wollten keine eigene Praxis gründen, sondern sich lieber anstellen lassen. Grundsätzlich sei es dringend nötig, die Zahl der Studienplätze für das Fach Humanmedizin zu erhöhen.
Der Hausärzteverband begrüßt es beispielsweise, dass bei der Landarztquote in Bayern nicht nur Abiturientinnen und Abiturienten mit besonders guten Abinoten zum Zug kommen, sondern «gezielt auch nach Engagement, Vorerfahrung und Motivation ausgewählt wird», wie Reinhardt sagt. Dieser Ansatz sollte generell mehr berücksichtigt werden: «Denn gute Schulnoten allein machen noch keine guten Mediziner, Skills wie Empathie und Pragmatismus sind ebenfalls wichtig.»
© dpa-infocom, dpa:240513-99-10149
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