Oberbürgermeister Dr. Maly nach Diesel-Urteil: Weckruf für Bundespolitik und Automobilindustrie

Äußerst problematisch sieht Maly die Feststellung des Gerichts, dass nach der Straßenverkehrsordnung die Beschilderung sowohl zonaler als streckenbezogener Verkehrsverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge möglich ist. | Foto: ©bluedesign/Fotolia.com
  • Äußerst problematisch sieht Maly die Feststellung des Gerichts, dass nach der Straßenverkehrsordnung die Beschilderung sowohl zonaler als streckenbezogener Verkehrsverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge möglich ist.
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NÜRNBERG (pm/nf) - Nach dem heutigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, wonach Fahrverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge in Städten grundsätzlich zulässig sind, verstärkt Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly die Forderung an die Adresse der Bundesregierung, den Druck auf die Automobilindustrie deutlich zu erhöhen und sie zu wirksamen Hardware- Nachrüstungen für ältere Dieselautos zu verpflichten.

Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly kommentierte das Urteil in einer ersten Stellungnahme.  „Das Gericht hat damit bestätigt, dass die Gesundheit der Menschen oberste Priorität hat. Das wird aber in Nürnberg nicht dazu führen, dass es zu sofortigen Verkehrsverboten kommt und wir die Stadt lahmlegen. Wir werden unsere Entscheidungen mit aller Sorgfalt treffen. Dabei wird die Frage der Verhältnismäßigkeit eine ganz wichtige Rolle spielen.Eine – technisch mögliche – Nachrüstung der Hardware auch älterer Dieselfahrzeuge ist absolut notwendig. Hier ist die Bundesregierung dringend aufgefordert, ihren Kuschelkurs gegenüber der Automobilindustrie endlich zu verlassen. Denn die Automobilindustrie hat es in der Hand, Fahrverbote zu vermeiden.
Das Gericht hat erwartungsgemäß entschieden, dass dann, wenn die Grenzwerte der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen nicht eingehalten werden, Kommunen auch ohne bundeseinheitliche Regelung Fahrverbote erlassen können. Zugleich stellt es aber auch fest, dass alle Eingriffe verhältnismäßig sein
müssen. Ein unmittelbares generelles Verbot hat dieses Urteil mithin nicht zur Folge. Nun sind die Länder am Zug, um Luftreinhaltepläne anzupassen und zu prüfen, welche konkreten Maßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen sind zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte. Es ist ein Gebot der Praktikabilität, bundesweit einheitliche Regelungen zu schaffen. Für eine vernünftige Anwendung brauchen wir die Blaue Plakette, also eine Kennzeichnung für Fahrzeuge, die die Schadstoffgrenzwerte einhalten.“

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil mehrfach festgehalten, dass auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss. So könnten mögliche Fahrverbotszonen phasenweise eingeführt werden, etwa in einer ersten Stufe nur für ältere Fahrzeuge (bis zur Abgasnorm Euro 4), dann für Euro-5-Fahrzeuge nicht vor dem1. September 2019. Darüber hinaus bedürfe es „hinreichender Ausnahmen“, etwa für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen.
Äußerst problematisch sieht Maly die Feststellung des Gerichts, dass nach der Straßenverkehrsordnung die Beschilderung sowohl zonaler als streckenbezogener Verkehrsverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge möglich ist. „Wenn wir theoretisch gezwungen wären, die Von-der-Tann-Straße oder den Mittleren Ring zu sperren, würde das keinen Verkehr verhindern, sondern ihn nur in die Wohnquartiere und Tempo-30-Zonen verdrängen. Das würde 30 Jahre vernünftige Verkehrspolitik im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger komplett konterkarieren und dem Ziel der Verordnungsregelung – Schutz der menschlichen Gesundheit – eklatant zuwiderlaufen.“

Konkret hat das Bundesverwaltungsgericht die Revisionen der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegen erstinstanzliche Urteile der Verwaltungsgerichte Stuttgart und Düsseldorf zurückgewiesen. Die Verwaltungsgerichte hatten nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe die beiden Länder verpflichtet, die Luftreinhaltepläne für Stuttgart und Düsseldorf so zu verbessern, dass diese die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte enthalten. Dabei hatten beide Gerichte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ausdrücklich als geeignete Maßnahmen bezeichnet. Dies wurde nun bestätigt.

Hintergrund: Was Nürnberg für die Luftreinhaltung tut

Zur aktuellen Schadstoffbelastung in Nürnberg lassen sich folgende Angaben machen:Die Luftqualität in Nürnberg ist dadurch charakterisiert, dass

– nie Grenzwertüberschreitungen beim Feinstaub aufgetreten sind, aber
– die Jahresmittelwerte für Stickstoffdioxid in Bereichen desBundesstraßenrings (charakterisiert durch die Messstation Von- der-Tann-Straße) über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (μg/m3) liegen. Allerdings konnten die Belastungen in den letzten Jahren von Werten um 55 μg/m3 auf einen Jahresmittelwert von 43 μg/m3 im Jahre 2017 gesenkt werden.

Die vergleichsweise moderate Belastungssituation in Nürnberg verdankt sich ganz wesentlich strukturellen Veränderungen im Verkehr: Neben dem konsequenten Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) hat sich insbesondere die Sperrung der Durchfahrt durch die Altstadt und deren Erschließung über eine sogenannte Schleifenlösung als langfristig erfolgreich erwiesen. Dadurch ist das Verkehrsaufkommen in der Hauptachse von ehedem circa 28 000 Fahrzeugen auf circa3 000 Fahrzeuge gesunken und dementsprechend sind auch die Stickstoffdioxid-Einträge in diesem eng und hoch bebauten Bereich reduziert worden.

Weiterhin konnten verschiedene große Logistik-Einrichtungen von innerstädtischen Lagen in den Nürnberger Hafen verlagert werden (Hauptzollamt, Container-Bahnhof, Logistik-Zentralen von DB-Schenker sowie weitere Logistik-Unternehmen), was wiederum Teilbereiche der Stadt von Verkehren entlastete.

Darüber hinaus werden circa 50 Prozent der Nürnberger Busse mit Erdgas betrieben, vereinzelt kommen Hybrid-Busse zum Einsatz und die Beschaffung von Elektrobussen ist auf den Weg gebracht. Seit vielen Jahren wird in Zusammenarbeit (und unter wissenschaftlicher Begleitung) mit den örtlichen Kurier- und Express-Diensten an einer Umstellung der innerstädtischen Zustellsysteme auf emissionsarme Modalitäten gearbeitet. Das führte zu einem sich schrittweise verändernden Fahrzeug- Mix (Elektroantrieb, Erdgas-Fahrzeuge, Hybrid-Fahrzeuge neben den klassischen Sprinter-Modellen) sowie zu neuen Abläufen bei der Auslieferung zu den Endkunden (Einsatz von Handwägen und Lastenfahrrädern).

Der Fahrradverkehr gewinnt – nicht zuletzt dank der städtischen Kampagne „Nürnberg steigt auf“ – kontinuierlich an Bedeutung. Wegen der starken Dieselflotte in den grenzübergreifenden Einpendlerverkehren spielen zudem Radschnellwege und Verbesserungen des grenzüberschreitenden ÖPNV (Erschließung der Landkreise) eine entscheidende Rolle für die Verbesserung der Luftqualität in der Stadt.

Auch in der städtischen Fahrzeugflotte steigt der Anteil emissionsarmer Fahrzeuge – der Umbruch ist eingeleitet, bedarf aber noch der Ausgestaltung in der Breite. Fördermittel des Bundes für den Umstellungsprozess im ÖPNV und bei Kommunalfahrzeugen sind essentiell, um in diesen Bereichen rasch voranzukommen.Die Stadt Nürnberg erarbeitet derzeit einen Masterplan für emissionsfreie und nachhaltige Mobilität im Rahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft 2017 – 2020“ der Bundesregierung. Ziel ist die Ermittlung der Minderungswirkung verschiedener Maßnahmen und deren Priorisierung. Die Stadt Nürnberg setzt darauf, die aktuell seitens der Bundesregierung zugesagten Fördermittel insbesondere auch dazu zu nutzen, den öffentlichen Personennahverkehr weiter zu stärken.

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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