Freistaat Bayern gibt 21 Mio Euro dazu
Bröckelnde Zeppelintribüne kann gerettet werden
NÜRNBERG (pm) - Der Freistaat Bayern beteiligt sich an der baulichen Sicherung von Zeppelintribüne und Zeppelinfeld mit 21,275 Millionen Euro.
Dies bestätigte Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder jetzt bei einem Pressetermin an der Zeppelintribüne. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 85,1 Millionen Euro. Vorbehaltlich der Zustimmung des Bayerischen Landtags wird die Beteiligung des Freistaats in Höhe von 21,275 Millionen Euro über den Doppelhaushalt 2019/2020 abgesichert.
Vorausgegangen waren viele Jahre öffentlicher und fachlicher Diskussion und eine umfassende Konzeptentwicklung der Stadt Nürnberg. Im Sommer 2018 hatte der Deutsche Bundestag die Übernahme der Hälfte der Gesamtkosten von 85,1 Millionen Euro beschlossen. Auch die Stadt Nürnberg stellt sich mit der Übernahme des restlichen Viertels ihrer Verantwortung. Damit kann nun ein umfassendes Planungs-, Förder- und Ausschreibungsverfahren für die auf mindestens acht Jahre angelegte Maßnahme begonnen werden, die seitens des Freistaats Bayern vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus betreut wird.
Der Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, Dr. Ulrich Maly, zeigte sich äußerst erfreut:
„Wir sehen schon lange den Erhalt des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes, vor allem der Zeppelintribüne und des Zeppelinfelds, als herausragende bildungs- und kulturpolitische Aufgabe. Bei den baulichen Hinterlassenschaften der NS-Zeit handelt es sich um ein nationales Erbe. Ich bin deshalb froh, dass es gelungen ist, mit maßgeblicher Unterstützung des Bundes und des Freistaats die Finanzierung der notwendigen Instandsetzung sicherzustellen. Die bauliche Sicherung des Vorhandenen in seinem heutigen Zustand ist eine wesentliche Voraussetzung für das von der Stadt Nürnberg weiter ausgebaute Konzept der Geschichtsvermittlung und der nach vorne gerichteten Bildungsarbeit.“
Ministerpräsident Dr. Markus Söder erklärte:
„Das ehemalige Reichsparteitagsgelände in Nürnberg ist in seiner Monumentalität und seiner Rolle für die Erinnerungskultur singulär. Es ist ein wichtiger Teil des kollektiven Gedächtnisses an die NS-Zeit. Zeppelinfeld und Zeppelintribüne müssen als authentische Erinnerungsorte und als Mahnung für künftige Generationen erkennbar bleiben. Zu dieser Verantwortung stehen wir und werden als Freistaat Bayern einen substantiellen Beitrag leisten.“
Der Staatsminister für Unterricht und Kultus, Prof. Dr. Michael Piazolo, stellte fest:
„Wir stehen in der Verantwortung, die Erinnerung an die beispiellosen Verbrechen des Nationalsozialismus wach zu halten. Dies kann man auch an den Schauplätzen tun, an denen sich das NS- Regime inszeniert hat. Die Instandsetzung der Zeppelintribüne muss eingebettet werden in ein Vermittlungskonzept, das diesen Ort entmystifiziert und die Menschenverachtung der NS-Ideologie entlarvt. Hierzu beitragen können architektonische Elemente der Brechung und ein didaktisch innovatives Ausstellungskonzept.“
Kulturreferentin Prof. Dr. Julia Lehner betonte die Bedeutung eines zukunftsweisenden Vermittlungskonzepts:
„Mit dem konzeptionellen Dreiklang der baulichen Sicherung, Öffnung und damit Entmystifizierung verschlossener Bereiche sowie historisch-didaktischer Informationsangebote auf dem zukünftigen Lernort reagieren wir auf die Herausforderungen der Geschichtsvermittlung nach dem Ende der Zeitzeugenschaft. Im Schulterschluss mit der Bundesregierung und dem Freistaat Bayern können wir an diesem historischen Ort Tendenzen von Rassismus, Nationalismus und Radikalismus ein deutliches ,Nein‘ entgegensetzen.“
Zeppelintribüne und Zeppelinfeld sind die einzigen fertiggestellten, in der NS-Zeit genutzten und noch erhaltenen baulichen Hinterlassenschaften auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände.
Mehr als 300.000 Menschen kommen jährlich hierher, um sich einen Eindruck von der Propagandaarchitektur der Nationalsozialisten und der damit verbundenen Ideologie zu verschaffen. Der Nürnberger Stadtrat hat wiederholt, vor allem mit den „Leitlinien zum künftigen Umgang der Stadt Nürnberg mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände“ im Jahr 2004 und der Verabschiedung von Konzeptpapieren 2015 und 2016, die Notwendigkeit des Erhalts der seit 1973 unter Denkmalschutz stehenden Bauten im jetzigen Zustand sowie deren zukunftsgerichtete Vermittlung bekräftigt.
Nachdem sich der bauliche Zustand der Anlage in den vergangenen Jahren rapide verschlechtert hatte und immer mehr Bereiche aus Sicherheitsgründen abgesperrt werden mussten, ließ die Stadt Nürnberg zwischen 2014 und 2016 für drei Millionen Euro an Musterflächen der Tribünenfassade, den Stufen und der Wallanlage unterschiedliche Methoden der baulichen Sicherung des jetzigen Zustands erproben, evaluieren und die Kosten ermitteln. Aufgrund dieser Erkenntnisse belaufen sich die Gesamtkosten unter Einbeziehung der Baukostensteigerung auf 85,1 Millionen Euro bei einer Bauzeit von acht bis zwölf Jahren.
Die bauliche Sicherung des jetzigen Zustands ist kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für eine zukunftsgerichtete Vermittlungsarbeit am historischen Lernort, der den Herausforderungen des Endes der Zeitzeugenschaft und einer zunehmend diverser werdenden Gesellschaft Rechnung trägt. Neben historischer Information geht es auch darum, die Lehren, die aus dem Besuch dieses Ortes gezogen werden können, in das heutige Handeln zu übertragen.
Das Konzept des Kulturreferats sieht daher unter dem Leitgedanken „Sichern, Öffnen und Informieren“ auf Basis der baulichen Sicherung auch die Öffnung bisher verschlossener Bereiche vor, um einer Mystifizierung keinen Vorschub zu leisten und die Anlage in der ihr zugedachten Funktion verstehbar zu machen. Hierzu zählen der Mittelbau der Zeppelintribüne mit dem „Goldenen Saal“, ein Treppenhaus, die freie Zugänglichkeit einer Seite des Zeppelinfelds sowie die Öffnung eines Turms in der Wallanlage des Zeppelinfeldes.
Geplant sind neben der Informationsvermittlung auch neuartige Reflexionspunkte unter anderem auf dem Zeppelinfeld oder an der früheren Rednerkanzel, die zum Nachdenken anregen sollen, ob und welche Bedeutung das Gesehene und Erlernte für Situationen heute haben könnte. Die Mischnutzung als Ort für Freizeit- und Sportaktivitäten bleibt davon unangetastet.
Mit der Finanzzusage können der umfassende und komplexe mehrjährige Förder- und Ausschreibungsprozess begonnen, die Planungen konkretisiert und ein Zeitplan entwickelt werden. Hierzu wurde beim Kulturreferat die Stabsstelle „Ehemaliges Reichsparteitagsgelände/Zeppelintribüne und Zeppelinfeld“ eingerichtet. Sie entwickelt in enger Zusammenarbeit mit der zuständigen Stabsstelle im Hochbauamt und den Fachleuten im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände die Maßnahme.
Autor:Peter Maskow aus Nürnberg |
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