Bundesrepublik in der Krise
CDU-Generalsekretär: Deutschland braucht eine Agenda 2030
BERLIN (dpa) - CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat ein umfassendes Programm angemahnt, um Deutschland und seine schwächelnde Wirtschaft wieder international wettbewerbsfähig zu machen. «Es bringt jetzt nichts, hier und da mal Abschreibungsregeln zu verbessern. Unser Land braucht jetzt ein Gesamtkonzept, eine Agenda 2030», sagte Linnemann der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Es gehe darum, dass Leistung sich wieder lohne, dass Fördern und Fordern wieder stattfänden, dass der Staat, insbesondere die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, funktionierten.
«Wir sind nicht nur der kranke Mann Europas, sondern laut Internationalem Währungsfonds der kranke Mann der Welt», sagte Linnemann. Der IWF habe prognostiziert, dass die Bundesrepublik unter den großen Industriestaaten weltweit das einzige Land sei, dessen Wirtschaft in diesem Jahr schrumpfen werde. «Alle anderen Länder wachsen.» Die Union habe bereits ein Sofortprogramm in Gestalt eines Fünf-Punkte-Planes vorgelegt. «Das reicht aber noch nicht aus. Es braucht ein Gesamtkonzept und das werden wir in den nächsten Wochen vorlegen.»
Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts
«Wir brauchen jetzt erstens Liquidität. Das Wachstumschancengesetz, das der Finanzminister auf den Weg bringen will, ist in der Sache in großen Teilen richtig», sagte Linnemann. Auch müssten die Energiepreise so schnell wie möglich gesenkt werden. Um das Fachkräfteproblem anzugehen, sollten Hunderttausende Menschen, die demnächst in Rente gingen, anschließend steuerfrei hinzuverdienen können - beispielsweise 2000 Euro monatlich. Linnemann schlug auch vor, ein Experiment zu wagen und den Landkreisen in Deutschland für zwei Jahre zu erlauben, Bürokratie und Überregulierung abzubauen.
«Wir brauchen hier in Deutschland dringend einen Mentalitätswandel», erläuterte Linnemann. «Es geht uns heute leider wieder so wie in den späten neunziger Jahren, als Roman Herzog dann die 'Ruck-Rede' hier unweit des Adenauer-Hauses gehalten hat. Diesen Ruck, diesen Ruck 2.0, den braucht Deutschland jetzt.»
Erinnerung an die Krise Ende der neunziger Jahre
Der CDU-Politiker knüpfte damit an die im März 2003 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) angekündigte Agenda 2010 an, mit der die rot-grüne Bundesregierung dann den Arbeitsmarkt und das Sozialsystem in Deutschland reformierte. Schon im April 1997 hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog in einer Rede den Verlust wirtschaftlicher Dynamik, die Erstarrung der Gesellschaft sowie eine «unglaubliche mentale Depression» hierzulande beklagt und gefordert: «Durch Deutschland muss ein Ruck gehen.»
Linnemann warf der Bundesregierung und Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor, keinen Plan für die Bewältigung der aktuellen Probleme zu haben. «Ich erwarte von ihm ja keine große Vision mehr, aber zumindest mal eine Idee, wie Deutschland in den nächsten drei bis fünf Jahren besser aufgestellt werden kann.»
Warnung vor leisem Sterben des Mittelstandes
Linnemann wies darauf hin, dass die deutschen Direktinvestitionen im Ausland im vergangenen Jahr rund 135 Milliarden Euro betragen hätten - die ausländische Investitionen in Deutschland aber nur etwa 10 Milliarden Euro. «Das ist ein Missverhältnis, das dramatisch ist.» Deutsche Unternehmen investierten im Ausland, um Kosten zu sparen, und nicht primär, um Märkte zu erobern. «Das heißt: Diese Firmen sind irgendwann ganz weg.»
Es bestehe die Gefahr, dass der Mittelstand, Rückgrat der Wirtschaft und Garant für den Wohlstand in Deutschland, «leise kaputt geht», warnte Linnemann. «Das dürfen wir nicht zulassen. Deshalb braucht es jetzt Rahmenbedingungen, die dem Mittelstand Planungssicherheit geben, damit die Betriebe mal Luft zum Atmen bekommen.»
Heben des inländischen Potenzials für den Arbeitsmarkt
Diese Bundesregierung unterschätze das inländische Potenzial für den Arbeitsmarkt und das Thema Zuwanderung, sagte Linnemann. «Wir müssen viel mehr das inländische Potenzial fördern und auch fordern. Es muss uns Sorgen machen, dass 600.000 Menschen zwischen 18 und 24 weder eine Berufsausbildung haben noch arbeiten gehen.»
Auch beim Bürgergeld müssten stärker jene Menschen gefördert werden, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr arbeiten könnten. «Aber wer soziale Leistungen erhält und arbeiten kann, der sollte auch einer Arbeit nachgehen müssen.» Dies erwarteten die Menschen, die mit ihrer Arbeit und ihren Steuern den Sozialstaat finanzierten.
Von Ulrich Steinkohl, dpa
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