Bundesländer gaben ihre Zustimmung ++ Bürgerproteste und Demonstrationen
Ist die Kritik am neuen Infektionsschutzgesetz berechtigt, Herr Brehm?

MdB Sebastian Brehm.  | Foto: © Büro Sebastian Brehm

REGION (nf/pm/dpa) - Bundestag und Bundesrat haben am 18. November den Weg für die von der großen Koalition geplanten Änderungen im Infektionsschutzgesetz freigemacht. Im Bundestag stimmten 415 Abgeordnete für die Reform, um die Corona-Maßnahmen künftig auf eine genauere rechtliche Grundlage zu stellen. 236 stimmten dagegen, 8 enthielten sich bei der namentlichen Abstimmung. Anschließend gab es in einer Sondersitzung des Bundesrates auch von der Mehrheit der Bundesländer die Zustimmung zum sogenannten dritten Bevölkerungsschutzgesetz. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fertigte das Gesetz im Anschluss aus – nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt kann es in Kraft treten.

Bei Protesten mehrerer Tausend Teilnehmer gegen die Gesetzesänderung und die staatliche Corona-Politik in der Nähe des Bundestages kam es am parallel zur Debatte im Parlament zu Auseinandersetzungen mit der Polizei und auch zum Einsatz von Wasserwerfern. Die Sorge der Bürgerinnen und Bürger ist groß, dass u.a. die Neuregelungen den Regierungen keine Leitplanken mehr vorgeben, sondern ihnen nun eine Art ,,Freifahrtschein" zur Verfügung stünde. 

Fünf Fragen zum geänderten Infektionsschutzgesetz beantwortet MdB Sebastian Brehm. Er ist seit 2017 Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Nürnberg-Nord.

Herr Brehm, was ist das Infektionsschutzgesetz und wieso war eine Änderung nötig?

Sebastian Brehm: Das Infektionsschutzgesetz gibt es seit dem Jahr 2001. Sein Zweck ist es, übertragbare Krankheiten einzudämmen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Allerdings war es auf eine Pandemie solchen Ausmaßes, wie wir sie in diesem Jahr mit Covid-19 erleben, nicht vollständig ausgelegt. Es musste also angepasst und ergänzt werden. Die Lage machte ein schnelles Handeln erforderlich. Dennoch wurde das Gesetzgebungsverfahren nicht über das Knie gebrochen, sondern wir haben uns wie üblich mit Sachverständigen, vor allem auch Verfassungsrechtlern und Wissenschaftlern, und den Bundesländern beraten und verständigt. Der Bundesrat hat das Gesetz am selben Tag noch verabschieden können. Das Gesetz wurde also mit großer Sorgfalt im parlamentarischen Verfahren erstellt.

Weshalb wurde über den §28a so viel gesprochen und gestritten – was regelt dieser?

Sebastian Brehm: Der neue § 28a des Infektionsschutzgesetzes ist die gesetzliche Grundlage für Maßnahmen, die erforderlich sind, Corona einzudämmen. Es wurde ja vielfach gefordert, die Rechtsgrundlagen klarer zu fassen. Diesen Diskussionen trägt die neue Gesetzesregelung Rechnung. Im Ergebnis wird das Parlament gegenüber der Regierung gestärkt, das ist auch die Aufgabe des Parlaments.

Eine 17 Punkte umfassende Liste enthält unter anderem die Anordnung eines Abstandsgebots im öffentlichen Raum oder die die Maskenpflicht. Das Infektionsschutzgesetz ist die rechtliche Grundlage, aber nur die Bundesländer können Vorschriften erlassen. Auch Befugnisse für das Bundesministerium für Gesundheit bestehen nur in einem bestimmten Bereich und nur so lange, wie eine epidemische Lage gegeben ist. Alle Regelungen unterliegen der regelmäßigen parlamentarischen Kontrolle.

Die Schutzmaßnahmen greifen zum Teil tief in unsere Grundrechte ein. Zu Recht dürfen daher die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass die Eingriffe auf einem verlässlichen Fundament stehen. Dafür haben wir mit diesem Gesetz gesorgt. Der Deutsche Bundestag kann die erteilten Befugnisse jederzeit wieder an sich ziehen und die Vorschriften ändern. Sämtliche Maßnahmen auf Grundlage der epidemischen Lage enden automatisch am 31. März 2021 oder wenn der Deutsche Bundestag die epidemische Lage vor diesem Datum für beendet erklärt. Niemand kann ein Interesse daran haben, Einschränkungen in die Freiheit des Einzelnen unnötig zu verlängern. Die Situation erfordert aber leider eine konzentrierte und gesetzlich fundierte Vorgehensweise. Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen verletzt wird. Unser Ziel ist es, Menschen vor der Krankheit zu schützen und die Pandemie zu bekämpfen. Deshalb sind leider diese Maßnahmen für einen gewissen Zeitraum notwendig.

Welche Vorteile hat nun die Neufassung – wer profitiert davon?

Sebastian Brehm: Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass die Rechtsgrundlagen für erforderliche Schutzmaßnahmen sattelfest sind. Dies ist auch erforderlich, damit die Akzeptanz in der Bevölkerung für die notwenigen Maßnahmen und Einschränkungen nicht darunter leidet, dass ihre Rechtmäßigkeit ständig hinterfragt und von Gerichten korrigiert wird.

Die beschlossene Gesetzesänderung hat aber noch einen anderen Schwerpunkt. Wir bereiten uns mit dem Gesetz sehr gezielt auf eine schwierige nächste Zeit vor. Daher ermöglichen wir es Krankenhäusern, Intensivbetten für eventuelle Covid-19-Patienten frei zu halten. Dafür stellen wir Ausgleichszahlungen sicher. Außerdem erweitern wir auch die Testkapazitäten. Künftig dürfen auch Zahnärzte und Tierärzte das Coronavirus nachweisen. Und wir schaffen die Voraussetzungen für die Durchführung von Impfungen, sobald ein geeigneter Impfstoff gegen Covid-19 verfügbar ist. Die jüngsten Nachrichten zu Impfstoffen stimmen uns alle sehr hoffnungsvoll. Die Impfbereitschaft im Land ist sehr hoch. Damit wir eine hohe Impfrate auch erreichen, und das ist erforderlich, muss sehr viel organisiert werden. An dieser Stelle möchte ich noch einmal unmissverständlich klarstellen: es wird aber keine Impfpflicht geben.

Was sagen Sie Kritikern, die weiter teils massive Bedenken hinsichtlich der Persönlichkeitsrechte äußern?

Sebastian Brehm: Ich habe sehr viele Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern erhalten, die teilweise eine tiefe Besorgnis zum Ausdruck bringen. Ich nehme das sehr ernst und habe selbstverständlich auch ausführlich geantwortet. Information und sachorientierte Kommunikation ist das Maß der Dinge in diesen Tagen. Leider wurden von verschiedenen Gruppierungen gezielt falsche Informationen verbreitet, die zu einer großen Verunsicherung geführt haben. Das ist aus meiner Sicht unverantwortlich.

Unsere Aufgabe als politisch Verantwortliche ist es, jeden Tag neu zu bewerten und zu gewichten sowie notwendige Entscheidungen zu treffen. Die Wissenschaft kann beraten, Fakten und Einschätzungen liefern. Entscheidungen über Maßnahmen muss aber letztendlich die Politik fällen. Das Gesetz liefert dafür den richtigen, klar abgesteckten Rahmen.

Ich werde mich als direkt gewählter Nürnberger Bundestagsabgeordneter weiter dafür einsetzen, dass wir den gemeinsamen Kampf gegen Corona mit Sachverstand und voller Konzentration führen.

Wie haben Sie die aufgeheizte Stimmung im Parlament und rund um den Reichstag erlebt?

Sebastian Brehm: Lebhafte Diskussionen und auch harte Auseinandersetzungen in der Sache gehören zu einer funktionierenden Demokratie dazu. Auch das Demonstrationsrecht ist verbrieft und unantastbar. Was sich aber in den letzten Wochen rund um den Reichstag an Gewalt gegenüber Polizeibeamten entladen und im Parlamentsgebäude an konzertierten Störaktionen gegen Abgeordnete ereignet hat, erinnert an Methoden aus den dunklen Zeiten unserer Geschichte. Mehrere „Gäste“ der AfD hatten Abgeordnete des Deutschen Bundestags und ein Mitglied der Bundesregierung unmittelbar vor der Abstimmung zum Bevölkerungsschutzgesetz bedrängt und gegen deren Willen aggressiv gefilmt. Ein Verhalten, das aus meiner Sicht einen Tiefpunkt des demokratischen Miteinanders markiert. Wir müssen daran arbeiten, die Gesellschaft zu einen, nicht sie zu spalten. Wir alle wollen die Pandemie bekämpfen um wieder ein kulturelles und gesellschaftliches Miteinander zu ermöglichen, dafür werde ich auch weiterhin mit voller Kraft arbeiten.

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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