Auch wegen Pandemie
Die deutsche Mittelschicht bröckelt immer mehr!

Eine Deutschlandfahne weht vor einem Einfamilienhaus. Die Mittelschicht in Deutschland ist laut einer neuen Studie erheblich kleiner als noch Mitte der 1990er Jahre.
Foto: Stefan Jaitner/dpa
  • Eine Deutschlandfahne weht vor einem Einfamilienhaus. Die Mittelschicht in Deutschland ist laut einer neuen Studie erheblich kleiner als noch Mitte der 1990er Jahre.
    Foto: Stefan Jaitner/dpa
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GÜTERSLOH (dpa/mue) - Die Mittelschicht in Deutschland bröckelt einer aktuellen Studie zufolge erheblich – besonders der untere Rand ist demnach abstiegsgefährdet.

Im Jahr 
2018 zählten 64 Prozent der Bevölkerung zur mittleren Einkommensgruppe, was im Vergleich zu 1995 – mit damals 70 Prozent – ein Schrumpfen um sechs Prozentpunkte bedeute. Das geht aus einer Analyse von Bertelsmann Stiftung und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor. Es handele sich um die aktuellsten verfügbaren Daten zu dem komplexen Thema, sagte die Arbeitsmarktexpertin der Stiftung, Natascha Hainbach. 
Demnach seien allein von 2014 bis 2017 rund 22 Prozent der Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 18 bis 64 Jahren in die untere Einkommensschicht gerutscht – und waren damit laut Untersuchung arm oder von Armut bedroht.
 Es gebe zudem Anzeichen dafür, dass der Schrumpfkurs nach 2018 angehalten und sich durch die Pandemie noch verschärft habe. Denn auch unter Personen mit mittleren Einkommen gab es deutliche Beschäftigungsverluste: In dieser Gruppe waren acht Prozent, die vor Beginn der Krise 2019 noch arbeiteten, im Januar 2021 nicht mehr erwerbstätig, wie sich aus Berechnungen der Stiftung und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ergeben habe. 
«Gefährdet sind all jene, die unter Berücksichtigung der Haushaltsgröße ein verfügbares Einkommen zwischen 75 und 100 Prozent des mittleren Einkommens haben», hieß es in Gütersloh. Das waren 2018 bei einem Single rund 1.500 bis 2.000 Euro verfügbares Nettoeinkommen, bei Familien mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern 3.000 bis 4.000 Euro, so Hainbach.

Bisher keine Erholung

Eine starke und florierende Mittelschicht sei als Basis einer soliden Wirtschaft und einer wohlhabenden Gesellschaft von zentraler Bedeutung, unterstreicht die Studie. Der wesentliche Rückgang fand demnach schon bis 2005 statt, seitdem habe sich die Mitte nicht wieder erholt.
 Auch wenn die Mittelschicht erheblich kleiner sei als Mitte der 1990er Jahre, sei sie doch als «recht stabil» einzustufen. Anlass zur Sorge gebe es trotzdem in mehrfacher Hinsicht. So falle der Rückgang bei jüngeren Erwachsenen aus der Einkommensmitte – also bei den 18- bis 29-Jährigen – überdurchschnittlich stark aus. Und wer in Deutschland einmal aus der Mittelschicht herausfalle, habe es heute deutlich schwerer, wieder aufzusteigen, schilderte Mitautorin Valentina Consiglio von der Stiftung. 
Zudem gelinge es Ostdeutschen seltener, in den mittleren Einkommensbereich zu gelangen oder sich dort zu halten, als Westdeutschen. Im Vergleich zu den anderen OECD-Ländern schrumpfte die Mittelschicht demnach nur in Schweden, Finnland und Luxemburg stärker als in Deutschland. Es müsse darum gegengesteuert werden, lautete die Forderung aus Gütersloh an die künftige Bundesregierung. Wichtig seien dabei gute Ausbildung und Studium: «Bildungsrückstände, die durch die Pandemie entstanden sind, müssen dringend aufgeholt werden, sonst wird vielen der mühsame Aufstieg in die Mittelschicht zusätzlich erschwert», mahnte Consiglio.

Autor:

Uwe Müller aus Nürnberg

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