"Die spinnen, die Briten"
Graf Mülltonnengesicht will das Londoner Rathaus stürmen
LONDON (dpa) - Lächerliches Aussehen, griffige Slogans und in jedem zweiten Satz ein Joke: Als der damalige Premierminister Boris Johnson bei der vergangenen Parlamentswahl in Großbritannien im Wahlkreis Uxbridge and South Ruislip die Bühne zur Verkündung seines Siegs betrat, traf er auf einen kuriosen Konkurrenten.
Count Binface (etwa: Graf Mülltonnengesicht) ist ein selbst ernannter intergalaktischer Weltraumkrieger, der auch in diesem Jahr wieder bei Wahlen antrat: Er will zum Bürgermeister von London gewählt werden - und gibt nicht auf.
Verantwortliche sollen in verschmutzter Themse baden
Er hat versprochen, die Verantwortlichen des Wasserversorgers Thames Water ein Bad im Wasser der von Fäkalien verseuchten Themse nehmen zu lassen, um «zu sehen, wie es ihnen gefällt» und kündigt an, den Preis von Croissants auf ein Pfund und zehn Pennys zu deckeln.
Quatschkandidaten wie Count Binface alias Komiker Jon Harvey haben in Großbritannien Tradition. Als Johnson 2019 seinen Sieg feierte, tummelten sich neben dem Weltraumkrieger noch ein Kandidat im Kostüm der Sesamstraßenfigur Elmo, ein Lord Buckethead (Lord Eimerkopf) und ein Yace Yogenstein, auch bekannt als Interplanetary Time Lord auf der Bühne. Die 1982 gegründete Official Monster Raving Loony Party tritt regelmäßig bei Wahlen an.
Auf die Stimmen kommt es ihm nicht wirklich an
Fragt man bei Harvey nach, warum er das macht, sagt er: «Es bringt mich zum Lachen und ich hoffe, dass es andere zum Lachen bringt.» Inspirieren ließ er sich unter anderem von Star-Wars-Parodien und der Klamauk-Serie «Blackadder» mit Mr.-Bean-Darsteller Rowan Atkinson.
Doch in Wirklichkeit geht es ihm nicht darum, möglichst viele Stimmen zu bekommen, sagt Harvey im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London. «Ich brauche keine einzige Stimme. Es ist immer wunderbar, wenn sie kommen. Aber darum geht es nicht. Es geht einfach darum zu zeigen, dass jeder zur Wahl antreten kann, was in so vielen Ländern der Welt nicht möglich ist», so der 44-Jährige. Die Wahlbehörden seien immer sehr entgegenkommend, lobt er. «Sie verstehen, worum es geht.»
Wahlsystem ohne Mitsprache der Bürger geändert
Dass auch die Unterstützer von Count Binface durchaus eine ernsthafte Seite haben, bestätigt Politikprofessor Tony Travers von der London School of Economics. Die Binface-Wähler seien sehr gut darin gewesen, das bisherige Wahlsystem zu nutzen, bei dem sie zwei Präferenzen angeben konnten. Die erste Präferenz sei Binface gewesen. Weil der aber schnell aus dem Rennen war, wählten sie als zweite Präferenz einen der aussichtsreicheren Kandidaten, auf den die Stimme dann übertragen wurde. «Sie waren effizient darin, ein Signal zu setzen: «Wir haben gerne ein bisschen Spaß, aber am Ende meinen wir es ernst»», fasst Travers das Motto der Binface-Gemeinde zusammen. Für den Weltraumkrieger entschieden sich bei der vergangenen Bürgermeisterwahl in London 2021 immerhin knapp 24.800 Wählerinnen und Wähler.
Binface bleibt anders als die Konkurrenz stets bei der Wahrheit
Harvey ist es wichtig zu betonen, dass anders als manch echter Kandidat, Count Binface stets bei der Wahrheit bleibt. Als ihn ein Journalist der Zeitung «Independent» einmal fragte, ob er seine Forderung fair finde, das Wahlalter auf 16 zu senken, aber gleichzeitig ein Höchstalter von 80 einzuführen, antwortete Binface mit einem entschiedenen «Nein» - was den Reporter so aus dem Konzept brachte, dass er einige Momente brauchte, um wieder den Faden zu finden.
Christoph Meyer, dpa
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