Zitzmann-Prozess, Teil 2
Angeklagter Autokönig geht in die Offensive!
Nürnberg – 9 Uhr, Saal 60 im Justizpalast. Zweiter Verhandlungstag in Sachen Aktenzeichen 51 Cs 709 Js 1 02432/21 – der schrägste Prozess des Jahres! Ausgerechnet Frankens „Autokönig“ Christoph Zitzmann (53) steht wegen eines Verkehrsunfalls vor Gericht. Der Staatsanwalt klagt gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr an. Doch Zitzmann geht jetzt in die Offensive!
Der Kaufmann, europaweit bekannt für seinen Handel mit Lamborghini, Bugatti, Ferrari und Rolls-Royce, soll am 1.1.2021 gegen 1.45 Uhr am Laufertorgraben bei einer Verkehrskontrolle absichtlich eine Vollbremsung mit seinem Mercedes ML 55 AMG hingelegt haben, so dass Polizeihauptkommissar Rene T. („So eine Aktion hab ich in meinem ganzen Berufsleben noch nie erlebt!") ihm mit seinem VW-Bus hinten drauf krachte. Gesamtschaden rund 23.000 Euro.
Die Hauptrolle am zweiten Prozesstag spielte der Gutachter. Seine Berechnungen führten zum Resultat: Hätte Zitzmann bei etwa 35 km/h nicht (mit angenommenen 6,5 Metern pro Quadratsekunde) voll gebremst sondern nur halb so fest, wäre der Unfall vermutlich zu vermeiden gewesen. Ebenso wie Polizist T. wohl nicht aufgefahren wäre, wenn er mehr Sicherheitsabstand gelassen hätte als die angenommenen nur knapp 6 Meter.
So simpel – so ungenau. Denn entscheidende Parameter wie die in Wahrheit gefahrenen Geschwindigkeiten (im Strafbefehl hieß es noch 20 bis 30 km/h) fehlen. Die beiden Autos. 21 und elf Jahre alt, haben im Gegensatz zu modernen Fahrzeugen die nötigen Daten nicht gespeichert. Und selbst wenn – Gutachter F. aus Erlangen-Tennenlohe muss mit Fotos und Zeugenaussagen auskommen. Keines der Unfallautos hatte er unter die Lupe genommen. „Der Polizeibus war auch auf 20-malige Nachfrage nicht zu bekommen, mal war er im Einsatz, dann wieder nicht greifbar", schildert er. Und bei dem Mercedes hatte sein Büro wie üblich die Polizei angeschrieben, aber keine Reaktion erhalten.
Als Experte F. („Ich mache das seit 33 Jahren...") anhand von digital vergrößerten Fotos aus der Unfallnacht später sogar die an den Autos verwendeten Reifenmarken und deren Typ erkennen will, fragt Angeklagter Zitzmann nach: „Auf solchen Fotos können Sie was erkennen? Warum haben Sie die Reifen denn nicht bereits bei Gutachten-Erstellung überprüft?", will er wissen. Immer wieder ergreift er nun das Wort, hakt nach, geht in die Offensive.
Kommenden Dienstag, am dritten Verhandlungstag muss Richter Weißschädel (macht eine souveräne Figur), entscheiden. Der Prozess wird dann mehrere Zehntausend Euro gekostet haben. Mit 35 Euro Verwarngeld gegen Rene T. als Auffahrenden hätte die Sache unmittelbar nach dem Unfall erledigt sein können. Warum er in einem von mehreren späteren Telefonaten mit einem Kollegen der Verkehrspolizei strafrechtliche Ermittlungen gegen Zitzmann erst zeitverzögert bei der Staatsanwaltschaft in Gang setzte, statt sofort nach dem Unfall, blieb ebenso unklar, wie die Frage, was aus dem Ordnungswidrigkeiten-Verfahren gegen den Beamten wurde.
Autor:Peter Maskow aus Nürnberg |
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