Befristete Notfallzulassung erlaubt Landwirten die Feldmausbekämpfung mit verbotenem Wirkstoff
LBV warnt vor Gefahren für Greifvögel, Eulen und verschiedene bedrohte Arten wie dem Feldhamster
TIERSCHUTZ (pm/nf) - Aufgrund der regional hohen Feldmausdichten und der dadurch befürchteten Ernteausfälle hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eine befristete Notfallzulassung für die Ausbringung von Ratron Feldmausködern im Streuverfahren erteilt, die nun auch in Bayern umgesetzt werden soll. Die Köder enthalten den Wirkstoff Chlorphacinon, der die Blutgerinnung hemmt und aufgrund der Gefahren für Tiere und den Naturhaushalt seit 2007 in der EU verboten ist. Der LBV verurteilt die Erlaubnis zum offenen Ausbringen des Giftstoffes auf landwirtschaftlichen Flächen und warnt vor Gefahren für Greifvögel, Eulen und verschiedene bedrohte Arten wie den Feldhamster und fordert, die Zulassung von Ratron auszusetzen, bis die naturschutzfachlichen Bedenken ausgeräumt sind.
Mit Bescheid vom 12.08.2015 hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) für das Pflanzenschutzmittel „Ratron Feldmausköder“ mit dem Wirkstoff Chlorphacinon eine befristete Zulassung vom 01.09.2015 bis zum 29.12.2015 zur Bekämpfung von Feld- und Erdmaus auf landwirtschaftlichen Flächen erteilt, die das bayerische Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) wie andere Bundesländer zuvor nun umsetzt. Eine flächendeckende Behandlung soll dabei nach Angaben des Ministeriums nicht erfolgen. Die Ausbringung des Giftgranulats ist vielmehr nur auf Antrag und nach vorheriger Anordnung durch das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) zulässig.
Der LBV verurteilt die Notfallzulassung des BVL und deren Umsetzung durch das bayerische StMELF dennoch scharf. „Wir befürchten ernsthafte Gefahren für unsere heimischen Mäusejäger sowie für andere Tiere, die das Granulat versehentlich als Nahrung aufnehmen“, so Christiane Geidel, Biologin beim Landesbund für Vogelschutz, „es ist davon auszugehen, dass bei der Ausbringung des Giftes nicht nur Feldmäuse vergiftet werden!“. So führt Geidel weiter aus, dass beispielsweise zahlreiche Greifvögel und Eulen betroffen sein könnten, die sich indirekt vergiften, indem sie vergiftete Feldmäuse erbeuten: „Besonders schwer wiegt dieser Aspekt in Jahren mit einem erhöhten Mäuseaufkommen, in denen sich die Mäusejäger gezielt an das erhöhte Angebot angepasst haben. So ernähren sich die meisten der heimischen Greife und Eulen gerade dann fast ausschließlich von Feldmäusen und tragen so zur natürlichen Schädlingsbekämpfung bei“.
„Bei unseren Schleiereulen finden in guten Mäusejahren aufgrund des erhöhten Nahrungsangebots häufig Zweitbruten statt“, erklärt Geidel. „Im mittelfränkischen Landkreis Neustadt-Aisch/Bad Windsheim ziehen derzeit zum Beispiel 20 der 47 von der LBV-Kreisgruppe betreuten Schleiereulenpaare eine Zweitbrut auf“. Die Jungvögel werden dabei mit Feldmäusen versorgt. Es wäre fatal, wenn sowohl die Altvögel als auch die Jungtiere durch den Verzehr vergifteter Beutetiere verenden würden.
Aber auch der stark gefährdete Feldhamster, der in Bayern nur in Unterfranken beheimatet und Gegenstand eines Artenhilfsprogramms ist, wird durch das breitwürfige Ausbringen von Chlorphacinon bedroht. Speziell im Herbst, wenn die Tiere sich einen Fettvorrat für den Winter anfressen, kann das Ködergranulat unmittelbar als Nahrung aufgenommen werden. „Um dieses Risiko zu minimieren, hat die Höhere Naturschutzbehörde an der Regierung von Unterfranken das Ausbringen der Ratron-Köder auf Hamsterflächen erst ab dem 1.11. genehmigt“ fügt die LBV-Biologin an.
Aufgrund der vorgebrachten Bedenken appelliert der LBV ausdrücklich an das bayerische Landwirtschaftsministerium, dem Vorbild des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums zu folgen und die erteilte Notzulassung im Freistaat auszusetzen, um die naturschutzfachlichen Auswirkungen zu prüfen.
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Autor:Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg |
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