Ortstermin: ,,Die Förder-Auflagen treiben uns in den Ruin“
Borkenkäfer-Invasion lässt Bäume sterben: Hilferuf der Waldbauern!
REGION/HEILIGENSTADT (nf) - Die anhaltende Trockenheit und die Invasion des Borkenkäfers haben den Wäldern massiv zugesetzt, der Holzmarkt ist infolge der Corona-Krise zusammengebrochen. Jetzt fordern die Waldbauern mehr Unterstützung! Obwohl die Holzerlöse kaum die Erntekosten decken, sind viele Waldbesitzer nach Leibeskräften bereit, ihre Wälder zu pflegen, Schadholz aufzuarbeiten und die Bestände zu verjüngen – aber die Bauern und ihre Familien, die mehrheitlich nur noch im Nebenerwerb Landwirte sind, geraten jetzt an ihre Grenzen - nicht nur finanziell.
Der Hilferuf kommt exemplarisch aus der Fränkischen Schweiz. In der Marktgemeinde Heiligenstadt (24 Gemeindeteile, rund 3.550 Einwohner) hat man auf dem Jura besonders mit der Käfer-Plage zu kämpfen - nach Schätzungen handelt es sich um etwa 4.000 Festmeter kaputter Bäume. Zum Ortstermin kamen MdL Holger Dremel und der 1. Bürgermeister von Heiligenstadt Stefan Reichold nach Hohenpölz, um sich an dem WBV (Waldbesitzervereinigung) Bamberg-Lagerort die Unmengen an Borkenkäferholz anzuschauen - in einem Ort mit gerade mal 120 Einwohnern.
Carmen Först aus Hohenpölz hatte im Vorfeld stellvertretend für die Waldbesitzer der Marktgemeinde einen schriftlichen Hilferuf an Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und MdL Holger Dremel gerichtet: ,,Wir Waldbauern sind ständig darum bemüht, unsere Wälder frei von Borkenkäfern zu halten. Aber mittlerweile geht es über die Grenze des Schaffbaren, wir erhalten auch keinerlei politische Unterstützung.“
Först schildert das Problem: ,,Wenn die befallenen Borkenkäferstämme aufgearbeitet werden und aus dem Wald gerückt werden, kostet das etwa 26 Euro pro Festmeter. Für mein Holz bekomme ich im Verkauf um die 20 Euro pro Festmeter. Das heißt, ich muss pro Festmeter noch mindestens 10 Euro aus eigener Tasche bezahlen. Allerdings liegen dann immer noch die Wipfel der Bäume im Wald, müssen dann zusätzlich aus Waldschutzgründen verräumt werden. Das kostet natürlich wieder." Im Falle der Förderung vom Forstamt (Eigenbedarf, sehr hohe Ansprüche bis zur Gewährung) reiche die Summe niemals aus. Außerdem dauere es zu lange, bis die Unterstützung wirklich kommt: ,,Von der Verpflichtung zum Aufforsten reden wir hier noch gar nicht. Für die Förderung müssen so viele kostenaufwendige Kriterien erfüllt werden, dass am Ende gar keine Förderung mehr möglich ist. Die Unterstützung müsste die Kosten der Aufarbeitung und Holzkosten decken.“ Denn bisher reicht das Geld nicht – auch wenn Ministerin Kaniber zugesagt hat: ,,Aufgrund der ernsten Situation erhalten die Waldbesitzer für die Bekämpfung dieses Jahr auch einen deutlich höheren Fördersatz.“
Beim Besichtigungstermin vor einem besonders betroffenen Stück Wald, kamen die Probleme zur Sprache: ,,Wir Waldbauern bitten Sie uns zu helfen, dass wir Geld erhalten, um den Wald aufrecht zu erhalten und unsere Existenz zu sichern. Viele Waldbauern müssen in ihrer Freizeit den Wald bearbeiten. Dann investieren sie ihr verdientes Geld in den Wald und wer bezahlt unsere monatlichen Kosten? Wir werden nicht unterstützt, sondern in den Ruin getrieben! Wenn wir es nicht schaffen, die befallenen Bäume aus dem Wald zu bringen (von fehlenden Lagerplätzen abgesehen), gibt es eine Frist mit Androhung eines Bußgeldes bis 25.000 Euro! So geht das nicht weiter“, prangern die verärgerten Bauern an.
Holger Dremel versprach, das Problem in München in den zuständigen Ausschüssen und beim zuständigen Forstamt zu thematisieren. ,,Ich kann Euch nichts versprechen, aber ich sehe, dass wir hier schnell pragmatische Lösungen schon vor der Förderung brauchen.“ Eine Zukunft für die Fichte, sehen allerdings die wenigsten Waldbauern. Und Klemens Dippold aus Hohenpölz stellte den wichtigsten Aspekt - gerade in der aktuellen Klimadebatte - heraus: ,,Der Wald geht uns doch alle an!“
Hintergrund:
In Bayerns Wäldern hat jetzt der Hauptschwärmflug der Borkenkäfer begonnen. In den kommenden Wochen ist daher bayernweit mit dem ersten frischen Befall zu rechnen. Forstministerin Michaela Kaniber appelliert deshalb an die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer ihre Fichtenwälder zu kontrollieren. „Heuer ist besonders große Wachsamkeit geboten, um eine starke Vermehrung der Käfer zu verhindern. Denn wegen der idealen Lebensbedingungen im letzten Jahr haben mehr Käfer als sonst im Boden und unter der Rinde befallener Fichten überwintert“, warnt die Ministerin, und: „Nur mit raschem und konsequentem Handeln können wir die Ausbreitung der Käfer noch eingrenzen.“ Die sogenannte „saubere Waldwirtschaft“ sei laut Kaniber die einzig wirksame und bewährte Methode, um eine Massenvermehrung zu verhindern. Dazu müssen befallene Stämme zügig aufgearbeitet und dann entrindet oder mindestens 500 Meter aus dem Wald transportiert werden. Zudem sei es ratsam, die Baumkronen zu häckseln. Denn die Käfer nutzen schon Äste ab drei Zentimetern Durchmesser als Brutstätte. Aber auch bisher nicht aufgearbeitetes Bruch- oder Windwurfholz aus vorausgegangenen Stürmen sei für die Käfer ideales Brutmaterial und sollte daher zügig entfernt werden.
Die Alternative
Im Gegensatz zur Methode der ,,sauberen Waldwirtschaft“ gib es viele Befürworter, die tote Käferbäume besser stehen lassen wollen. Das Fällen verlassener Käferfichten trage nämlich nichts zur Bekämpfung bei. Die Aktion sei ökologisch nicht sinnvoll. Sind die Bäume erst seit ein paar Wochen vom Buchdrucker verlassen, gebe es sogar einen Grund, diese als Bekämpfungsmaßnahme stehen zu lassen: die natürlichen Feinde der Käfer, beispielsweise Langbeinfliegen, Schlupfwespenarten, Ameisenbuntkäfer oder Schwarzspecht. Wie der NABU (Deutscher Naturschutzbund) bestätigt, erschließt der Schwarzspecht vielen anderen Höhlenbrütern den Wald und insbesondere das Altholz. Wirtschaftsdenken und Ordnungsliebe gefährden diesen Lebensraum. Der Schwarzspecht ernährt sich vorwiegend von Larven und Puppen, adulten Ameisen und Holz bewohnenden Käfern (Borken- und Bockkäfer). Daneben frisst er Hymenopteren, Käfer, Dipteren, Schmetterlings-Raupen, Spinnen und kleine Schnecken. Nur äußerst selten versorgt er sich zusätzlich mit Beeren und Früchten. Das Totholz dient also vielen Insektenarten und Vögeln als Lebensraum.
Infos unter
www.waldwissen.net
www.nabu.de
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