Fälle im Zusammenhang mit Thrombosen verliefen tödlich
Impfgipfel wegen Astrazeneca-Stopp verschoben

Bundeskanzlerin Angela Merkel.  | Foto: John Macdougall/AFP Pool/dpa
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BERLIN (dpa) - Der für morgen Abend geplante Impfgipfel von Bund und Ländern wird nach der Aussetzung von Corona-Impfungen mit dem Präparat von Astrazeneca verschoben. Das teilt ein Regierungssprecher mit. Die Telefonkonferenz zum Thema der Impfkampagne und der Einbeziehung der Hausärzte werde verschoben, bis eine Entscheidung der Europäischen Arzneimittelbehörde zum Astrazeneca-Impfstoff vorliege. Wir hatten bereits gestern Abend aus mit den Vorgängen befassten Kreisen erfahren, dass die Telefonkonferenz voraussichtlich verschoben wird.

Bei der Telefonkonferenz von Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder sollte es auch um die Frage gehen, wie die Hausärzte flächendeckend in den Impfabläufen berücksichtigt werden können. In den Praxen sollte dabei insbesondere der Impfstoff von Astrazeneca zum Einsatz kommen, da dieser dort auch gelagert werden kann, weil er nicht so stark gekühlt werden muss wie die Impfstoffe von Biontech und Moderna.

Doch am Montagnachmittag hatte das Bundesgesundheitsministerium überraschend mitgeteilt, dass auch Deutschland die Impfungen mit dem Impfstoff von Astrazeneca vorerst aussetzt. Vorausgegangen waren Meldungen von Blutgerinnseln im zeitlichen Zusammenhang mit einer Corona-Impfung mit dem Präparat. Den Angaben zufolge handelt es sich um einen vorsorglichen Schritt, dem eine entsprechende Empfehlung des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vorausging.

Von den sieben in Deutschland aufgetretenen Fällen mit Thrombosen (Blutgerinnseln) der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang zur Impfung verliefen drei tödlich, wie Institutspräsident Klaus Cichutek in den ARD-«Tagesthemen» sagte. Bisher wurde das Astrazeneca-Präparat in Deutschland über 1,6 Millionen Mal geimpft. «Wir haben aufgrund von neuen Untersuchungen, aber auch neuen Meldungen, eine neue Lage», sagte Cichutek. Mit Blick auf Großbritannien, wo solche Fälle in dem Maß noch nicht bekannt wurden, erklärte er, der Fokus sei bisher auch nicht speziell darauf gerichtet gewesen. «Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger wollen sich darauf verlassen, dass die Impfstoffe, die wir anbieten, sicher sind und wirksam sind.» Zu den Auswirkungen auf die deutsche Impfkampagne sagte er: «Wenn es ein bisschen länger dauert, ist das ok.»

Andere wie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sehen die Entscheidung kritisch. Der Pandemiebeauftragte des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, Christoph Spinner, sagte der Deutschen Presse-Agentur, Sicherheit stehe zwar an oberster Stelle - das Aussetzen könne man aber zumindest hinterfragen. «Die Ereignisse sind sehr selten», sagte er mit Blick auf die Zahl der Vorfälle. Und: «Wir impfen derzeit prioritär Menschen mit Vorerkrankungen.» Diese Patienten hätten teils von vornherein ein gesteigertes Thromboembolie-Risiko.

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen nannte den vorläufigen Stopp sogar fahrlässig. Der Bundestagsabgeordnete sieht darin «die nächste Erschütterungswelle» für das Vertrauen in die Corona-Politik der Bundesregierung, wie er der dpa sagte. «Eine Alternative wäre es, über das überschaubare Risiko ausführlich aufzuklären und weiterhin jene Menschen zu impfen, die eine Impfung mit Astrazeneca möchten.»

Der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, hält das Präparat zwar für sicher. «Trotzdem ist es richtig, dass die nationalen Behörden die Verdachtsfälle auf schwere Nebenwirkungen prüfen», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er könne nachvollziehen, wenn es in einem Land Vorfälle gebe wie in Dänemark, dass man dann erst einmal prüfe, bevor man weiter impfe.

Dänemark hatte als erstes Land Astrazeneca-Impfungen ausgesetzt, nachdem im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung ein Todesfall aufgetreten war. Andere Länder zogen nach. Nach Deutschland verkündete am Montagabend auch Spanien einen Stopp.

Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) rechnet nun mit deutlichen Verzögerungen im rechnerischen Impfzeitplan. «Dies würde das Impfergebnis um einen Monat rechnerisch nach hinten verschieben», sagte ZI-Chef Dominik von Stillfried dem «Handelsblatt». Dann würden statt im August erst im September alle Impfwilligen eine zweite Dosis erhalten. Das Rechenmodell des Instituts geht davon aus, dass die bislang zugelassenen Mittel von Johnson & Johnson, Moderna und Biontech/Pfizer wie zugesagt geliefert werden und die Hausärzte frühestmöglich impfen können.

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten einen breiten Impfstart in Praxen spätestens in der Woche vom 19. April angepeilt. Einzelne Länder - darunter Bayern - wollten bereits ab Anfang April die Hausärzte flächendeckend einbinden.

CSU-Chef Markus Söder glaubt nach eigenen Worten nicht, dass die Astrazeneca-Impfungen generell ausgesetzt bleiben. Es würden nach der Prüfung der Vorfälle noch viele Gruppen damit geimpft werden können, prophezeite Söder in der ARD. «Ich würde mich auch sofort hinstellen.» Er riet, die Zweitimpfung weiter hinauszuschieben, die Ärzte frühzeitig in die Impfkampagne einzubinden und die festgelegte Impfreihenfolge zu lockern.

Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans warf Spahn vor, dass dieser sich nach den dänischen Vorfällen zunächst noch an die Einschätzung der EU-Arzneimittelbehörde EMA gehalten hatte und nun umgeschwenkt ist. «Hals über Kopf eine Woche vorher zu sagen, die Risiken sind kleiner als der Nutzen, und dann ein paar Tage später, wenn sich alle darauf einstellen, dass jetzt geimpft wird, zu sagen: «Na ja, das ist mir jetzt zu heiß», zeugt auch nicht von einer besonnenen, überschauenden Politik», sagte der Finanzexperte im ZDF-«heute-journal update».

Die EMA hält auch weiter daran fest, dass die Impfungen fortgesetzt werden könnten. Die Prüfung der Fälle werde aber fortgesetzt, erklärte sie am Montagabend in Amsterdam, ihr Sicherheitsausschuss entscheide am Donnerstag.

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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