Der Historische Rathaussaal – was er ist und was er sein könnte!
NÜRNBERG (k.h.e/nf) - Der Rathaussaal ist die „Herzkammer“ der Stadt. Jahr für Jahr bewundern ihn über 100.000 Besucher. Wenn man Gäste hat, führt man sie stolz in den Saal und zeigt, welche Pracht nach der verheerenden Zerstörung dort wieder entstanden ist. Praktisch jede Stadtführung bezieht den Saal mit ein. Jedes Schulkind besucht mindestens einmal mit seiner Klasse den Rathaussaal.
All dies gilt natürlich nicht für den Nürnberger Rathaussaal, sondern für den Goldenen Saal in Augsburg. Wie in Nürnberg standen dort nach Kriegsende nur noch die ausgebrannten Außenmauern. Seit dem Abschluss des Wiederaufbaus 1996 mit voller Ausmalung ist er ein Besuchermagnet für Einheimische und Touristen.
Den Rathaussaal in unserer Stadt besucht dagegen niemand. Wie auch, ist er doch außer bei Veranstaltungen verschlossen. Stattdessen werden die Besucher auf die Lochgefängnisse verwiesen. Sicher, der Saal hat seine eigene Ästhetik und funktioniert gut bei Empfängen, Vorträgen oder Konzerten. Ansonsten wird er von den Nürnbergern und den auswärtigen Besuchern ignoriert.
Bürgerentscheid am 25. Mai 2014
Durch die Initiative der Altstadtfreunde können die Nürnberger über den künftigen Zustand des Historischen Rathaussaals am Tag der Europawahl direkt entscheiden. Die Altstadtfreunde setzen sich dabei für die Fertigstellung des Saals nach dem Vorkriegszustand ein.
Vor seiner Zerstörung faszinierte der von Dürer 1521 vollständig entworfene Saal die Besucher, auch wenn er im Laufe der Jahrhunderte Veränderungen erfahren hatte. Es ist jedoch unbestritten, dass Dürers Bildprogramm zumindest auf der Nordwand noch sichtbar war.
Beim Wiederaufbau des Saals in den 1980er Jahren orientierte man sich am gut dokumentierten historischen Zustand. Allerdings unterblieb die Vollendung nach einem erbittert geführten Streit um die Ausmalung. 1989 wurden alle Arbeiten eingestellt. Seit 25 Jahren ist der Saal ein Torso.
Warum soll der Saal fertiggestellt und ausgemalt werden?
• Er war vor seiner Zerstörung Dürers größtes Werk und sein lukrativster Auftrag. Das Bildprogramm an den Wänden wurde jahrhundertelang bewundert.
• Er wurde mit seiner Renaissance-Tonnendecke und dem Peter-Vischer-Gitter rekonstruiert. Zum Gesamteindruck fehlt die Ausmalung. Ohne sie macht der heute vorhandene, historische Ausbau keinen Sinn.
• In seiner heutigen Form wird er seiner herausragenden Bedeutung in der Geschichte der Stadt, der Reichs- und der europäischen Geschichte nicht gerecht. Man denke nur an das Friedensmahl von 1649, das den Dreißigjährigen Krieg beendete.
• An drei Stellen ist die Jahreszahl 1521 im Saal sichtbar. Das 500-jährige Jubiläum 2021 muss Ansporn sein, jetzt zu handeln. Die Erinnerungsfeiern in einem vollendeten Saal fänden sicher große internationale Beachtung.
• Ohne öffentliche Zugänglichkeit des Saals wird das Rathaus als historischer Ort auf die Lochgefängnisse reduziert, und das in der Stadt der Menschenrechte!
• Während der Rekonstruktion in den 1980er Jahren gingen alle gesellschaftlichen und politischen Kräfte von einer Ausmalung aus. Die Idee der weißen Wand taucht erst im Herbst 1988 auf.
Kann man die Ausmalung rekonstruieren und ist sie bezahlbar?
Viele Beispiele zeigen, dass zerstörte Wandgemälde rekonstruierbar sind: allein in Bayern der Goldene Saal im Augsburger Rathaus und die Prunkräume in den Residenzen von München (z.B. Antiquarium) und Würzburg (z.B. Spiegelkabinett). Für den Nürnberger Rathaussaal ist nur eine Ausgestaltung von hoher künstlerischer Qualität vorstellbar. Maler, die diesen Anspruch erfüllen könnten, sind rar gesät, aber es gibt sie.
Man kann davon ausgehen, dass ein Großteil der erforderlichen Mittel – wie in den 1980er Jahren – durch Spenden aufgebracht wird. Die Altstadtfreunde haben im Pellerhof gezeigt, wie es geht: Über 3 Millionen € sind dort mittlerweile zusammengekommen. Für die Herzkammer der Stadt ist sicher noch mehr zu erwarten.
Karl-Heinz Enderle, 1. Vorsitzender der Altstadtfreunde Nürnberg e.V: ,,Die Kostenschätzung der Stadt von 6,5 bis 9 Millionen Euro ist nach Meinung der Altstadtfreunde weit überzogen. Die Ausmalung und Fertigstellung des Rathaussaals bekommen wir jedoch nicht zum Nulltarif. Sie ist notwendig, um den Saal wieder zu einem Ort zu machen, mit dem sich die Bürgerinnen und Bürger identifizieren. Es war richtig, dass die Stadt in den letzten Jahren große Summen in die Auseinandersetzung mit der Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus investiert hat. Es braucht aber auch Räume, auf die die Bürger stolz sein können. Die Herzkammer der Stadt, in der man Dürers größtes Werk – trotz aller Veränderungen – sinnlich erfahren kann, wäre der richtige Ort."
Infos:
www.rathaussaal.de
www.altstadtfreunde-nuernberg.de/rathaussaal.html
www.facebook.com/AltstadtfreundeNuernberg
Autor:Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.