Opfer von ICE-Messerattacke
"Er wollte mich umbringen": Das sagen die Opfer!
MÜNCHEN/NÜRNBERG (dpa/lby) - Ein Opfer der Messerattacke in einem ICE von Passau nach Nürnberg von vor einem Jahr hat nach eigener Einschätzung nur mit Glück überlebt. «Ich bin überzeugt, dass mich der Angreifer an diesem Tag umbringen wollte», sagte der Zeuge am Freitag vor dem Oberlandesgericht München im Prozess gegen den mutmaßlichen Täter. Dieser soll dem 27-Jährigen unvermittelt mit einem Messer acht Stiche in den Kopf-, Hals- und Brustbereich versetzt haben, bevor er noch drei weitere Menschen angriff und zwei davon schwer verletzte.
Dieses Erlebnis sei «etwas, das man nie wieder vergisst. Diese Erfahrung kann man nicht ablegen - das ist jetzt ein Teil von mir», sagte der Zeuge, der sich mit Tritten gegen die Attacke wehrte. Ein Großteil seiner schweren körperlichen Verletzungen sei heute verheilt, doch psychisch belaste ihn der Vorfall noch immer. Er verlasse an manchen Tagen ungern das Haus, fahre seit dem Vorfall nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sehe in anderen Menschen eine Gefahr: «Man weiß nicht, ob der Nächste nicht auch ein Messer in der Tasche hat.»
Der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter hatte vor rund zwei Wochen begonnen. Die Anklage wirft ihm nach der blutigen Attacke vom 6. November 2021 unter anderem versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung vor.
Das sagen die Opfer
Ein ruhiges Zugabteil, ein Rascheln von hinten, dann ein heftiger Schlag auf den Kopf. Der Mann, der vor fast einem Jahr in einem ICE neben drei weiteren Reisenden mit einem Messer angegriffen wurde, erinnert sich noch genau an die blutige Tat. Detailliert schilderte er vor dem Oberlandesgericht München am Freitag, wie sich dieser Tag für ihn abspielte.
Mit seiner Freundin habe er es sich am Morgen des 6. Novembers 2021 in dem ICE von Passau nach Nürnberg «gemütlich gemacht», erzählte der 27-Jährige. Auf der anderen Seite vom Gang habe sich ein Mann in einer Camouflage-Hose mit einer Plastiktüte hingesetzt, der ihm aufgrund seines Auftretens auf Anhieb komisch vorgekommen sei. Er habe sich unwohl gefühlt, sagte der Zeuge. Trotzdem habe er versucht, ebenso wie seine Freundin, noch einmal die Augen zu schließen.
Kurz darauf habe er hinter sich erst ein Rascheln vernommen und dann einen «harten, heftigen Schlag» von oben auf seinen Kopf gespürt. Der unbekannte Angreifer versetzte ihm mit einem Messer der Anklage nach insgesamt acht Stiche in den Kopf-, Hals- und Brustbereich. «Der Angriff hat nicht aufgehört», sagte der Mann vor Gericht. «Ich bin überzeugt, dass mich der Angreifer an diesem Tag umbringen wollte.»
Seine Freundin, die während des Angriffes neben ihm saß, sagte vor Gericht, sie habe «Todesangst» um sich selbst und ihren Partner gehabt. Immer wieder kommen ihr während der Vernehmung die Tränen. Auch ihr damals angegriffener Freund sagte, der Vorfall belaste ihn psychisch noch immer. Er verlasse an manchen Tagen ungern das Haus, fahre seit dem Vorfall nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sehe in anderen Menschen eine Gefahr: «Man weiß nicht, ob der Nächste nicht auch ein Messer in der Tasche hat.»
Drei weitere Reisende griff der Täter daraufhin an, zwei von ihnen verletzte er dabei schwer. Ein Opfer berichtete vor Gericht von Schlafstörungen - er habe Albträume und befinde sich nach wie vor in psychiatrischer Behandlung.
Der mutmaßliche Täter Abdalrahman A. ist dabei unter anderem wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Auch ein etwaiger islamistischer Hintergrund und eine mögliche psychische Erkrankung des Angeklagten stehen im Raum. Zum Prozessbeginn waren 24 Verhandlungstage bis zum 23. Dezember 2022 angesetzt. Am Montag wird der Prozess fortgeführt.
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